Disgusting Food Museum

Das Disgusting Food Museum zeigt die ekeligsten Speisen der Welt – und lässt die Besucher auch probieren. Dabei hat das Museum einen Bildungsauftrag, erklärt der Kurator.

von Von Till Simon Nagel
08.12.2018

Eine fritierte Tarantel im schwedischen Disgusting Food Museum: Die Besucher sollen erleben, dass Ekel oft kulturell anerzogen wird – und deshalb Speisen aus einem Kulturkreis für andere Menschen ungenießbar wirken.
© Foto: haitaucher39 / stock.adobe.com
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Ja, da schwimmen wirklich kleine tote Mäuse auf dem Grund der großen Weinflasche. Ein absurder Anblick für europäische Augen. Viel schlimmer aber noch als die Spezialität aus Chinas Süden ist der Geruch des nächsten Exponats in Malmös jüngstem Museum. Der isländische Gammelhai Hákarl (sprich: „Haukarrk“) stinkt wirklich erbärmlich, jedes Haar im Nacken stellt sich auf, der Atem stockt. Schon auf Distanz meldet der Magen dezent Abscheu.

Hier im ehemaligen Schlachthof der Hafenstadt im Westen Schwedens, direkt gegenüber der dänischen Hauptstadt Kopenhagen, zeigen Samuel West und Andreas Ahrens 80 Speisen aus aller Welt. Eklige Speisen – je nachdem, wen man fragt.

Das Disgusting Food Museum in Malmö hat noch bis Ende Januar geöffnet und will dann umziehen. Interesse kommt aus Japan, China, Kanada und Süddeutschland.

Nicht umsonst heißt das Museum Disgusting Food Museum. Die Auswahl reicht vom Frosch-Smoothie aus Peru, über Maden-Käse aus Sardinien, besagtem Hákarl oder Hasenköpfen, bis hin zu Bullenpenis oder im Ei gegarten Entenküken.

Anfassen, riechen –  oder testen!

Die meisten der 80 Exponate sind echt, werden regelmäßig frisch ausgestellt, man kann sie anfassen, riechen – besonders wagemutige Besucher können auch selbst testen, wie weit sich ihre Ekelgrenzen verschieben lassen.

So wie drei junge Chinesen, die aus dem benachbarten Göteborg angereist sind, um Surströmming zu riechen, eine schwedische Spezialität, aber auch ein übelriechender eingelegter Hering. „Wir kennen das bisher nur aus Youtube-Videos und wollten sehen, ob wir den Geruch aushalten können“, erklären sie. Der Test am Geruchsglas zeigt: Sie können.

Die Schau der kulinarischen Grausamkeiten ist auf den zweiten Blick viel mehr als eine geruchliche Herausforderung. „Es wäre eine ziemlich einseitige Freak Show, würden wir hier nur ekliges Essen zeigen“, sagt Kurator Samuel West.

Zu jedem Essen erfährt man auch etwas zu seiner Geschichte und seiner Herstellung. Etwa zum Schlangenschnaps Habushu aus Japan, für den die Schlange gekühlt, ausgenommen und zugenäht wird. Taut sie später im Wein auf, stirbt sie schnell in angriffslustiger Pose.

Was essen wir eigentlich?

Es ist also nicht nur eine reine Speisen-Schau, sondern auch eine Ausstellung menschlicher Grausamkeit. Darüber sollen Besucher nachdenken, sagt Samuel West, während er zwischen den Exponaten herumspringt und zum Anfassen, Riechen und Probieren animiert. Was essen wir eigentlich? Wo kommt es her? Und welche Auswirkungen haben unsere Essgewohnheiten auf die Umwelt?

Klar ist, sagen West und Kompagnon Andreas Ahrens, die Menschheit muss ihre Fleischproduktion verringern. Und eine nachhaltigere Proteinquelle liefern sie gleich mit. Larven, Heuschrecken und Maden seien ebenso gut essbar, aber ihre Produktion nicht so schädlich für die Umwelt.

Beim Gang durch die Ausstellung wird nicht nur die Nase durch zahlreiche Geruchsproben gefordert, etwa am Altar des stinkenden Käses. Auch die Emotion des Ekels an sich wird erforscht und erklärt. Den Machern geht es um die Auseinandersetzung mit den eigenen Grenzen.

Vermitteln, dass Ekel subjektiv ist

Besucher sollen sehen, dass Ekel in jedem Land anders ist. „Ekel ist eine kulturelle Sache“, sagt Samuel West. Man mag das Essen, mit dem man groß wird. Was des einen Delikatesse ist, mag beim anderen allerdings zu heftigen Würgereaktionen führen.

Beispiel Root Beer: Als halber US-Amerikaner liebt West das süße Gebräu. Seine schwedischen Freunde können es nicht leiden. Salziges Lakritz, für viele Skandinavier ein Leckerbissen, finden dagegen viele andere Menschen gar nicht lecker. Es muss auch nicht immer ein in Tomatensoße schwimmendes Schafsauge sein.

West hofft, dass wenn sich Menschen mit der Ambivalenz von Ekel auseinandersetzen, sie eines Tages vielleicht auch bereit sind, Insekten als Nahrung zu akzeptieren. „Ich erwarte keine Wunder“, sagt er. „Aber ich hoffe, das Museum setzt einige Diskussionen in Gang.“

Am Probiertisch warten derweil Schweinehirn, Insektenlarven, stinkende Durianfrucht, Gammelhai oder Tausendjährige Eier aus China. Das Interesse ist groß, für besonders wagemutige Besucher gibt es teils Szenenapplaus – auch wenn mancher Bissen dezent in der Spucktüte landet. Der übelriechende Gammelhai jedenfalls schmeckt dem Vernehmen nach viel besser, als er riecht.

Quelle: www.aerztezeitung.de, dpa

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