Aids: Aggressivere HIV-Variante entdeckt

(kib) Forscher haben eine bislang unbekannte, allem Anschein nach leichter übertragbare und ansteckendere Variante des HI-Virus in den Niederlanden entdeckt. Es gibt sie wohl schon seit den 1990er Jahren.

08.03.2022

3D-Viren vor geöffneten Händen
© Foto: sdecoret / stock.adobe.com
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Wie die niederländischen Forscher im Rahmen einer aktuellen Langzeitstudie herausfanden, weist die entdeckte HIV-Variante (Variante VB) eine etwa 3,5- bis 5,5-mal höhere Viruslast auf und ist leichter übertragbar. Darüber hinaus hat die Variante das Potenzial, größere Schäden am Immunsystem anzurichten. So scheinen die CD4+-T-Zellen der Infizierten doppelt so schnell abzufallen wie bei Infizierten mit anderen HIV-Stämmen.

Ohne Behandlung schreitet die Infektion bei Infizierten im Alter von 30 bis 39 innerhalb von neun Monaten fort mit langanhaltenden klinischen Konsequenzen, schreiben die Forscher. Ältere Infizierte kommen schneller zu diesem fortgeschrittenen Krankheitsstadium und haben noch niedrigere Spiegel von CD4+-T-Zellen. Zum Vergleich: Personen, die sich mit der herkömmlichen Variante von HIV infiziert haben, erreichen dieses Stadium durchschnittlich nach 36 Monaten.

Von der Infektion bis zum Vollbild Aids gelangten manche Patienten mit der neu entdeckten Variante innerhalb von zwei bis drei Jahren. Bei mit der herkömmlichen Variante Infizierten dauert es hingegen durchschnittlich sechs bis sieben Jahre.

Die erhöhte Virulenz der Variante VB beruhe vermutlich auf großflächigen Mutationen über das gesamte virale Genom mit mehr als 300 veränderten Aminosäuren und über 500 anderen Nukleotiden, so die Forscher.

Hintergrund

Die VB-Variante wurde erstmals in einem Monitoring-Projekt namens BEEHIVE entdeckt. Im Rahmen des Projekts sammelten Wissenschaftler Proben aus acht Kohorten aus Europa und Uganda und analysierten diese.

Dabei fielen 17 Fälle der VB-Variante auf, 15 davon stammten aus den Niederlanden, ein Fall trat jeweils in der Schweiz und in Belgien auf. In Tests von weiteren Tausenden in den Niederlanden getesteten Patienten fand man 92 weitere Infizierte mit der VB-Variante. Diese soll während der 1990er Jahre neu in den Niederlanden entstanden und sich dort verbreitet haben. Seit etwa 2010 soll sich die Verbreitung den Forschern zufolge jedoch wieder verlangsamt haben.

Keine Gefahr für Patienten in Therapie

Für Infizierte, die bereits mit Medikamenten behandelt werden, besteht wohl keine größere Gefahr. Wie die Forscher mitteilen, haben die Patienten ähnliche Verläufe wie Patienten, die mit der herkömmlichen Virusvariante infiziert sind.

Und auch das Risiko einer schnellen Ausbreitung stufen deutsche Experten als gering ein. So sieht der Virologe Dr. Maximilian Münchoff von der Universität München in der aktuellen Studie zum Beispiel „ein weiteres Puzzlestück für unser Verständnis der Evolution von HIV.“ Er macht sich jedoch wenig Sorgen darum, dass die Variante der HIV-Epidemie neuen Schwung verleihen könnte. „Die Effekte sind zwar statistisch signifikant, aber im großen epidemiologischen Kontext eher nebensächlich.“ Das sehe man auch daran, dass die Variante schon seit Jahrzehnten zirkuliere, ohne andere Varianten verdrängt zu haben.“

Allerdings: Die Ergebnisse machen es umso wichtiger, dass Menschen mit einem gewissen HIV-Risiko Zugang zu regelmäßigen Tests haben: „Das begrenzt die Zeit, in der HIV das Immunsystem schädigen und die Gesundheit gefährden kann“, sagte einer der an der Studie beteiligten Forscher aus Oxford, Professor Christophe Fraser, einer Mitteilung zufolge.

Quelle: Ärzte Zeitung, dpa

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