Frauen vertragen Krebstherapien schlechter als Männer

Männer und Frauen erkranken nicht nur unterschiedlich, Medikamente wirken teils auch anders. Selbst das Nebenwirkungspotenzial ist für Männer und Frauen nicht immer identisch, wie man von Chemotherapeutika weiß. Ob sich das bei Immun- und zielgerichteten Therapien ebenso verhält, war Gegenstand einer aktuellen Erhebung.

von Dr. Dagmar Kraus
16.03.2022

Patientin schaut besorgt auf Infusionsbeutel
© Foto: © KatarzynaBialasiewicz / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodellen)
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Das Wichtigste in Kürze

Frage: Haben Frauen unter Chemo-, Immun- oder zielgerichteter Therapie ein höheres Nebenwirkungsrisiko als Männer?

Antwort: Von schwerwiegenden Nebenwirkungen waren Patientinnen häufiger betroffen als Patienten, und zwar unabhängig von der Therapieform. Die Risikosteigerung betrug 34%. Als für Frauen besonders nebenwirkungsbehaftet hat sich die Immuntherapie herausgestellt, mit einer Risikosteigerung um 49%.

Bedeutung: Die bei Frauen höhere Toxizität von Krebstherapien sollte in Praxis und Forschung berücksichtigt werden.

Einschränkung: Über das Toxizitätsmuster im zeitlichen Verlauf geben die Daten keine Auskunft; keine Daten zum Gesamtüberleben.

Forschende aus den USA und Kanada haben anhand der Daten von rund 23.300 Krebskranken versucht die Frage zu klären, inwieweit das Geschlecht Einfluss auf die Verträglichkeit verschiedener Therapieformen nimmt. Die Patientinen und Patienten waren alle Teilnehmende von Phase-II- bzw. -III-Studien des SWOG-(South Western Oncology Group)-Cancer Research Network aus den Jahren 1989 bis 2019. Gastrointestinale Tumoren, Lungenkarzinome und Leukämien machten den Großteil der Krebserkrankungen aus. Studien zu Tumorentitäten, die geschlechtsspezifisch sind bzw. bei einem der beiden Geschlechter überproportional häufig vorkommen, wie Prostata- und Mammakarzinome, waren von der Auswertung ausgeschlossen.

Patientinnen im Nachteil

Der Anteil der Frauen, die unter NW litten, lag deutlich über dem der Männer (68,6% vs. 62,2%). Frauen hatten bezogen auf alle Therapieformen ein um 34% höheres NW-Risiko. Auch in der Einzelbetrachtung der Krebstherapien stellte sich das weibliche Geschlecht als Nachteil heraus; vor allem bei den Immuntherapien mit einer Risikosteigerung um 49%.

Ein geschlechtsspezifischer Zusammenhang fand sich sowohl für schwere symptomatische (kardiovaskuläre, kutane, gastrointestinale, neurologische, respiratorische und visuelle) als auch für schwere hämatologische NW. Symptomatische NW traten bei Frauen unter allen Therapieformen häufiger auf, hämatologische NW vor allem unter Chemotherapie und Immuntherapie.

"Das Geschlecht als Modulator von Wirksamkeit und Toxizität"

Frauen haben ein beträchtlich höheres Risiko als Männer, infolge einer Krebstherapie schwerwiegende Nebenwirkungen zu erleiden, so das Resümee der Studienautoren. Dabei gelte der geschlechtsspezifische Unterschied für Chemo-, Immun- und zielgerichtete Therapien gleichermaßen. Tatsächlich war das Risiko symptomatischer NW unter Immuntherapie mit einer Steigerung um 66% für Frauen besonders hoch. Hämatologische Nebenwirkungen traten vor allem nach Chemotherapie und Immuntherapie bei Patientinnen häufiger auf als bei Patienten.

Als Ursache diskutieren die US-amerikanischen Onkologen unter anderem pharmakokinetische und pharmakodynamische Faktoren. Allerdings seien die Daten zu den in den Studien eingesetzten Wirkstoffen uneinheitlich. Während sich beispielsweise die Clearancekapazität von Frauen und Männern bei dem Wirkstoff Fluorouracil unterscheidet, fand sich für Imatinib bislang kein derartiger Zusammenhang. Als Beispiel für pharmakogenetische Mechanismen führen die Onkologen den Methylentetrahydrofolatreduktase-Genpolymorphismus an, der offenbar Einfluss auf die Wirksamkeit einer Fluorouracil-Therapie bei Patientinnen mit metastasiertem Kolonkarzinom hat.

Bei maximaler Wirksamkeit die Toxizität einer Krebstherapie zu minimieren, müsse Ziel der Forschung sein. Da dürften geschlechtsspezifische Unterschiede nicht außer Acht gelassen werden, so die Forderung der Studienautoren. Sie schließen sich damit der Forschergruppe Özdemir et al. an, die es bereits im Jahr 2018 als notwendig erachtete, „das Geschlecht als unabhängigen Modulator von Wirksamkeit und Toxizität stärker zu berücksichtigen“.

Quelle: www.springermedizin.de

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