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Abformungen

In der Zahnarztpraxis stellen wir täglich Abformungen und Modelle der Zähne unserer Patienten her. Die Situationsabformung, auch anatomische Abformung genannt, ist die Abformungsart, die im Praxisalltag am häufigsten umgesetzt wird.

von Anne Bastek, Sandra Bellem, Sabrina Dogan, Zahnmedizinische Fachangestellte und Dentalhygienikerinnen, Praxis für Zahnheilkunde, Mauer
03.03.2017

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© Foto: Franziska Krause / stock.adobe.com
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Bei der anatomischen Abformung werden die Zähne mit den umgebenden Schleimhäuten und Bändern im Ruhezustand wiedergegeben. Hierbei wird die derzeitige Situation "in der Mundhöhle" dargestellt. Situationsabformungen werden in der zahnärztlichen Praxis beispielsweise benötigt, um Situations-, Dokumentations-, Analyse-, Planungs-, Gegenkiefer- und Arbeitsmodelle herzustellen. Auch vor Herstellung von Provisorien, Funktionslöffeln, individuellen Löffeln und Aufbissschienen werden anatomische Abformungen der Kiefer erforderlich.

Die allgemeine Anamnese der Patienten, die - vom Gesetzgeber angeordnet - mindestens alle 2 Jahre erneuert werden sollte, ist bezogen auf die allgemeine Gesundheit, aber auch bezogen auf die zum Einsatz kommenden Abformmaterialien genauer zu beachten. Für eine allgemeine Anamnese ist es wichtig, den Gesundheitsfragebogen aktuell zu halten. Ein Abgleich sollte bestenfalls vor jeder Behandlungssitzung erfolgen. Ergänzend zur allgemeinen Anamnese müssen spezielle Fragen zur Abformung gestellt werden.

Spezielle Rückfragen vor der Abformung

  • Ansteckende Erkrankungen (Infektionserkrankungen)
  • Allergien
  • Eingeschränkte Nasenatmung
  • Lungenerkrankungen, Asthma, Atemnot
  • Würgereiz

Intraorale Mundsituation des Patienten

Vor der Anfertigung einer Situationsabformung muss eine ausführliche Inspektion der Mundhöhle durch den behandelnden Zahnarzt erfolgen. Alle unter sich gehenden Stellen in der Zahnreihe oder Stellen mit bereits vorhandener Zahnversorgung sollten zum Beispiel mit Klebewachs ausgeblockt werden. Dies betrifft häufig vorhandene Kronen und Brücken.

Material für die anatomischen Abformung

Das am häufigsten verwendete Material ist Alginat. Alginate werden aus Rot - und Braunalgen gewonnen (Meeresalgen, lat. alga = Seetang) und wird in Pulverform geliefert. Das Pulver enthält Zusätze wie Bindemittel, Füll-, Konservierungs-, Farb- , Duft- und Geschmacksstoffe. Alginate gehören zur Gruppe der irreversibel erhärtenden, aber elastischen Abformmassen. Alginatpulver sind, abhängig vom Hersteller, in verschiedenen Farben oder auch mit einer Farbumschlagfunktion, die beim Verarbeiten des Materials visualisiert wird, erhältlich. Ebenso werden diverse Duft- und Geschmacksvariationen angeboten.

Für den Patienten, das Praxisteam und das Dentallabor stehen zusätzliche Anforderungen im Fokus, so etwa eine gute, einfache und schnelle Materialverarbeitung, eine repräsentative Abformgenauigkeit, eine schnelle Abbindezeit, eine ausreichende mechanische Festigkeit, eine visuelle Anmischkontrolle (z. B. durch unterschiedliche Farben), eine gute körperliche Verträglichkeit, eine Kompatibilität mit anderen zum Einsatz kommenden dentalen Werkstoffen (z. B. mit Gips im Labor), ein gutes Fließverhalten, ein guter Geschmack, ein guter Preis, gute Desinfektionsmöglichkeiten und eine gute Lagerung.

Praktisches Vorgehen bei einer Situationsabformung

Eine Situationsabformung ist eine dimensionsgetreue Darstellung der Zähne und der angrenzenden Strukturen der Mundhöhle. Nach der Arbeitsplatzvorbereitung sind einige Abfolgen zu beachten, um eine einwandfreie anatomische Abformung zu erreichen.

Das Behältnis mit der Trockenmasse (Alginat) ist vorab zu schütteln, damit sich alle Inhaltsstoffe, z. B. die Pulverbestandteile, Härter und Füllstoffe, gut miteinander verbinden. Der Originaldosierlöffel muss stets mit dem Originalwassergefäß verwendet werden, um das richtige Mischverhältnis zu schaffen. Empfohlen wird destilliertes Wasser, am besten mit Raumtemperatur.

Der Abdrucklöffel (Rim-Lock-Löffel) sollte mit lichthärtendem Kunststoff und Knetsilikon angepasst bzw. individualisiert werden. Durch das Abstoppen des Abformlöffels wird ein Durchdrücken der Inzisal- und Okklusalflächen vermieden. Dies gewährleistet ein perfektes Abformen.

Auch für den Patienten ist die Behandlung dadurch angenehmer, da weniger Abdruckmaterial benötigt wird und das Material nicht so weit in den Gaumenbereich fließen kann.

Anmischspatel und Rührbehälter sollten vor der Verwendung weder verschmutzt noch durch vorherigen Gebrauch mit Wassertröpfchen behaftet sein. Im Zuge der Arbeitsplatzorganisation und Vorbereitung ist es ratsam, alle Materialien vor dem Einsatz genauestens auf Sauberkeit zu prüfen.

Auch in der Mundhöhle des Patienten sind einige Vorkehrungen zu treffen. Das bedeutet, nach der Inspektion müssen alle unter sich gehenden Stellen, so etwa Multiband, Retainer, Schienung und Brücken, mit einem Klebewachs oder vergleichbaren Material ausgeblockt werden. Die zusätzlichen Retentionsstellen sind minimiert und eine Beschädigung oder gar eine Eliminierung beim Entfernen der Abformung kann verhindert werden. Beim Anmischen sollte eine glatte, blasenfreie und homogene Masse entstehen. Das gelingt sowohl bei einem manuellen Mischverfahren als auch beim Anmischen mit einer Maschine.

Fünf Fragen ans Labor

Bei allen Abformungen in der Zahnarztpraxis ist die Zusammenarbeit mit dem Labor für den Erfolg entscheidend. WIR in der Zahnarztpraxis hat bei Zahntechnikermeister Christoph Steinmetz nachgefragt, was zu beachten ist.

WIR in der Zahnarztpraxis: Worin sehen Sie die Vorteile einer engen Zusammenarbeit zwischen Zahnarztpraxis und Dentallabor?

Steinmetz: Im regelmäßigen, zeitnahen Austausch über Fragen der prothetischen Planung und Umsetzung. Der Zahntechniker hat Patientenkontakt, kann den prothetischen Bedarf live sehen, die Bedürfnisse des Patienten kennenlernen und am Ende auch das Ergebnis seiner Bemühungen erfahren. Der Zahnarzt hat die Modelle in der Hand, er erfährt von den Problemen bzw. Fragestellungen des Technikers vor und während der Herstellung des Zahnersatzes. Zahnarzt, Zahntechniker und Patient erarbeiten im Team die optimale Lösung.

WidP: Welche hygienischen Schritte müssen bei der Weiterverarbeitung von Abformungen beachtet werden? Muss vom Praxisteam überhaupt etwas beachtet werden, und wenn ja, was genau?

Steinmetz: Die Desinfektion einer Abformung obliegt zwingend dem Praxisteam!

  • Abspülen von Blut und Speichel
  • Desinfektion
  • Bei ansteckenden Krankheiten ist eine deutliche Kennzeichnung wichtig.

WidP: Wie sieht die optimale Abformung aus?

Steinmetz:

  • Das Abformmaterial ist nach Anleitung dosiert und homogen angemischt.
  • Keine durchgebissenen Stellen an Kauflächen bzw. Inzisalkanten

Alle wichtigen Bereiche sind vollständig und blasenfrei abgeformt:

  • Vestibulum
  • Lingual- und Palatinalregion
  • Interdentalräume
  • Kauflächen
  • Bereiche dorsal der Zähne

WidP: Was ist von Laborseite zu beachten?

Steinmetz: Wir sind für die sachgemäße Weiterverarbeitung der Abformung verantwortlich:

  • Abspülen des Desinfektionsmittels
  • Vorbehandlung (Oberflächenentspannung, Neutralisation der Alginsäure)
  • Gips gemäß Verarbeitungsanleitung mischen und unter Vakuum anrühren
  • Abformung langsam und blasenfrei ausgießen
  • Zeitgerecht entformen (Alginat/Hydrokolloid spätestens nach 1 h, Silikon/Polyether nie früher)

WidP: Was wird oft missachtet oder vergessen?

Steinmetz:

Vom Praxisteam:

  • Das Vorstreichen von Alginat auf Kauflächen und Interdentalräume
  • Das Abhalten der Lippe
  • Das sorgfältige Abspülen von Blut und Speichel vor der Desinfektion

Das Laborteam muss zum richtigen Zeitpunkt entformen:

  • Wird Alginat/Hydrokolloid zu spät entformt, reagiert es mit dem Gips. Die Oberfläche wird mehlig.
  • Wird Silikon/Polyether zu früh entformt, können Zähne abbrechen.

Checkliste Arbeitsplatzvorbereitung

Vorab: Chlorhexidinlösung 0,2 % zum Spülen der Mundhöhle für 60 s

  • Dentalwachs, Klebewachs zum Ausblocken
  • Alginatpulver in verschlossener Lagerungs- und Transportbox
  • Zum Hersteller passender Messbecher und Portionierlöffel
  • Anmischbecher und Anmischspatel
  • Rim-Lock-Löffel in passender Größe
  • Löffelkunststoff (lichthärtend) zum Abstoppen und Individualisieren des Abformlöffels
  • Silikon (Basis und Katalysator, z. B. Xantopren®)
  • Laborzettel
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