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Rot-Weiße Ästhetik

Ein strahlend weißes Lächeln gehört mittlerweile zum Schönheitsideal unserer Zeit. Aber was genau macht dieses Lächeln aus? In unserem Fortbildungsbeitrag bringt WIR Sie auf den aktuellen Stand in puncto Zahnfarbe und Gingiva.

von Dr. Pantelis Petrakakis, Dr. Angela Bergmann, Zahnärzte und freie Journalisten, Düsseldorf; Dr. Peter Randelzhofer, Zahnarzt, München
25.04.2018

FoBi Rot-Weiße Ästhetik
© Foto: Karin & Uwe Annas / Fotolia [Ausschnitt]
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Ein schönes Lächeln gilt in unserer Gesellschaft als Grundlage und Gradmesser für den gesellschaftlichen und beruflichen Erfolg. Ein ästhetisches Lächeln gibt uns aber auch persönlich ein gutes Gefühl und die nötige Sicherheit im Kontakt zu anderen Menschen. Es verwundert daher nicht, dass die Zahnmedizin nicht mehr nur als reine Therapiedisziplin betrachtet wird, sondern dass auch ästhetische Aspekte - insbesondere bei der Behandlung im ästhetisch sichtbaren Bereich - immer stärker in den Fokus zahnärztlicher Behandlung rücken. Dabei stellt sich für das zahnärztliche Team eine zentrale Frage. Welches sind denn letztendlich die Faktoren, die für die dentale Ästhetik ausschlaggebend sind?

Grundlagen der Ästhetik

Die Frage, was eigentlich Schönheit bzw. Ästhetik ausmacht, ist so alt wie die Menschheit selbst, und sie ist bis heute nicht zufriedenstellend und abschließend geklärt. Die damit verbundene Suche nach dem Schönen und seinem universellen Prinzip offenbart sich nicht nur gesellschaftlich und kulturell in den Bereichen Kunst, Mode und Design. Sie ist auch Bestandteil geistes- und naturwissenschaftlicher Forschung.

Die große Schwierigkeit besteht offensichtlich darin, dass das Empfinden von Schönheit und Ästhetik zu einem großen Teil auf persönlichen Emotionen beruht und sich nicht einfach verallgemeinern lässt. Häufig ist die Schönheitsempfindung zeitlich gebunden und Ausdruck dessen, was zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. einer bestimmten Periode "in" oder "out" war. Dennoch scheint es ein universelles Schönheitsprinzip zu geben, das uns allen innewohnt. Eine nicht ganz ernst zu nehmende, aber dennoch sehr interessante Abhandlung über unser ästhetisches Empfinden hat Anfang der 2000er-Jahre der britische Komiker John Cleese für den englischen Fernsehsender BBC produziert. In einer Folge sollten Probanden verschiedene menschliche Gesichter nach ihrem Attraktivitätsgrad einordnen. Überraschenderweise ordneten 90 % der Beurteiler die Gesichter nach der gleichen Reihenfolge an. Die Analyse ergab, dass Gesichter aufgrund ihrer symmetrischen Erscheinung als schön empfunden wurden. Das Geheimnis der Ästhetik und Schönheit scheint somit vordergründig in der Symmetrie, d. h. der Deckungsgleichheit der Bestandteile eines Ganzen zu liegen.

Der Goldene Schnitt

Bei genauer Betrachtung stellt sich diese Annahme jedoch als falsch heraus. Das Verhältnis der einzelnen Teile zueinander ist dafür ausschlaggebend, ob ein Gesicht in seiner Gesamtheit als schön oder als hässlich empfunden wird, und nicht seine Symmetrie. Dieses Phänomen lässt sich mit dem sogenannten Goldenen Schnitt erklären. Der griechische Mathematiker Euklid (ca. 325-265 v. Chr.) beschrieb als Erster den Goldenen Schnitt, der später auch als "göttliche Proportion" bezeichnet wurde. Der Goldene Schnitt repräsentiert ein bestimmtes Verhältnis zweier verschieden großer Teile eines Ganzen zueinander, das wir offensichtlich als besonders schön und harmonisch empfinden. Rechnet man aus, in welchem Verhältnis der große Teil (Major) zum kleinen Teil (Minor) im Goldenen Schnitt steht, so erhält man eine Konstante, die 1,618 beträgt und die "Phi" genannt wird (dargestellt als der Buchstabe Phi des griechischen Alphabets). Dieses Verhältnis besagt, dass der Major 1,618-fach größer ist als der Minor und dass das Ganze wiederum 1,618-fach größer ist als der Major.

Attraktivität und Gesundheit

Von großem Interesse ist dabei die Erkenntnis, dass es offensichtlich einen starken Zusammenhang zwischen der empfundenen Attraktivität eines Gesichts und der jeweiligen Einschätzung der Gesundheit der abgebildeten Person gibt. So werden Menschen mit einem attraktiven Gesicht eher mit einer guten Gesundheit und einer hohen biologischen Wertigkeit in Zusammenhang gebracht als Menschen, deren Gesicht als eher unattraktiv empfunden wird.

Attraktivität im Bereich der Zähne und des Zahnfleischs

Genau wie in der Gesichtsästhetik ist eine allgemeingültige, für jeden gleich anwendbare Definition von grundsätzlichen Faktoren, mit denen das "ideale Lächeln" bzw. die ideale rot-weiße Ästhetik einer Person erreicht werden kann, schwierig. Aber es gibt in Europa und den USA Kriterien, die im Allgemeinen als schön empfunden werden. Dazu zählen ein blassrosa gefärbtes Zahnfleisch (Gingiva), helle, weiße Zähne und ein harmonisches Verhältnis von Zahn zu Zahnfleisch, das beim Sprechen und Lächeln sichtbar wird (Abb. 1).

Auch bei der Frontzahnästhetik ist das Prinzip des Goldenen Schnitts anwendbar. Als harmonisch wird das Verhältnis der Oberkieferfrontzähne zueinander dann empfunden, wenn die im Mund des Patienten sichtbare Relation des mittleren Schneidezahns zum seitlichen Schneidezahn wie Major zu Minor 1,618:1,0 beträgt. Allerdings lässt sich das Prinzip nicht immer auf die Zähne übertragen, denn Unregelmäßigkeiten in der Zahnform und Zahnstellung müssen nicht zwangsläufig die patientenbezogene Ästhetik einschränken. Vielmehr ist es grundsätzlich zunächst wichtig zu eruieren, wie sich die Zähne im Verhältnis zum Gesicht bzw. dem Erscheinungsbild des Patienten als Ganzes harmonisch einfügen. Ein Lächeln erscheint dabei schöner, wenn man mehr Oberkiefer- als Unterkieferzähne sieht. Dennoch kann man aus ästhetischer und funktioneller Sicht nicht alle Oberkieferzähne einfach diesen Kriterien entsprechend verlängern.

Die rot-weiße Ästhetik muss einerseits als Ganzes, andererseits aber auch als ausgewogenes Zusammenspiel von Zähnen und Zahnfleisch angesehen werden. Eine getrennte Betrachtung der beiden Komponenten ist daher sinnvoll.

Weiße Ästhetik

Das Lächeln eines Menschen wird primär durch die weiße Ästhetik, d. h. durch die im Mund sichtbare klinische Krone im Oberkiefer bestimmt. Weiße Zähne gelten als Schönheitsideal und vermitteln den Eindruck von guter Zahnpflege und Zahngesundheit.

Stellung und Proportion der Zähne

Neben der persönlichen Empfindung der Patienten spielen für ein ideales Lächeln die Position der Mittellinie der Frontzähne und das objektiv messbare Verhältnis der Länge und Breite der Frontzähne eine entscheidende Rolle. Die Mittellinie des Gesichts sollte dabei der Mittellinie zwischen den beiden oberen und unteren mittleren Schneidezähnen entsprechen. Die Proportion von Länge zu Breite eines Zahns scheint immer dann ästhetisch ansprechend zu sein, wenn der Oberkieferfrontzahn ein Verhältnis von 8,0 mm Breite zu 10,0 mm Länge aufweist. Mittels spezieller Computerprogramme lassen sich notwendige Veränderungen der Zahnform und Zahnstellung zur Verbesserung des ästhetischen Erscheinungsbilds sehr gut im Vorfeld der Behandlung darstellen.

Zu kurze klinische Kronen

Die natürliche altersbedingte Abrasion, aber auch Knirschen oder Bruxismus führt zu einem Abrieb von Zahnmaterial, einer Verkürzung der klinisch sichtbaren Zahnkrone und zu Veränderungen des Verhältnisses der Zahnhöhe zur Zahnbreite. Therapeutisch können in diesem Fall die Frontzähne mit plastischem Komposit oder mit Keramikveneers wieder aufgebaut werden. Allerdings ist dann häufig eine gleichzeitige Hebung des Bisses im Seitenzahnbereich notwendig.

Zahnverfärbungen

Methoden zur Aufhellung der Zähne sind die Entfernung von Zahnbelägen durch eine professionelle Zahnreinigung und das Bleichen von Zähnen (Bleaching). Meist werden für das Bleaching Präparate auf Wasserstoff- oder Karbamidperoxidbasis verwendet. Bleaching kann sowohl in der Zahnarztpraxis (Chairside Bleaching) als auch durch den Patienten selbst im häuslichen Umfeld (Home Bleaching) erfolgen. Wichtig dabei ist die genaue Instruktion und Aufklärung der Patienten über die jeweilige Anwendung des Produkts. Häufig werden nach Bleaching mit hochkonzentrierten Präparaten Sensibilitätsreaktionen an den Zähnen beobachtet. Neuerdings scheint eine Vorbehandlung mit einer desensibilisierenden Paste diese zu vermindern.

Rote Ästhetik

Ein harmonischer, girlandenförmiger Verlauf des Zahnfleischrands (marginale Gingiva) mit Papillen, die bis zum Kontaktpunkt der beiden jeweils benachbarten Zähne reichen, ist eine Grundvoraussetzung für die Weichgewebsästhetik. Idealerweise verläuft eine imaginär gezogene Linie, die die marginale Gingiva beider Oberkiefereckzähne miteinander verbindet, parallel zur Tischebene (Abb. 2). Liegen andere Bedingungen vor, muss eine Entscheidung darüber getroffen werden, welche je nach Indikation therapeutischen oder ästhetischen Maßnahmen durchgeführt werden müssen oder können, um einen harmonischen und ästhetischen Verlauf der Gingiva zu erzielen.

Bei einer zu kurzen Oberlippe oder einer hohen Lachlinie kann beim Lächeln ein zu großer Anteil Zahnfleisch in Relation zum klinisch sichtbaren Kronenanteil des Zahns bzw. der Zähne sichtbar werden. In solchen Fällen gilt es zu entscheiden, ob und welche therapeutische Maßnahme sinnvollerweise ergriffen werden muss, um eine entsprechende ästhetische Lösung zu erzielen.

Als Option bieten sich kieferorthopädische Maßnahmen wie die Intrusion der entsprechenden Zähne an. Eine weitere Option ist die Verlagerung der Gingiva und des Knochens nach oben bzw. zur Wurzelspitze hin.

Die biologische Breite

Das Zahnfleisch, das nicht am Kieferknochen befestigt ist, besteht aus der Zahnfleischfurche (Gingivasulkus), dem Saumepithel und einem bindegewebigen Anteil, der mit dem Wurzelzement des Zahns verbunden ist. Dieser Bereich wird als biologische Breite bezeichnet. Er erstreckt sich vom Zahnfleischrand bis zum Rand des Kieferknochens im Bereich des knöchernen Zahnfachs (Alveole). Bei parodontal gesunden Menschen beträgt die biologische Breite meist ca. 3,0 mm, sie verteilt sich annähernd zu gleichen Teilen von ca. 1,0 mm auf die oben beschriebenen drei anatomischen Strukturen. Dieser physiologische Abstand sollte bei der Behandlung mit Kronen und Füllungen zwischen dem Rand der Restauration und dem Knochen unbedingt eingehalten werden, um Zahnfleischentzündungen sowie Weich- und Hartgewebsverluste zu verhindern.

Schwarze Dreiecke durch fehlende Papillen

Auch Form und Farbe der Dreiecke zwischen den Schneidekanten und im Approximalraum der Zähne beeinflussen das ästhetische Erscheinungsbild. Schwarze Dreiecke, die nach entzündlichen Zahnfleischabbauvorgängen oder nach Zahnverlust durch den Verlust der Papille auftreten, werden eher als unattraktiv empfunden. Weichgewebskorrekturen, die den Verlauf und die Position des Zahnfleischrands beeinflussen (Zahnfleisch-, Schleimhaut-, und Bindegewebstransplantate), sind ebenfalls zur Wiederherstellung der roten Ästhetik möglich.

Der Gingivabiotyp

Die Dicke des Zahnfleischs ist nicht bei allen Menschen gleich. Es gibt Menschen, die eine dünne Gingiva und somit einen sogenannten dünnen Phänotyp bzw. Biotyp haben (1,5 mm). Der dicke Biotyp ist weniger anfällig für Rezessionen (Zahnfleischrückgang) und verhält sich stabiler bei Implantatbehandlungen als der dünne Biotyp. Unterscheiden lassen sich die beiden Biotypen anhand einer Sondierung in der Zahnfleischfurche mit einer Parodontalsonde. Wenn die Sonde im Sulkus als grauer Schatten zu erkennen ist, handelt es sich um einen dünnen Biotyp. Geeignetes Mittel, die Gingiva beim dünnen Biotyp bei Bedarf zu stabilisieren und weniger anfällig für Komplikationen zu machen, ist die Verdickung des Zahnfleischs mit Bindegewebstransplantaten, die aus dem Bereich des harten Gaumens entnommen werden.

Rezessionen

Rezessionen bilden sich häufig infolge von Überbelastungen und/ oder einer falschen Putztechnik aus. Diese Faktoren führen dazu, dass sich das Zahnfleisch zurückzieht und Teile der Wurzel freigelegt werden (Abb. 3). Die Rezession entsteht nicht durch eine bakterielle Entzündung wie bei der Parodontitis und ist strikt von diesem Krankheitsbild zu trennen. Menschen mit einem dünnen Biotyp sind anfälliger für die Entstehung einer Rezession als Menschen mit einem dicken Biotyp.

Für die Deckung der Rezession kommen verschiedene Lappentechniken sowie Weichgewebstransplantate infrage. Die zusätzliche Anwendung von Schmelz-Matrix-Proteinen, plättchenreichem Plasma (PRP) oder auch aufbereiteter Schleimhaut (azelluläre dermale Matrix), die von Schweinen oder Rindern gewonnen wird, ist ebenfalls möglich.

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