Der Alleskönner Laser

Besonders Halbleiter-Laser-Systeme haben ein breites Einsatzspektrum in der Zahnarztpraxis. Von der Kariesund Parodontitisdiagnostik über die Therapie in der Endodontie bis zur Bracketablösung in der Kieferorthopädie ist vieles möglich. Doch wie genau funktioniert die Behandlung mit Laserlicht und wo sind die Grenzen?

06.05.2019

Lichtwellen auf schwarzem Hintergrund
© Foto: kertlis / Getty Images / iStock
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Die Laser-Technologie findet zunehmend Anwendung in allen Bereichen des alltäglichen Lebens. So ist sie zum Beispiel in der Form von Laser-Pointern, CD/DVD/Blu-ray-Speicher-Systemen, Laser-Druckern, Abstandsmessgeräten, Barcode-Scannern oder auch bei der Datenübertragung und -speicherung nicht mehr wegzudenken. Das Einsatzgebiet des Lasers hängt entscheidend davon ab, wie die elektromagnetische Strah- lung vom Zielgewebe absorbiert wird. In der zahnärztlichen Pra- xis haben sich vor allem Halbleiter-Laser-Systeme etabliert, die im Rahmen überschaubarer Anschaffungs- und Unterhaltungs- kosten eine Vielzahl zahnärztlicher Behandlungsindikationen abdecken. So reicht der Einsatz solcher Laser-Systeme von der Karies- und Parodontaldiagnostik über antimikrobielle Verfahren in der Endodontie, Parodontitistherapie und Wunddesinfekti- on bis zu Inzisionen/Exzisionen in der Chirurgie. Neuerdings wird auch die schonende Ablösung von Brackets bei der kiefer- orthopädischen Entbänderung mithilfe eines Halbleiter-Lasers beschrieben. Insgesamt stellen derartige Laser-Systeme somit einen multiindikativen Ansatz zur Verbesserung konventioneller Behandlungsstrategien dar. Aufgrund der Vielzahl vorhandener Einsatzmöglichkeiten für Halbleiter-Laser-Systeme ist die vorlie- gende Übersicht als Einführung in die Thematik zu verstehen und soll als Grundlage für eine Einschätzung des augenblicklichen Stellenwerts der Laser-Technologie in der Zahnmedizin dienen.

Laser-Wellenlängen

Die in Halbleiter-Lasern verwendeten Wellenlängen können als elektromagnetische Strahlung sowohl im sichtbaren als auch für das menschliche Auge unsichtbaren Bereich liegen. Dabei ist das sichtbare Licht nur ein kleiner Teil des gesamten elektromagne- tischen Strahlenspektrums, das sich im Wellenlängenbereich von 380 bis 780 nm befindet. Die gängigen Halbleiter-Laser-Systeme verwenden Strahlung einer blauen (445 nm), roten (635 bis 660 nm) oder infraroten (810 bis 980 nm) Wellenlänge (Tab.1).

Tab.1 Anwendungsgebiete typischer Wellenlängen für Halbleiter-Laser-Systeme

Anwendungsgebiet Wellenlängenbereich (nm)
Laser-Fluoreszenz-Diagnostik von Karies
und Konkrementen
405-655
Antimikrobielle fotodynamische Therapie
(aPDT)
632-810
„Low-level laser therapy“ (LLLT) 635-830
Laserunterstützte Zahnaufhellung 445, 810-980
Gewebedesinfektion in Endodontie und
Parodontologie
445, 810-980
Weichgewebechirurgie 445, 810-980

Durch diese Eigenschaften kann das Licht mit hoher spektraler Energie- und Leistungsdichte zeitlich und örtlich präzise in ein Zielgewebe eingebracht werden. Kanzerogene Wirkungen sind bei den vorgenannten Wellenlängen und bestimmungsgemäßen Leistungseinstellungen nicht zu erwarten. Eine solche Wirkung wird vor allem der UV-B-Strahlung zugesprochen, da die Ener- gie dieser Strahlung oxidativen Stress mit vorübergehender oder andauernder Mutation der Zell-DNA bewirken kann [1]. Solche auf UV-Strahlung zurückzuführenden DNA-Schäden sollen auch wesentlich an der UV-vermittelten Freisetzung von immunsup- pressiven Zytokinen beteiligt sein [2].

Fotochemisch wirkende Halbleiter-Laser

Bei einer fotochemischen Laser-Wirkung werden chemische Reaktionen in mit Laser-Energie bestrahlten Molekülen her- vorgerufen. Dabei kommt es nicht zu einer klinisch relevanten Wärmeentwicklung. Beispiele von auf diesem Prinzip basie- renden zahnärztlichen Anwendungen sind die Karies- und Konkrementerkennung durch Messung von emittierter Fluores- zenzstrahlung (Abb.1). Das Ausmaß der Fluoreszenz kann dann genutzt werden, um die Behandlungsbedürftigkeit einer kariösen Läsion auch unter einer scheinbar gesunden Schmelzoberfläche einzuschätzen [3]. Darüber hinaus kann bei nicht direkt invasiv behandlungsbedürftigen Läsionen der Fluoreszenz-Zahlenwert als Basis einer regelmäßigen Nachkontrolle und Bestimmung einer möglichen Kariesprogredienz genutzt werden. Beispiele für derartige Behandlungsansätze stellen das Diagnodent-System (Fa. KaVo, Biberach) oder die VistaCam-iX-Intraoralkamera mit Proof-Wechselkopf (Fa. Dürr Dental, Bietigheim-Bissingen) dar. Fluoreszenzerscheinungen können allerdings auch während der Kariesexkavation verwendet werden, um deren Vollständigkeit zu beurteilen. Beim SiroInspect-System (Fa. Dentsply Sirona, Bensheim) wird der zu behandelnde Zahn während der Karies- exkavation mit einem hochenergetischen Licht der Wellenlänge 405 nm bestrahlt. Durch eine auf das System abgestimmte Filterbrille kann der Behandler die zu entfernende Karies, rot fluoreszierend, von den gesunden grün fluoreszierenden Zahn- hartsubstanzen abgrenzen (Abb. 2).

Abb. 1 Darstellung kariöser Läsionen mit Fluoreszenz. Nach Bestrahlung eines Zahns (a) mit Laser-Licht heben sich die kariös
veränderten Bereiche durch Emission von Fluoreszenzstrahlung von der gesunden Hartsubstanz ab (b).

Abb. 2 Fluoreszenzunterstützte Kariesexkavation ("fluorescence-aided caries excavation", FACE) während der Bestrahlung des Arbeitsfelds palatinal an Zahn 13 mit hochenergetischem Licht der Wellenlänge 405 nm. Kariöses Gewebe fluoresziert rot, gesunde Hartsubstanz erscheint grün bei Betrachtung durch eine zugehörige Filterbrille.

Eine weitere Anwendung der fotochemischen Wirkung ist die aPDT durch Laser-Energie-Transfer im 600-nm-Bereich über einen Fotosensibilisatorfarbstoff auf Sauerstoff [4]. Nach Anlage- rung des Fotosensibilisators an die Bakterienmembran kann eine Energiezufuhr durch Laser-Licht erfolgen. Die Wellenlänge der verwendeten Laser-Lichtquelle muss hierbei auf das Absorpti- onsmaximum des Fotosensibilisators abgestimmt sein. Der Foto- sensibilisator wird durch die Laser-Energie derart aktiviert, dass ein Energietransfer auf freien Sauerstoff oder auch eine Reaktion mit anderen Molekülen erfolgen kann, wobei freie Radikale ent- stehen [5]. Die Reaktionsprodukte können toxische Effekte auf Mikroorganismen ausüben sowie Bestandteile der Zellmembran, der Zellorganellen und des Zellkerns zerstören. Generell stellen der Energietransfer und die damit einhergehende antimikrobielle Wirkung im Rahmen der aPDT einen athermischen Prozess dar. Derartige Verfahren werden in der Zahnmedizin augenblicklich im Bereich der adjuvanten Desinfektion von parodontalen Läsi- onen (Abb.3), Wurzelkanälen und Wunden genutzt. Abzugren- zen von der aPDT sind die ebenfalls mit einer Farbstofflösung arbeitenden Halbleiter-Laser im 800-nm-Bereich, die allerdings eine nicht zu vernachlässigende Wärmentwicklung aufweisen. Folgerichtig wird bei diesen Systemen von einer fotothermischen Wirkung gesprochen. Allen Systemen ist gemeinsam, dass sie als adjuvante Methoden zur Reduktion von Bakterien eingesetzt werden, denen eine konventionelle mechanische Reinigung vo- rausgehen sollte.

Abb. 3 Antimikrobielle fotodynamische Therapie. Bestrahlung einer parodontalen Läsion mit einem dreidimensional abstrahlenden Lichtleiter nach Anfärben der Bakterien mit einem Fotosensibilisator.

"Low-level laser therapy"

Eine weitere fotochemische Anwendung von Halbleiter-Laser- Systemen in der Zahnheilkunde ist die LLLT, bei der Laser-Licht niedriger Intensität verwendet wird, um eine Schmerzreduktion, Biostimulation und antientzündliche Gewebebeeinflussung her- beizuführen (Abb. 4). Eine in der Literatur beschriebene Wir- kungsweise geht davon aus, dass die in das Gewebe eingebrachte Energie nicht in Form von Wärme freigesetzt wird, sondern die Aktivität von Zellorganellen beeinflusst [6]. Die Mitochondrien sorgen für die Bereitstellung von Energie in Form von Adeno- sintriphosphat (ATP). Dabei wird im Rahmen der Atmungs- kette an der inneren Mitochondrienmembran ATP aus Adeno- sindiphosphat (ADP) gebildet, indem während der oxidativen Phosphorylierung eine Phosphatgruppe mit einer energiereichen Bindung geknüpft wird. Die ATP-Synthese kann durch die Laser- Energie gesteigert werden, wodurch die zur Verfügung stehende Zellenergie erhöht wird. Durch eine Steigerung der Mitoserate wird die Fähigkeit zur Geweberegeneration verbessert [7] und zusätzlich die Bildung von Antikörpern gesteigert [8]. Eine da- mit einhergehende Erhöhung der Mikrozirkulation [9] bewirkt zudem eine verstärkte Durchsetzung des bestrahlten Gewebes mit Leukozyten und Makrophagen.

Abb. 4 "Low-level laser therapy" der Oberlippe bei Herpes labialis. Bestrahlung mit Laser-Licht niedriger Intensität zur Verminderung der Schmerzen und Verbesserung der Gewebeheilung.

Keimreduktion

Die über einen fotochemischen Effekt hinausgehenden Wir- kungen eines Halbleiter-Lasers in der Zahnheilkunde sind in den meisten Fällen auf die Zerstörung von Bakterien und den Abtrag von Weichgeweben ausgerichtet. Typische Anwendungs- gebiete von Laser-Licht hoher Intensität liegen vor allem in der adjuvanten Parodontitistherapie und Endodontie. Auch wenn für eine direkte Bestrahlung parodontaler Läsionen mit einem Halbleiter-Laser-System ein positiver Effekt auf die Entfernung parodontalpathogener Keime beschrieben wurde [10], hat sich in den letzten Jahren vor allem die zuvor beschriebene aPDT mit Laser-Bestrahlung nach vorheriger Anfärbung von Bakterien mit einem Fotosensibilisatorfarbstoff etabliert.

Bei der direkten Bestrahlung eines Wurzelkanalsystems mit einem Laser-Licht hoher Intensität stehen insbesondere fotothermische Effekte im Vordergrund. In der Endodontie bestehen aufgrund der Absorptionseigenschaften im Wurzelkanalsystem gute Vo- raussetzungen für eine tiefe Durchdringung des Dentins mit Wir- kung auf Mikroorganismen (Abb.5). Für die effektive Abtötung von Bakterien mit Natriumhypochloritlösungen werden in der Literatur Dentindicken bis zu 160 µm genannt [11, 12]. Schon seit geraumer Zeit ist bekannt, dass diese Effektivität konventioneller Spüllösungen durch die Verwendung eines Neodym-dotierten Yttrium-Aluminium-Granat(Nd:YAG)-Lasers verbessert werden kann. Es konnte belegt werden, dass eine Bakterienreduktion von 84 Prozent bis in eine Dentintiefe von 1000 µm möglich ist [13]. Für konventionelle Dioden-Laser ist eine solche Effektivität im Dentin bisher nicht beschrieben worden. Allerdings erzielte ein 445-nm-Halbleiter-Laser in einer 2017 veröffentlichten Studie in der Tiefe des Wurzelkanaldentins ähnliche Werte [14], sodass der Einsatz solcher Halbleiter-Laser-Systeme in der Endodontie klassische Behandlungsprotokolle verbessern könnte.

Abb. 5 Keimreduktion bei der endodontischen Behandlung mit einem 445-nm-Halbleiter-Laser. Bestrahlung mit einer in den Wurzelkanal eingeführten 200-mm-Faser.

Gewebeabtrag und Fotoablation

Der Effekt des Gewebeabtrags wird von fotothermischen Effekten überlagert, die im Fall von Gewebeinzisionen zum Verschluss er- öffneter Blutgefäße durch Koagulation genutzt werden. Die mithil- fe von konventionellen Dioden-Lasern der Wellenlängen 810 bis 980 nm genutzten Effekte werden vor allem zum koagulierenden Schneiden oder Abtragen von oralen Weichgeweben eingesetzt. Dabei wird ihnen ein weitgehend blutungsfreies Operationsgebiet, eine Verringerung der bakteriellen Besiedlung und eine weitestge- hend narbenfreie Wundheilung zugeschrieben. Eine wesentliche Bedeutung für die therapeutische Wirkung kommt der verwen- deten Laser-Wellenlänge und den damit erzielbaren Energieein- trägen in das zu bearbeitende Gewebe zu. Eine hohe Absorption der Laser-Energie resultiert in einer geringen Eindringtiefe und umgekehrt. Im Rahmen chirurgischer Eingriffe stellen daher hohe Absorptionswerte in Gewebe und Blut gute Voraussetzungen für ein koagulierendes Schneiden dar. Im Vergleich zu den konventio- nellen Halbleiter-Laser-Systemen im Wellenlängenbereich 810 bis 980 nm bietet ein neuerdings in der Zahnheilkunde verfügbarer Laser im blauen (445 nm) Wellenlängenbereich den Vorteil, auf- grund seiner kürzeren Wellenlänge weniger tief in das Gewebe einzudringen und dort weniger gestreut zu werden [15]. Durch die geringere Eindringtiefe werden die Gefahr unbeabsichtigter Verletzungen tief liegender Gewebeschichten verringert und die Strahlenführung präzisiert. Zusätzlich ist die Absorption in Hä- moglobin erhöht, wodurch die Koagulation gefördert wird. Durch einen geringeren Energieeintrag in Wasser ist zudem von einer reduzierten thermischen Belastung der bearbeiteten Weichgewebe auszugehen [16]. Chirurgische Eingriffe wie die Gewebeinzision, Entfernung von Fibromen, Frenektomie, Gingivektomie, Gin- givoplastik, Operkulektomie oder Implantatfreilegung gestalten sich unter diesen Bedingungen sehr effektiv. Im beschriebenen Fall einer mandibulären Frenektomie (Abb. 6-10) wurde unter Verwendung eines 445-nm-Halbleiter-Lasers eine Laser-Leistung von 1,8 W im Dauerstrich-Modus ("continuous-wave [cw] laser") gewählt, um die Gewebeschichten zu durchtrennen. Dabei ge- währleistet sowohl das Ausbleiben von an der Faser anhaftenden Geweberesten im Nichtkontaktmodus als auch die mit der Inzisi- on einhergehende Koagulation ein übersichtliches Arbeitsfeld. Die Wunde muss nicht mit einem Nahtverschluss versorgt werden. Im vorliegenden Fall konnte nach einer Woche ein reizloses Wund- gebiet beobachtet werden, das von einem Fibrinbelag bedeckt war (Abb.9). Nach vier Wochen war die Wunde ohne Narbenzug ausgeheilt (Abb.10).

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