Diabetes etwas weniger riskant für Herz und Gefäße

Ein Diabetes galt lange Zeit als ähnlich relevanter Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall wie eine kardiovaskuläre Erkrankung. Offenbar hat sich dies geändert: So haben Diabetiker heute ein deutlich geringeres kardiovaskuläres Risiko als Herz- und Gefäßkranke.

von von: Thomas Müller
14.11.2022

Achtung Diabetes Verkehrsschild
© Foto: Daniel Ernst / stock.adobe.com
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Das Wichtigste in Kürze

Frage: Wie hat sich das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle bei Diabetikern im Vergleich zu Herzkreislaufkranken im Laufe von 20 Jahren verändert?

Antwort: Früher war das kardiovaskuläre Risiko für beide Gruppen im Vergleich zur übrigen Bevölkerung in etwa verdoppelt. Heute ist das Risiko für Herzkreislaufkranke weiterhin verdoppelt, das für Diabetiker jedoch nur noch um etwas mehr als die Hälfte erhöht.

Bedeutung: Diabetes ist zwar immer noch ein wichtiger kardiovaskulärer Risikofaktor, aber nicht mehr äquivalent zu Herzkreislauferkrankungen.

Einschränkung: Reine Analyse von Versicherungsdaten.

Bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts galt: Wer einen Diabetes hat, trägt ein ähnlich großes Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle wie jemand mit einer KHK oder Herzinsuffizienz, wobei sich das Risiko bei Personen sowohl mit Diabetes als auch Herzkreislauferkrankungen addiert hat. Inzwischen ist das Diabetesmanagement jedoch deutlich besser geworden, und dies müsste sich auch auf das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse auswirken, vermuten Ärztinnen und Ärzte um Dr. Calvin Ke von der Universität in Toronto in Kanada. Anhand von Versicherungsdaten konnten sie zeigen, dass die Risiko-Äquivalenz von Diabetes und Herzkreislauferkrankungen inzwischen nicht mehr besteht: Ein Diabetes geht mit einem deutlich geringeren Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse einher als eine Herzkreislauferkrankung. Additiv sind die Risiken aber immer noch.

Für ihre Analyse haben die Forschenden Diagnosen aus dem gesetzlichen Gesundheitssystem der Provinz Ontario herangezogen und daraus fünf Kohorten kreiert, und zwar für die Jahre 1994, 1999, 2004, 2009 und 2014. Jede Kohorte bezog sich auf etwa ein Viertel der Bewohner Ontarios im Alter von 20–84 Jahren und bestand aus 1,8–2,5 Millionen Versicherten. Davon hatten 1994 insgesamt 3,1% einen Diabetes, 2014 bereits 9,0%, was zum Teil auch der demografischen Entwicklung geschuldet ist, so Ke und Mitarbeiter. Der Anteil mit einer kardiovaskulären Erkrankung stieg zwischen 1994 und 2014 jedoch weniger stark von 2,5% auf 3,7%. Das Team um Ke schaute nun, wie häufig in den Folgejahren bis 2019 kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkte, Schlaganfälle oder entsprechende Todesfälle auftraten.

Diabetes weiterhin wichtiger kardiovaskulärer Risikofaktor

In der 1994er-Kohorte erlitten jährlich 28 von 1000 Diabetikern ein kardiovaskuläres Ereignis, ebenso 36 von 1000 Herzkreislaufkranken und 74 von 1000 Personen mit beiden Problemen. Im Vergleich zu Versicherten ohne diese Erkrankungen war die Inzidenz für Diabetiker und kardiovaskulär Erkrankte jeweils verdoppelt, für Personen mit beiden Problemen knapp vervierfacht, jeweils unter Berücksichtigung bekannter Begleitfaktoren wie Alter, Geschlecht und Komorbiditäten.

Für die 2014er-Kohorte sahen die absoluten Zahlen deutlich besser aus: Die Inzidenzen, jeweils pro 1000 Betroffene, lagen noch bei 14 für Diabetiker, 24 für Herzkreislaufkranke und 51 für solche mit beiden Krankheiten. Die Inzidenzen im Vergleich zu nicht betroffenen Personen waren damit um jeweils 58%, 106% und 210% erhöht. Im Vergleich zu nicht betroffenen Personen ist das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei Herzkreislaufkranken also immer noch verdoppelt, das für Diabetiker jedoch nur noch um etwas mehr als die Hälfte erhöht. „Diabetes ist zwar immer noch ein wichtiger kardiovaskulärer Risikofaktor, aber nicht mehr äquivalent zu Herzkreislauferkrankungen“, so Ke und Koautoren. Als Grund sehen sie vor allem die verbesserte medizinische Versorgung von Diabeteskranken. Besonders ungünstig bleibt aber nach wie vor die Kombination von Diabetes mit Herzkreislaufleiden.

Quelle: SpringerMedizin.de

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