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Auf den Punkt: Infektionen im Mundraum

Sie werden täglich mit Infektionen im Mundraum konfrontiert. Wichtig ist, sie frühzeitig zu erkennen, sofort adäquat zu behandeln sowie v. a. den Patienten mitzunehmen. Das Wichtigste "Auf den Punkt" gebracht.

von Britt Salewski, freie Journalistin, Köln
05.08.2021

Zunge mit Bakterien
© Foto: freshidea / stock.adobe.com
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Bakterien

Eine der Ursachen für einen Zahnarztbesuch sind Infektionen im Mundraum. Dort tummeln sich bei gesunden Menschen bis zu 500 verschiedene Bakterienarten. Sie vermehren sich schnell und massenhaft. So findet man in 1 mg Plaque allein ca. 250 Mio. Bakterien. Insgesamt finden sich in der Mundhöhle mehrere Milliarden Mikroorganismen. Bei z. B. mangelhafter Mundhygiene ist das natürliche Gleichgewicht der Mundflora gestört, bedeutet das meist den Beginn einer Gingivitis. Wenn außerdem bestimmte Bakterien nicht entfernt werden, produzieren sie bei weiterer Nahrungszufuhr Säuren, die wiederum den Zähnen Mineralien entziehen - eine erste Vorstufe einer Karies. Schreitet die Demineralisierung weiter voran, bricht die Schmelzoberfläche ein - es entsteht das bekannte "Loch" im Zahn, was letztlich zur vollständigen Zerstörung des Zahns führen kann.

Entzündung

Die Bakterien bilden darüber hinaus Giftstoffe, auf die die Mundschleimhaut mit einer Entzündung reagiert (Gingivitis). Bei der Untersuchung wird dies erkennbar durch Rötung des Zahnfleischsaums und eine leichte Schwellung. Wird in diesem Stadium nicht interveniert, siedeln sich sog. Brückenkeime an, die den aggressiven Parodontitiserregern den Weg bereiten. Sind diese erst einmal in großer Zahl vorhanden, kommt es zu Sondierungsblutungen und tiefen Zahnfleischtaschen. Bei ersteren ist abzuklären, ob es sich nicht um eine Gingivitis handelt. Bei einer Parodontitis haben sich die Bakterien im Zahnhalteapparat festgesetzt und lösen dort eine immunentzündliche Reaktion aus. Diese wiederum führt zu einem Abbau von Bindegewebe und Alveolarknochen. Bei der Untersuchung fallen neben den tiefen Zahnfleischtaschen auch Lockerungen von Zähnen auf. Dieser entzündliche Prozess im Zahnhalteapparat kann sowohl lokal begrenzt als auch im gesamten Kiefer auftreten. Er muss nicht zwingend mit Schmerzen verbunden sein - die Folgen können aber dramatisch sein: Verlust von Zähnen und eine signifikante Erhöhung des Risikos weiterer Erkrankungen des Organismus.

Zusätzliche Risikofaktoren

Gemeinsam mit der Parodontitis gehört die Gingivitis zu den häufigsten Krankheiten der Menschheit und hat aufgrund der zunehmenden Weltbevölkerung bei erhöhtem Zahnerhalt bis ins hohe Alter enorme ökonomische Auswirkungen auf die Gesundheitssysteme. Während gesundheitlich nichtvorbelastete Patienten eine selbstständige Immunreaktion auf eine Parodontitis zeigen, gelingt dieser Prozess bei Risikopatienten nicht. Neben genetischen Faktoren spielen hier Rauchen und Ernährung sowie ein bereits bestehender Diabetes mellitus eine besondere Rolle. Darüber hinaus gibt es Anzeichen, dass Männer eine höhere Parodontitisanfälligkeit aufweisen als Frauen; ältere Patienten erkranken häufiger. Patienten mit einem oder mehreren Risikoparametern müssen besonders umfassend über eine adäquate Mundhygiene und Prophylaxe aufgeklärt werden sowie in ein entsprechendes Recall-Programm für die PZR oder auch unterstützende Parodonititistherapie aufgenommen werden.

Parodontalerkrankungen in der Bevölkerung

Bei jüngeren Erwachsenen (35- bis 44-Jährige) ist die Zahl der Zähne mit Karieserfahrung um 30 % zurückgegangen; schwere Parodontalerkrankungen haben sich in dieser Personengruppe seit 2005 halbiert. Dennoch ist jeder zweite jüngere Erwachsene (52 %) von einer parodontalen Erkrankung betroffen, davon weisen 43 % eine moderate und rund jeder Zehnte  eine schwere Parodontitis auf. Die Untersuchungen der fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) legen nahe, dass die Erkrankung in der Bevölkerung weiter verbreitet ist als bislang angenommen. Parodontalerkrankungen sind altersassoziiert. Moderate und schwere Parodontitiden finden sich heute bei etwa der Hälfte der jüngeren Erwachsenen, bei jüngeren Senioren (65- bis 74-Jährige) sind 65 % betroffen. Im Jahr 2030 werden Senioren den Großteil der Bevölkerung ausmachen. Trotz abnehmender Prävalenzen ist daher derzeit mit einer Zunahme des parodontalen Behandlungsbedarfs zu rechnen.

Präventive Konzepte

Zur Vorbeugung von Infektionen im Mundraum haben sich verschiedene Konzepte bewährt. Es beginnt immer mit dem mechanischen Biofilmmanagement; das ist die Basis einer jeden Prophylaxe: Zu Hause übernimmt das der Patient, und es sollte ihm verdeutlicht werden, dass er nur erfolgreich sein kann, wenn er tatsächlich zweimal am Tag mindestens zwei Minuten lang seine Zähne reinigt. Hintergrund dieser Empfehlung ist zum einen, dass durch einmaliges Putzen am Tag Zähne, Zahnfleisch und Zunge nur selten gründlich genug gereinigt werden. Zum anderen sorgt das Zähneputzen mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta für einen Schutzfilm auf den Zähnen, der es den Bakterien erschwert, sich an Zähnen und in Zahnzwischenräumen festzusetzen. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, welche Bürste oder welche (fluoridhaltige) Zahncreme der Patient verwendet, denn die besten Bürsten und Pasten sind immer noch jene, die der Patient auch tatsächlich benutzt.

Dieser Beitrag erschien zuerst in WIR 5/18. Den vollständigen Artikel inkl. Literatur können Sie unter wir-in-der-praxis.de/fobi/infektionen_2018 herunterladen.

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