Deutschland erreicht bei keiner Kinderimpfung die angestrebte Impfquote

Kinder in Deutschland werden häufig zu spät und zu wenig geimpft. Bei allen Impfungen werden die empfohlenen Alterszeitpunkte nicht eingehalten. Das zeigt eine Analyse des Robert Koch-Instituts.

von Anne Bäurle
07.01.2022

Kleinkind wird geimpft: Besonders bei den lange etablierten Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Hib und Hepatitis B zeigen sich im sehr jungen Alter nur moderate Impfquoten.
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Bei Kinderimpfungen bestehen in Deutschland enorme Defizite: Bei keiner Impfung werden laut einer Analyse des Robert Koch-Instituts (RKI) national beziehungsweise international gesetzte Impfquotenziele erreicht, wobei teilweise deutliche regionale Unterschiede bestehen.

Bei allen Impfungen werden die empfohlenen Alterszeitpunkte nicht eingehalten, wenn auch die meisten Impfungen bis zum Schuleintritt nachgeholt werden. „Kinder in Deutschland werden oft zu spät und zu wenig geimpft und dadurch unnötig lange einer Infektionsgefahr ausgesetzt“, fasst das RKI die Ergebnisse zusammen.

Eine Zunahme der Impfquoten für alle Altersgruppen über die Zeit sei fast ausschließlich bei Impfungen festgestellt worden, die erst in den vergangenen zehn bis 15 Jahren in den Impfkalender der Säuglinge aufgenommen wurden: die Impfungen gegen Varizellen, Pneumokokken, Meningokokken C und Rotaviren.

Besonders bei den lange etablierten Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Haemophilus influenzae b (Hib) und Hepatitis B zeigten sich im sehr jungen Alter nur moderate Impfquoten. Bis zum Alter der Schuleingangsuntersuchungen würden Impfungen zwar nachgeholt, auch das erfolge aber nicht bei allen Kindern, sodass auch hier Bedarf für das Schließen von Impflücken bestehe.

Grundlage für die RKI-Analyse sind Daten der beiden gesetzlich verankerten Systeme zur Erhebung bundesweiter Impfquoten: den Schuleingangsuntersuchungen und der auf Abrechnungsdaten der KVen basierenden KV-Impfsurveillance.

Masernimpfung zum Schuleingang

Ein Ziel aus dem Masernaktionsplan – dass 95 Prozent der Kinder zum Schuleingang bei der Schuleingangsuntersuchungen (SEU) zweimal gegen Masern geimpft sein sollen – wird nur in zwei Bundesländern (Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern) erreicht, bundesweit jedoch nicht: Bei der Schuleingangsuntersuchung haben in Deutschland 97,2 Prozent der Kinder die erste Masernimpfung erhalten (Spannbreite je nach Bundesland 95,3 – 98,6 Prozent), die zweite Masernimpfung lediglich 92,7 Prozent (Spannbreite 85,0 – 95,8 Prozent).

„Insbesondere die Impfquoten zum Schuleingang zeigen, dass mit einer deutschlandweiten Impfquote von 97 Prozent für mindestens eine Masernimpfung kein generelles Akzeptanzproblem besteht. Offenbar zögern aber viele Eltern bei der zweiten Impfung“, resümiert das RKI. Somit seien viele Kinder in einem Alter, in dem sie in die Schule kommen, nicht ausreichend geimpft.

Zeitgleich mit Inkrafttreten des Masernschutzgesetzes, aber auch mit dem Beginn der COVID-Pandemie, könne ein Anstieg der Masernimpfquoten bei Kleinkindern belegt werden. Ob diese zeitgerechtere Impfung aber auch zu einer höheren Impfquote bei Schuleingang führen wird, werden erst künftige Erhebungen feststellen können. „Derzeit wird auch gegen Masern oftmals zu spät und insgesamt noch zu wenig geimpft“, betont das RKI.

Weitere Ergebnisse der Auswertungen zum Impfstatus bei Schuleingang: Bei den Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis hat sich der leichte Rückgang fortgesetzt, die Impfquote bei der Poliomyelitis- und Hib-Impfung scheint zum Stillstand gekommen zu sein. Gleichzeitig steigen die Impfquoten der Hepatitis-B-Impfung weiter leicht an.

Bei HPV-Impfung Luft nach oben

Bei 15-jährigen Mädchen ist der Anteil derer, die eine vollständige Impfung gegen Humane Papillomviren (HPV) erhalten haben, in den vergangenen Jahren zwar leicht und kontinuierlich auf 47,2 Prozent im Jahr 2019 gestiegen. „Das Public-Health-Potenzial in Bezug auf die Verhinderung von Gebärmutterhalskrebs und anderen HPV-assoziierten Karzinomen und Krebstodesfällen wird mit diesem Wert aber nicht annähernd ausgeschöpft“, heißt es in dem Bericht. Die WHO-Vorgabe zur weltweiten Eliminierung des Zervixkarzinoms ist eine HPV-Impfquote von 90 Prozent bei Mädchen bis zum Alter von 15 Jahren.

Was die Daten zudem zeigen: Die Abbruchquote ist relativ hoch. Im Jahr 2019 hatten 65,6 Prozent der Frauen mit 18 Jahren eine HPV-Impfserie begonnen; 20,7 Prozent dieser begonnenen Impfserien wurden jedoch nicht zu Ende geführt.

Die HPV-Impfempfehlung wurde im August 2018 bekanntlich auf Jungen ausgeweitet, der Start der Impfungen verlief allerdings eher schleppend. In jeder einzelnen Altersstufe der 9- bis 18-jährigen Jungen haben bundesweit nicht mehr als 6 Prozent die HPV-Impfung abgeschlossen. Dennoch gibt es einen positiven Trend: Zumindest haben je nach Altersklasse bis zu 20 Prozent eine HPV-Impfserie begonnen.

Höchste Quoten der FSME-Impfung in Bayern

Erstmals hat das RKI differenzierte FSME-Impfquoten aus den Risikogebieten in Deutschland bei Kindern und Jugendlichen im Alter unter 18 Jahren ausgewertet. Diese liegen für eine vollständige Impfserie je nach Risikogebiet bei den unter 18-Jährigen zwischen lediglich 13,3 und 50,5 Prozent.

Fünf Bundesländer mit FSME-Risikogebieten dokumentieren bei den Schuleingangsuntersuchungen die FSME-Impfquoten, wobei eine Differenzierung zwischen Risiko- und Nicht-Risikogebieten innerhalb der Bundesländer nicht vorliegt. Die Impfquoten erreichten 2019 in Bayern den höchsten Wert (33,5 Prozent), den niedrigsten im Saarland (12,9 Prozent). Im Vergleich zum Vorjahr weichen sie in den meisten Fällen nur geringfügig ab.

Quelle: Ärzte Zeitung

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