BMEL will Ernährung verbessern: Mehr Möhre, weniger Bratwurst

Die Ampel entdeckt den gesunden Mittagstisch – eine Ernährungsstrategie soll den Weg weisen. Fachgesellschaften ist das Ganze zu unverbindlich. Beim DMP Adipositas formulieren sie klare Erwartungen an die Selbstverwaltung.

24.02.2023

Mehr Gemüse statt Wurst und Fleisch. Die Politik will die Bevölkerung dazu bringen, sich gesünder zu ernähren.
© Foto: [M] Michaela Illian
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  • Als Ziele genannt werden:
  • stärker pflanzenbetonte Ernährung,
  • weitere Reduzierung von Zucker, Fetten und Salz in verarbeiteten Lebensmitteln,
  • Lebensmittelverschwendung senken,
  • Mahlzeiten in der Gemeinschaftsverpflegung sollen gesünder und nachhaltiger werden und Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) einhalten,
  • der Anteil an saisonal-regional und ökologisch-klimafreundlich erzeugten Lebensmitteln in der Gemeinschaftsverpflegung soll erhöht werden.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zeigte sich kürzlich alarmiert. In einer Mitteilung erklärte das Ministerium, das vom Grünen-Politiker Cem Özdemir geleitet wird: „Die gesundheitlichen Auswirkungen unausgewogener Ernährung wie Übergewicht und ernährungsmitbedingte, nicht übertragbare Krankheiten stellen in Deutschland ein großes individuelles und gesellschaftliches Problem dar – bereits von der Kindheit an bis ins hohe Alter.“

15 Prozent der Drei- bis Siebzehnjährigen seien übergewichtig, knapp sechs Prozent der jungen Menschen adipös. Studien wie etwa dieCOPSY-Studiedes Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf wiesen zudem darauf hin, dass Bewegungsmangel und unausgewogene Ernährung bei jungen Menschen in der Corona-Zeit deutlich zugenommen hätten.

Einbindung relevanter Akteure

In einem Papier hat das BMEL Eckpunkte für eineErnährungsstrategiedargelegt. Man wolle damit einen Beitrag zur Transformation des Ernährungssystems leisten und Rahmenbedingungen und Strukturen schaffen, damit sich alle Menschen „gesund und nachhaltig“ ernähren könnten, schreibt das Ministerium. Als Ziele genannt werden:

  • stärker pflanzenbetonte Ernährung,
  • weitere Reduzierung von Zucker, Fetten und Salz in verarbeiteten Lebensmitteln,
  • Lebensmittelverschwendung senken,
  • Mahlzeiten in der Gemeinschaftsverpflegung sollen gesünder und nachhaltiger werden und Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) einhalten,
  • der Anteil an saisonal-regional und ökologisch-klimafreundlich erzeugten Lebensmitteln in der Gemeinschaftsverpflegung soll erhöht werden.

Die Ernährungsstrategie soll bis Ende 2023 unter Einbindung der relevanten Akteure erarbeitet werden, „weil klar ist, dass grundlegende Veränderungen einer gemeinsamen Kraftanstrengung bedürfen“, so das BMEL. Adressiert seien Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

Gemeinschaftsverpflegung soll der Knackpunkt sein

Natürlich wolle er den Menschen nicht vorschreiben, „was sie essen sollen“, sagt Özdemir. „Ich möchte dafür sorgen, dass es für alle Menschen in Deutschland möglich ist, sich gut und gesund zu ernähren – unabhängig von Einkommen, Bildung oder Herkunft.“ Schon Amtsvorgängerin Julia Klöckner (CDU) hatte betont, nicht Geschmacksgouvernante der Nation sein zu wollen.

Es solle zudem selbstverständlich sein, so Özdemir, dass Patienten in Krankenhäusern das für ihre Genesung bestmögliche Essen bekämen, dasselbe gelte für Bewohner eines Altenheims oder junge Menschen in Kitas und Schule. Deshalb wolle die Ampel die Gemeinschaftsverpflegung als Hebel nutzen, um allen Bürgern gesunde Mahlzeiten zu ermöglichen. „Denn wer die Erfahrung macht, wie gut Obst, Gemüse oder Hülsenfrüchte schmecken, greift vielleicht seltener zum beliebtesten Kantinengericht der Deutschen, der Currywurst mit Pommes.“

Bei der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), bei Diabetologen und beim Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD) stoßen die Vorschläge auf ein verhaltenes Echo. Das Eckpunktepapier nenne zwar „richtige und wichtige Ziele“ wie die Reduktion des Zucker- und Fleischkonsums, sagt DANK-Geschäftsführerin Barbara Bitzer. Es bleibe aber unklar, wie die Ampel ihre Ziele erreichen wolle.

Verbände: Zuckersteuer muss kommen

In den „Konzern-Zentralen von Coca-Cola, Südzucker & Co.“, vermutet Bitzer, gebe es wohl Anlass zur Freude. „EineZuckersteuerfür Erfrischungsgetränke sucht man in den Eckpunkten vergebens – das ist ein großer Fehler und darf so nicht bleiben.“

Zuckerhaltige Getränke würden als wesentliche Treiber für Adipositas und Diabetes Typ 2 gelten – die Ampel solle daher eine Zuckersteuer für süße Erfrischungsgetränke auf den Weg bringen, fordert auch VDBD-Vorsitzende Dr. Nicola Haller. Freilich: Ein solcher Extra-Obolus ist im Koalitionsvertrag nicht enthalten, auch weil die FDP von höheren Steuern als Erziehungsmittel nichts hält.

Nötig seien gleichwohl mehr finanzielle Anreize für gesunde Ernährung, sagt Haller. Eine Mehrwertsteuer, bei der Gesundes niedrig, Ungesundes höher besteuert wird, wäre ein „Meilenstein für die Diabetesprävention“. Außer den mehr als acht Millionen Diabetespatienten lebten in Deutschland 15 bis 20 Millionen Menschen mit Prädiabetes. „Ihnen kann gesunde Ernährung unter Umständen sogar einen manifesten Diabetes ersparen.“

Engmaschige Betreuung nötig

Fachärzte wie Dr. Stephan Kress von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) setzen derweil Hoffnungen auf das geplanteDisease Management Programm (DMP) Adipositas. „Letztendlich hängen Fragen rund um das Thema Bewegungs- und Ernährungsmanagement eng mit der Einführung eines DMP Adipositas zusammen“, sagt der Internist.

Eine gute Voraussetzung für das Chronikerprogramm sei, dass der Bundestag Adipositas im Zuge der Verabschiedung dernationalen Diabetesstrategieim Sommer 2020 als Krankheitsbild anerkannt habe. „Jetzt muss der nächste Schritt folgen, und die Selbstverwaltung eine Richtlinie für ein DMP Adipositas aufs Gleis setzen so wie bereits für Diabetes, COPD oder KHK geschehen. Dann besteht die Chance auf eine engmaschigere Betreuung der Patientinnen und Patienten und – über eine bessere Honorierung – auch die Chance für eine größere Attraktivität, um Ernährungs- und Bewegungsmanagement umzusetzen.“

Dabei sollten auch Hausärzte das geplante DMP Adipositas anbieten, sagt Kress. „Die Schwerpunktpraxen haben es hier etwas einfacher, weil sie mit dem DMP Diabetes und den Diabetesberaterinnen und Diabetesberatern schon breiter aufgestellt sind bei dem Thema. Will sagen: Die Ernährungsberatung ist hier bereits über die Diabetesberatung sehr gut etabliert. Da sitzen die meisten Diabetesberaterinnen und Diabetesberater fest im Sattel. Bei der Bewegungsberatung hingegen gibt es noch Lücken.“(hom)

Quelle: Ärzte Zeitung

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