Die Kunst der Praxis

Leihen, mieten oder kaufen: Die „Ärzte Zeitung“ hat sich umgehört, wie Ärzte es mit Kunstobjekten in ihren Praxisräumlichkeiten handhaben. Steuerlich gibt es bei den unterschiedlichen Modellen einiges zu beachten.

von Kathrin Handschuh
22.02.2022

Blautöne wirken beruhigend: Im Wartezimmer des Kardiologen Dr. Nils Jonas aus Heitersheim sind Bilder der Malerin Gerlinde Dettling zu sehen.
© Foto: Dr. Nils Jonas
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Siebdrucke im Wartezimmer, Skulpturen im Eingangsbereich oder farbige Gemälde in den Behandlungsräumen: Immer mehr Ärztinnen und Ärzte schmücken ihre Praxis mit Kunstwerken. Kein Wunder: Denn laut einer Studie der WHO von 2019 verbessert die Beschäftigung mit Kunst die Gesundheit. Sie wirkt beruhigend und kann den Patienten die Angst vor der Behandlung nehmen. Ein Modell ist besonders weit verbreitet: Dabei stellen Praxisinhaber Künstlern die Räume für Ausstellungen kostenfrei zur Verfügung.

So wie bei dem Allgemeinmediziner Dr. Winfried Schubert aus Cottbus. Vor einem Jahr hat er die Hausarzt-Praxis am Sportzentrum der brandenburgischen Stadt übernommen. Seitdem sind dort die Werke des jungen Malers Valentin Hering (DION) zu sehen. „Ich bin ein sehr kunstbegeisterter Mensch und wollte mich ein wenig abgrenzen“, sagt Schubert.

Abstrakte Malerei stößt auf geteiltes Echo

Außerdem habe er mit den Bildern das sanierungsbedürftige Gebäude verschönern wollen. Bei den Patienten stieß die abstrakte Malerei auf geteiltes Echo: „Ein Großteil ist begeistert. In manchen Fällen habe ich sogar den Kontakt zum Künstler vermittelt. Andere haben mir aber auch direkt gesagt, dass ihnen die Gemälde nicht gefallen“, sagt der Hausarzt.

Der Kardiologe und Angiologe Dr. Nils Jonas aus dem baden-württembergischen Heitersheim bietet seine Räumlichkeiten seit der Praxisgründung 2015 immer wieder als Ausstellungsfläche an. Dabei setzt der Mediziner nicht nur auf Gemälde: Auch Fotokunst und Skulpturen finden sich unter den Exponaten.

Regelmäßiger Gast ist ein regionaler Holzkünstler – der passend zur Praxis mit dem Herzmotiv arbeitet. „Er entwirft beispielsweise Schlüsselanhänger, herzförmige Holzschnitzarbeiten oder Herzen aus Stein“, sagt Jonas.

Werteverfall bei Gebrauchskunst

Der Kardiologe kam bei Vertretungen in anderen Praxen vor Jahren auf den Geschmack von Kunst in der Praxis: „Das Konzept gefiel mir, also habe ich es übernommen.“ Aus seiner Sicht ist seine Arztpraxis eine ideale Plattform für Künstler aus der Region, schließlich besuchten rund 6000 Patienten jährlich seine Sprechstunde. Objekte, die ihm besonders gut gefallen, kauft er auch schon mal selbst.

Interessant sind die Kunstwerke aber nicht nur aus ästhetischen, sondern auch aus steuerlichen Aspekten. Doch um die einzelnen Stücke beim Fiskus geltend machen zu können, müsse zwischen Gebrauchs- und anerkannter Kunst unterschieden werden, erläutert Lutz Florian Weber, Steuerberater für das Gesundheitswesen und Partner der dhpg-Steuerberatungsgesellschaft in Bonn, auf Anfrage der „Ärzte Zeitung“.

Kunstwerke mit einem Wert von bis zu 5000 Euro werden von den Finanzbehörden in der Regel als Gebrauchskunst gewertet, die Ärzte von der Steuer absetzen können. Denn hier gehen die Finanzbehörden eher von einem Werteverfall aus. „Praxen haben dabei die Möglichkeit, die Anschaffungskosten für die Objekte über 15 Jahre hinweg abzuschreiben“, so Weber.

Bei anerkannter Kunst rechnet das Amt dagegen mit einer Wertsteigerung. Was genau zu anerkannter Kunst gehört, sei mitunter aber nicht immer leicht zu benennen. Dies könnten beispielsweise namhafte Künstler sein, die in Galerien und Museen ausstellten. Auch besondere Auszeichnungen und Kunstpreise sprechen für die Bedeutung des Kunstschaffenden.

Kunst als Investment

Wer in Kunstwerke investieren möchte, benötigt Geduld: Fünf bis zehn Jahre sollte man einem Kunstwerk geben, um sich zu entwickeln. Oliver Grimme, Spezialist Art Management im Wealth Management der HypoVereinsbank, empfiehlt mindestens 50.000 bis 100.000 Euro pro Werk zu investieren. „Man darf nicht vergessen, dass Kunst ein spekulatives Investment ist.“

Wer die Anschaffungskosten für die Objekte jedoch sofort als Betriebsausgabe geltend machen möchte, dem empfiehlt Weber, sie bei spezialisierten Agenturen zu mieten. Das Unternehmen Little van Gogh aus Bad Honnef beispielsweise setzt auf ein Rund-um-sorglos-Paket und versorgt Arztpraxen und Kliniken regelmäßig mit zeitgenössischer Kunst.

Die Kunden erhielten zehn Werke eines Künstlers, alle zwei Monate werde gewechselt. „Dadurch kommen Patienten und Mitarbeiter in den Genuss sechs verschiedener Künstler im Jahr“, erläutert Prokuristin Christina Goossenaerts. Ihr Portfolio umfasse insgesamt rund 250 Maler.

Praxen setzen auf Blautöne

Die Praxen kostet der Service 220 Euro im Monat. Darin sind Beratung, Transport und Versicherung der Gegenstände enthalten. Im medizinischen Bereich seien vor allem abstrakte Motive und Blautöne gefragt, da diese eine beruhigende Wirkung ausstrahlten, rote und dunkle Farben sind weniger angesagt, so Goossenaerts.

Aus ihrer Sicht lohnt sich die Kooperation zwischen Künstlern und Ärzten: „Wir bekommen immer wieder Anrufe von Patienten, die sich für ein Bild interessieren, das sie beim Praxisbesuch gesehen haben. Für Praxen und Kliniken ist das ein gutes Marketinginstrument.“

Praxisinhabern, die ein Kunstwerk dauerhaft in ihren Bestand aufnehmen möchten, gibt Steuerberater Weber folgenden Tipp: „Am besten ist es, wenn der Ehepartner ein Werk aus seinem Privatvermögen anschafft und es der Praxis unentgeltlich überlässt“. Denn wenn der Partner das Objekt nach Ablauf der Spekulationsfrist (ein Jahr) verkauft, ist der Gewinn steuerfrei. Gehört es dagegen der Praxis, fließt es in das Betriebsvermögen ein und der Gewinn muss versteuert werden.

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