Die Crux mit dem Blutdruck von Frauen

Der Manschettendruck am Arm unterschätzt die Systole von Frauen, hat ein kanadisches Forschungsteam beobachtet.

von Von Dr. Robert Bublak
22.07.2022

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© Foto: Kurhan / stock.adobe.com
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Frauen haben bei gleichen Blutdruckwerten ein höheres kardiovaskuläres Risiko als Männer. Ein kanadisches Forschungsteam glaubt, einen wichtigen Grund dafür gefunden zu haben (JAMA Netw Open 2022; 5(6): e2215513).

An der Querschnittstudie von Yasmine Abbaoui, Université de Montréal, waren 145 Frauen und 355 Männer im Durchschnittsalter von 66 Jahren beteiligt, die sich einer Koronarangiografie ohne Notfallindikation unterzogen. Während des Eingriffs wurde invasiv der aortale Blutdruck bestimmt und mit den nichtinvasiv etwa per Armmanschette gemessenen Werten verglichen.

Die mit der Manschette gemessenen systolischen Blutdrücke unterschieden sich mit im Schnitt 124,5 mmHg für Frauen und 124,4 mmHg für Männer nicht. Die invasiv gemessenen systolischen Drücke der Frauen fielen indes mit 130,9 vs. 124,7 mmHg signifikant höher aus.

Für die Männer gab der nicht invasiv am Arm gemessene Druck den zentralen systolischen Blutdruck also relativ genau wieder, die Differenz betrug lediglich –0,3 mmHg. Hingegen war der Unterschied bei Frauen mit –6,5 mmHg deutlich stärker ausgeprägt.

Von Bedeutung: die Körpergröße

Etwa die Hälfte (55%) des Unterschieds zwischen peripherem und zentralem Blutdruck ließ sich mit der Körpergröße erklären. Sie war bei Frauen im Schnitt geringer (159,3 vs. 174,4cm).

„Die Differenz bei den Druckmessungen könnte dazu führen, dass Untertherapie bei Frauen zu selten erkannt wird, und sie könnte auch teilweise erklären, wieso Frauen bei einem gegebenen, mit der Armmanschette gemessenen Blutdruck ein höheres kardiovaskuläres Risiko tragen“, so das Team um Abbaoui.

Die Arbeitsgruppe zeigt auch eine Alternative auf, mit der sich die Situation von Frauen bei der Blutdruckmessung verbessern ließe. Denn wenn sich auch ein nicht geringer Teil der Abweichungen durch die Körpergröße erklären lässt, so bleibt doch fast die Hälfte des Unterschieds davon unberührt.

„Zentralen Blutdruck bei Frauen nicht invasiv bestimmen!“

Der Vorschlag der kanadischenArbeitsgruppe lautet daher, den zentralen Blutdruck von Frauen nicht invasiv zu bestimmen. Die größte Genauigkeit, wenngleich mit geringer Präzision, erreichte dabei in der Studie die Ableitung des zentralen Drucks über einen automatischen, oszillometrisch mit Messungen am Arm arbeitenden Blutdruckmonitor, der die Form der Pulswelle mit ins Kalkül zieht und dabei den mittleren arteriellen sowie den diastolischen Druck berücksichtigt.

Die Abweichung zum invasiv gemessenen zentralen Druck betrug dabei für Frauen 0,6 mmHg und für Männer 8,3 mmHg.

„Diese Art der nicht invasiven Bestimmung des zentralen Blutdrucks scheint die beste Methode zu sein, den systolischen Druckwert von Frauen zu ermitteln“, meinen Abbaoui und ihre Kollegen. Möglicherweise müsse sie in die klinische Praxis integriert werden.

Die Befunde könnten es rechtfertigen, geschlechtsspezifische Blutdruckziele zu untersuchen oder solche spezifischen Parameter wie Alter, Geschlecht und Körpergröße in die Algorithmen der Blutdruckabschätzung einzubauen.

Quelle: Ärzte Zeitung

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