Dentale Aerosole

Das aktuelle Infektionsgeschehen durch das Coronavirus, das v. a. über die Luftwege in den menschlichen Körper eindringt, lenkt die Aufmerksamkeit auf Aerosole, die bei der zahnärztlichen Behandlung entstehen. Das ganze Praxisteam muss sich über das damit verbundene Gefährdungspotenzial im Klaren sein, um geeignete Schutzmaßnahmen treffen zu können.

von Dr. Richard Hilger, Kürten
07.04.2021

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Das Coronavirus hat auch eine große Diskussion über Aerosole, die bei der zahnärztlichen Behandlung entstehen, ausgelöst. Beim ungezielten Umgang (nur dieser ist in der Zahnheilkunde zu erwarten) mit luftgetragenen Infektionserregern besteht für die Arbeitspersonen ein erhebliches Risiko. Krankheitserreger können als freie Erreger oder durch Tröpfcheninfektion (humane Bioaerosole) in den Atemtrakt gelangen. Die Größe der eingeatmeten Tröpfchen beträgt dabei weniger als 5 µm. Ein Aerosol besteht aus Luft, die feste oder flüssige Schwebstoffe enthält (Luft-Tröpfchen-Gemische, feine Partikelverteilungen in der Luft). In Tröpfchen können, umgeben von einer Wasserhülle, infektiöse virale, bakterielle und pilzliche Partikel enthalten sein [1]. Solange das infektiöse Partikel von der Wasserhülle umgeben ist, sinkt es schnell aus der Luft zu Boden. Da jedoch die Wasserhülle in kurzer Zeit verdampfen kann, entsteht aus dem Tröpfchen ein Tröpfchenkern ohne Wasserhülle. Dieser Tröpfchenkern bleibt längere Zeit in der Luft und kann andere Objekte kontaminieren.

Infektionsgefährdung in der Zahnarztpraxis

Bei trockenen Zahnpräparationen werden aus dem Patientenmund natürliche Zahnbestandteile in Staubform herausgeschleudert. Eine Schädigung des Patienten, der Zahnärztin, des Zahnarztes und der Assistenz durch Einatmen dieses Staubs ist nicht zu erwarten, obwohl ein Teil der Staubpartikel wegen der geringen Größe bis in die unteren Lungenabschnitte gelangen kann [2, 3]. Auch die Infektionsgefährdung durch Dentinteilchen, die mit pathogenen Keimen beladen sind, wird als sehr gering angesehen [2, 3].

Die Situation ändert sich, wenn Zahnhartsubstanz mit der Spraykühlung höchsttourig präpariert wird, da hierbei eine Aerosolwolke entsteht. Durch Turbinenabluft, Kühlwasserspray und die Rotation des Schleifkörpers bildet sich ein wässrig-öliges Aerosol, das aus dem Patientenmund herausgeschleudert wird. Um das Aerosol zu entfernen und gute Übersicht zu behalten, soll die Absauganlage pro Minute etwa 300-350 l Luft ansaugen. Eine höhere Literleistung ist nicht zweckmäßig, da dann das kühlende Spray vom Zahn abgelenkt werden könnte. Werden Zahnbeläge mit Ultraschall oder Pulverstrahl entfernt, entwickelt sich ebenfalls ein Aerosol. Das Anwenden von hochfrequent oszillierenden Scaler-Systemen führt zur Aerosolbildung durch Vernebeln von Spülflüssigkeit, Speichel, Plaque und Blutbestandteilen [4, 5, 6].

Absaug- und Haltetechnik

Der Keimgehalt des aus dem Patientenmund austretenden Aerosols kann durch exaktes Absaugen wirksamer vermindert werden als durch alleinige antiseptische Mundspülungen vor der Behandlung [7]. Je systematischer und exakter die Absaugtechnik durchgeführt wird, umso geringer wird die Aerosolwolke sein. Es genügt nicht, mit der Kanüle im Mund "herumzustochern". Je exakter die Absaugtechnik durchgeführt wird, umso be+sser wird die Aerosolwolke abgesaugt. Durch Absaugen kann die Aerosolwolke aber nicht völlig beseitigt werden. Es ist ein Augen- oder Gesichtsschutz zu tragen. Um ein Beschlagen der Brillengläser zu verringern, wird die Maske mit dem eingearbeiteten Metallstreifen sorgfältig an die Nase und an die Haut unterhalb der Augen angedrückt. Je dichter die Maske am Gesicht anliegt, umso besser ist die Schutzwirkung gegen das auch von unten heranflutende Aerosol [8].

Schutzmasken

Bei den Schutzmasken [1, 9] werden Mund-Nasen-Schutz und Atemschutzmasken unterschieden:

Der Mund-Nasen-Schutz (MNS; OP-Maske, chirurgische Maske) dient in erster Linie dem Schutz des Patienten vor infektiösen Partikeln aus dem Mund-Nasen-Bereich des Behandelnden. Wird zwischen den Behandlungen die Maske unter das Kinn heruntergezogen, kann sich die Außenfläche der Maske umstülpen und die Gesichtshaut kontaminieren. Beim Wiederhochziehen der Maske mit den schon desinfizierten (behandschuhten) Fingern würden diese wieder kontaminiert werden. Auch aus psychologischen Gründen den Patienten gegenüber sollte man vermeiden, den Rezeptions- und Wartebereich mit heruntergezogener Maske ("Nikolausbart") zu betreten.

Die Atemschutzmaske (filtrierendes Atemschutzgerät) dient dem Schutz der Arbeitsperson und hat die Aufgabe, kleinste Teilchen (Partikel) von der Einatemluft abzuscheiden [1, 10]. Bei den partikelfiltrierenden Halbmasken ("filtering face piece", FFP; filterndes Gesichtsteil) werden folgende drei Klassen unterschieden:

- FFP1: maximaler Filterdurchlass 22 % (grobe Filterung)

- FFP2: maximaler Filterdurchlass 8 % (mittlere Filterung)

- FFP3: maximaler Filterdurchlass 2 %, (feinste Filterung)

Die Maske kann oft nicht exakt an die Unregelmäßigkeiten des Gesichts der Arbeitsperson angepasst werden; der Luftstrom wird durch das dichte Maskenmaterial behindert, deshalb um die Maske herumgeleitet und dringt am Maskenrand ein [11]. Masken mit formbaren Metallstreifen im Nasenbereich vermindern dieses Risiko.

Visier oder Gesichtsschutzschild

Ein Visier oder Gesichtsschutzschild ist problematisch bei zahnärztlichen Behandlungen, die ein Aerosol erzeugen: Die Hand, die die Turbine oder den Mikromotor führt, und der Unterarm sind wie Leitschienen für das Aerosol [12]. Das Aerosol wird von unten her emporgeschleudert und zwischen dem unten abstehenden Schutzschild und dem Gesicht zu Mund und Nase geleitet. Ein solches Schutzschild ist nur akzeptabel, wenn darunter Mund und Nase durch einen korrekt anliegenden Mund-Nasen-Schutz bzw. eine Atemschutzmaske geschützt sind. Dieser Doppelschutz von Maske und Schild wird nicht selten beim maschinellen Entfernen von Zahnbelägen genutzt, um die oft massiven Verschmutzungen auf dem Schild zu fixieren und nicht auf die Maske gelangen zu lassen.

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