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Fluorid - im Detail überraschend

Fluorid wird so einmütig als Wirkstoff für die Kariesprophylaxe empfohlen, dass man es kaum noch zu erwähnen braucht. Die wesentlichen Punkte für die Beratung und Prophylaxe finden sich hier zusammengestellt.

von Dr. Christian Ehrensberger, Frankfurt am Main
07.04.2022

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© Foto: wowwa / Getty Images / iStock
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Wie es wirkt

Fluorid erhöht die Widerstandsfähigkeit des Zahnschmelzes gegen Säuren aus der Nahrung und aus dem Zahnbelag (Stoffwechselprodukte von Bakterien). Damit vermindert sich das Risiko, dass diese Säuren Mineralien herauslösen und so den Zahn schädigen. Fluorid wirkt auf mehrfache Art: Es hilft, nach einer Demineralisierung bei der Remineralisierung des Zahnschmelzes mit Kalziumphosphat. Dieses stammt aus dem Speichel und wird mithilfe von Fluorid schneller in den Schmelz integriert. Das höhere Tempo lässt den Bakterien weniger Zeit, ihr schädigendes Potenzial zu entfalten. Zweitens baut der Zahnschmelz Fluoride ein und bildet damit ein Reservoir. Die Unterstützung der Remineralisierung ist beim nächsten "Angriff" sofort da! Drittens bildet Fluorid zusammen mit Kalziumionen eine schützende Kalziumfluoridschicht um den Zahn. Viertens schließlich können Fluoride sogar in den Stoffwechsel zahnschädigender Bakterien eingreifen und deren zerstörerisches Werk vereiteln oder zumindest abmildern.

Pasten und Gelees

Dass Fluorid den Zahnschmelz säureresistenter macht, weiß man seit 1850. Damit waren die Grundlagen für die Strategie der Kariesvermeidung durch Fluoridzufuhr gelegt, doch erst 1955 kam die erste Fluoridzahnpasta auf den Markt. Seither hat sich das Konzept durchgesetzt. So gibt es neben den vielen Zahnpasten seit den 1960er- und 1970er-Jahren auch einige fluoridhaltige Gelees. Sie sind höher dosiert und werden einmal pro Woche angewendet. Da das Fluorid länger auf den Zahnflächen verbleibt, darf man von einer intensiveren Wanderung in den Zahnschmelz ausgehen. So eignen sich Fluoridzahngele zur Kariesprävention und zur Behandlung von Initialkaries und empfindlichen Zahnhälsen. Normalerweise werden die Gelées wie Zahnpasta eingebürstet oder aber mit einem individuellen Medikamententräger appliziert. Vorteil: Der Wirkstoff verbleibt am Wirkort.

Mehrnutzen durch Mundspülungen

Mundspüllösungen können das Zähneputzen ergänzen und führen Fluorid zu. Dieses gelangt auch an Stellen, die mit der Zahnbürste nicht gut erreicht werden. Dort trägt das Fluorid zur Remineralisierung des Zahnschmelzes bei. Es konnten auch antibakterielle Effekte nachgewiesen werden. Dies trifft v. a. auf Aminfluorid zu, auch in der Kombination mit Zinnfluorid. Zu den Indikationen für fluoridhaltige Mundspüllösungen zählen u. a. eine kieferorthopädische Bebänderung, eine eingeschränkte Mundhygiene und der Wunsch nach Verbesserung der Mundhygiene. Als motivierend können sich dabei Mundspüllösungen mit einem Zusatznutzen über rein zahnmedizinische Aspekte hinaus erweisen, etwa mit einem Aufweckeffekt (Fluoridmundspülung mit Koffein) oder schlaffördernden Eigenschaften (Fluoridmundspülung mit Baldrian in Kombination mit Lavendel, Melisse, Passionsblume und Süßholz) - das alles auch in der Morgens-abends-Kombination.

Lokal im Lack

Fluorid wirkt v. a. lokal. Darum erscheint es sinnvoll, dass es länger auf den Zähnen verweilt. Damit gibt man dem Fluorid die Möglichkeit, über eine größere Zeitspanne in den Zahnschmelz einzuwandern. So sollte sich auch die Schutzwirkung besonders gut entfalten können. Zu diesem Zweck kann z. B. Fluorid als Lack auf den Zahn aufgebracht werden. Sinnvoll ist dies in speziell kariesgefährdeten Arealen oder bei Patienten mit hohem Kariesrisiko. Um solche Lacke anzuwenden, müssen die Zähne in der Regel zuvor trocken gepustet werden. Es gibt aber auch Produkte, die sich auf feuchte Zahnflächen applizieren lassen und dabei gut sichtbar bleiben. Sie binden beim Kontakt mit Speichel ab und werden dann transparent. Der Patient ist nach Beendigung der Sitzung auf die nötige Nahrungskarenz hinzuweisen. Je nach Empfehlung des Fluoridlackherstellers sollte der Patient bis zu zwei Stunden mit der Nahrungsaufnahme warten.

Einigung auf Empfehlung

Fluoridhaltige Kinderzahnpasten mit 1000 ppm sollten vom ersten Zahn an genutzt werden, bis dahin sollte täglich eine Fluoridtablette gegeben werden. Das ist seit der Einigung von Zahnärzte- und Kinderärzteverbänden 2021 die offizielle Empfehlung. Im Einzelnen soll demnach ab dem Durchbruch des ersten Zahnes bis zum Alter von 12 Monaten zweimal täglich mit fluoridhaltiger Zahnpasta in Reiskorngröße geputzt werden; oder es wird mit Zahnpasta ohne Fluorid geputzt und einmal täglich eine Tablette mit Fluorid und Vitamin D verabreicht. Im Alter von 12 bis unter 24 Monaten sollen die Zähne dann zweimal täglich mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta in Reiskorngröße geputzt werden. Bei zwei- bis sechsjährigen Kindern steigert sich die Menge von Reiskorn- auf Erbsengröße. Es ist darauf zu achten, dass die Eltern und die Betreuungspersonen alle Dosierungen korrekt vornehmen.

Andere Herangehensweise: Hydroxyapatit

Rund 97 % des menschlichen Zahnschmelzes bestehen aus Kalziumphosphaten in Form von Hydroxyapatit. Sollte dieser Wirkstoff nicht auch in der Prophylaxe helfen? „Dafür haben wir wissenschaftliche Belege“, erläutert Forschungsleiter Tsutomu Ishizaki (SANGI, Tokyo). „Zwischen 17 und 56 Prozent weniger Neukaries traten bei Anwendern einer Zahncreme mit unserem original Hydroxyapatit-Wirkstoff im Vergleich zur Kontrollgruppe auf.“ Als Maß diente bei den entsprechenden Feldstudien der DMFT-Index. Zusammen mit weiteren Studien führte das schließlich zur offiziellen Anerkennung des original Hydroxyapatit-Wirkstoffs (<mHAP>, SANGI) als Anti-Karies-Mittel durch die japanischen Gesundheitsbehörden im Jahre 1993. Es wurde klinisch nachgewiesen, dass das Hydroxyapatit den Zahnschmelz remineralisiert, vor Karies und Dentin-Überempfindlichkeit schützt und die Zahnaufhellung durch Wiederherstellung der Mineraldichte des Zahnschmelzes sichtbar unterstützt.

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