wir-point

Gibt es ein Hygienegesetz?

von Ruth Auschra, Neuruppin
18.11.2022

Ausgabe 06/2022 wipra220612.jpg
© Foto: Robert Kneschke / stock.adobe.com
Anzeige

Wichtige Grundlagen

Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) hat übertragbare Krankheiten im Fokus. Es enthält Regelungen zur Vorbeugung, zur frühzeitigen Erkennung und zur Verhinderung der Weiterverbreitung, beispielsweise auch die Impfpflicht seit 15. März 2022 für Praxisangestellte. Jedes Kind weiß, dass Gesetze befolgt werden müssen. Aber Empfehlungen oder Richtlinien? Wenn der Eismann sein neues Erdbeersorbet empfiehlt, ist das rechtlich gesehen nur ein Tipp. Anders, wenn das Robert Koch-Institut (RKI), die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) oder das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Richtlinien oder Empfehlungen herausgeben: Diese sind rechtlich durchaus relevant. So haben etwa RKI und BfArM im Jahr 2012 eine Empfehlung mit dem Titel "Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten" herausgegeben. Diese Empfehlung gilt - auch vor Gericht - als Maßstab für die hygienisch einwandfreie Aufbereitung von Medizinprodukten. Leider können sich die gesetzlichen Grundlagen auch ändern. So verschwand die KRINKO-Empfehlung "Infektionsprävention in der Zahnheilkunde - Anforderungen an die Hygiene" von 2006 im Archiv. Schlecht, wenn so etwas unbemerkt bleibt.

Erfolgreich durch den Dschungel

Eine Hygienebeauftragte könnte sich vermutlich den ganzen Tag damit beschäftigen, neue Richtlinien und Gesetzestexte durchzulesen. Zum Glück geht es auch einfacher. Der Deutsche Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnmedizin (DAHZ) gibt jedes Jahr einen aktualisierten Hygieneleitfaden heraus, der wesentliche Änderungen enthält. DAHZ und Bundeszahnärztekammer (BZÄK) geben gemeinsam einen Rahmenhygieneplan heraus, der an die tatsächlichen Praxisgegebenheiten angepasst werden muss. Die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und das RKI bieten ebenfalls Informationen zu wichtigen Neuigkeiten an. Wenn eine Praxis mit dem Aktualisieren der Vorschriften überfordert ist, bietet sich auch die Kooperation mit externen Hygieneberaterinnen und -beratern an. Last not least gibt es auf Facebook Gruppen, die sich zum Hygienemanagement in Zahnarztpraxen austauschen.

Noch mehr Hygienegesetze

Die Hygieneverordnungen bestimmen auf Länderebene, welche Vorschriften Praxen oder Kliniken erfüllen müssen. Hier sind etwa die Anforderungen an Gebäude, Personal oder Hygienepläne definiert. Verschiedene Teilbereiche haben wiederum eigene Gesetze, die man nicht außer Acht lassen darf, so etwa die Trinkwasserverordnung mit ihren Folgen für die Hygienemaßnahmen rund um das Wasser in zahnärztlichen Behandlungseinheiten. Hier ist auch vorgeschrieben, dass man das Gesundheitsamt über den Einbau einer Desinfektionsanlage in die Trinkwasserinstallation informieren muss. Weitere Gesetze beschäftigen sich mit anderen Gegenständen, haben aber auch Auswirkungen auf die Hygiene in der Zahnarztpraxis. Beispielsweise regelt das Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz - KrWG) in § 50 die Nachweispflichten bei der ordnungsgemäßen Entsorgung gefährlicher Abfälle wie Amalgam. Auch das Mutterschutz- und das Jugendschutzgesetz sind im Hygienemanagement zu berücksichtigen: Jugendliche sowie werdende und stillende Mütter dürfen mit infektionsgefährdenden Maßnahmen nicht beschäftigt werden.

Vorschriften rund um Medizinprodukte

Auch europäische Gesetze haben in Deutschland Gültigkeit. So definiert die Europäische Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation MDR), was überhaupt ein Medizinprodukt ist und wer es anwenden darf. Die MDR kann auch relevant sein für Zahnarztpraxen mit eigenem zahntechnischem Labor und der Herstellung von Sonderanfertigungen. Rund um die Aufbereitung von Medizinprodukten sind verschiedene Vorschriften zu beachten, etwa das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz sowie das Medizinproduktegesetz. Dazu gehören noch diverse Verordnungen wie die Medizinprodukte-Anwendermelde- und Informationsverordnung. Hinzu kommen Bekanntmachungen und die gemeinsame Empfehlung von RKI und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) "Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten" aus dem Jahr 2012. In der Praxis spielen die Vorschriften vor allem für die Aufbereitung von Medizinprodukten sowie die Ansprüche an die Dokumentation eine große Rolle.

Mikroorganismen und Chemie

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) legt fest, wie Arbeitgeber ihre Angestellten vor Gesundheitsgefährdungen schützen müssen. Es ist die Grundlage für die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen, kurz Biostoffverordnung (BioStoffV). Es geht also um den Schutz vor Mikroorganismen. Folge dieser Verordnung ist beispielsweise das Arbeiten nach Hygieneplan und mit internen Arbeitsanweisungen für die verschiedensten Tätigkeiten. Rechtliche Grundlage ist das Chemikaliengesetz (ChemG), das Mensch und Umwelt vor gefährlichen Stoffen schützen soll. Es beruht zu weiten Teilen auf EU-Recht. Gefahrstoffe sind Stoffe oder Gemische, die bei der Herstellung oder Verwendung eine schädigende Wirkung für Mensch und Umwelt haben können. Auch vor Chemikalien muss der Arbeitgeber sein Team schützen. Rechtliche Grundlage ist das ChemG. Die Einzelheiten werden in Verordnungen festgelegt.

Kommentar schreiben

Die Meinung und Diskussion unserer Nutzer ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie im Sinne einer angenehmen Kommunikation auf unsere Netiquette. Vielen Dank!

Pflichtfeld *
Inhaltsverzeichnis