Jeder siebte Coronakranke mit Post-Covid-Syndrom

Bei etwa 14% aller Coronakranken in Bayern wird anschließend ein Post-Covid-Syndrom diagnostiziert, knapp 7% sind über zwei Quartale hinweg betroffen. Besonders oft gehen Personen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren mit Post-Covid-Beschwerden zum Arzt.

von verfasst von: Thomas Müller
08.11.2022

Mann stützt sich in der Küche ab
© Foto: © PIKSEL / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)
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Das Wichtigste in Kürze

Frage: Wie oft kommt es zu einem Post-Covid-Syndrom?

Antwort: Daten aus Bayern legen nahe, dass bei jedem Siebten Coronakranken im Laufe von zwei Jahren ein solches Syndrom diagnostiziert wird.

Bedeutung: Infolge der Pandemie ist mit einer deutlichen Belastung der Gesundheitssysteme durch Post-Covid-Kranke zu rechnen.

Einschränkung: Daten beruhen ausschließlich auf ärztlichen Diagnosen.

Viele Menschen klagen noch Wochen nach einer SARS-CoV-2-Infektion über Müdigkeit, Konzentrations- und Atemprobleme oder kognitive Störungen, aber nicht bei jedem sind die Beschwerden so ausgeprägt, dass sie den Alltag beeinträchtigen oder zu einem Arztbesuch führen. Relevant für das Gesundheitssystem wird Long-Covid aber spätestens dann, wenn Menschen deswegen medizinische Hilfe suchen. Wie oft das der Fall ist, lässt sich etwa anhand von Post-Covid-Diagnosen ablesen, die dann gestellt werden können, wenn die Beschwerden auch noch drei Monate nach der Infektion persistieren.

Eine Analyse der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) hat nun ergeben, dass jeder Siebte nach einer bestätigten Coronaerkrankung eine Post-Covid-Diagnose erhält. Die gute Nachricht: Nur die Hälfte der Betroffenen wird über zwei Quartale hinweg deswegen behandelt, die Symptomatik scheint mit der Zeit doch wieder deutlich zurückzugehen.

Für die Analyse hat ein Team um Ewan Donnachie von der KVB in München Daten aus dem Long-Covid-Netzwerk der KVB ausgewertet. Diese beruhen auf anonymisierten Versicherungsdaten sämtlicher gesetzlich Versicherter in Bayern. Die Forschenden um Donnachie konstruierten daraus drei verschiedene Kohorten: Personen mit einer PCR-bestätigten SARS-CoV-2-Infektion zwischen Januar 2020 und Juni 2021, Personen mit einer Atemwegserkrankung im selben Zeitraum, aber einem negativen PCR-Test sowie eine Kontrollgruppe aus Menschen ohne Covid-Verdacht, ohne PCR-Test und ohne folgende Post-Covid-Diagnose. Beteiligt waren an den drei Kohorten je 391.000, 63.000 und 660.000 Personen.

Das Team um Donnachie schaute zum einen nach Post-Covid-Diagnosen in der Covid-Gruppe, zum anderen nach dokumentierten typischen Long-Covid-Symptomen in allen drei Gruppen, basierend auf entsprechenden ICD-Codes. Berücksichtig hatte das Team eine Post-Covid-Diagnose nur, wenn sie mindestens zwölf Wochen nach der Infektion erfolgte, auch schloss es Covid-assoziiertes Symptome bei Personen aus, bei denen diese schon in den zwei Jahren vor Beginn der Pandemie diagnostiziert worden waren.

14,2% mit Post-Covid

Im Laufe einer Nachbeobachtungsdauer von bis zu zwei Jahren hatten Ärztinnen und Ärzte bei 14,2% der Covidkranken mindesten einmal Post-Covid diagnostiziert, rund halb so viele (6,7%) bekamen eine solche Diagnose über mindestens zwei Quartale hinweg. Da die kumulative Inzidenz mit jedem Quartal zunahm, ist mit einer weiteren Steigerung solcher Diagnosen in den kommenden Jahren zu rechnen.

Bezogen auf die einzelnen Post-Covid-Symptome gab es deutliche Unterschiede zwischen den Gruppen. So wurde eine Fatigue bei 13,2% der Long-Covid-Kranken in mindestens einem Quartal diagnostiziert, aber auch bei 9,2% derer mit anderen Atemwegsinfekten sowie bei 6,0% in der Kontrollgruppe. Ein chronisches Fatigue-Syndrom (CFS) stellten die Ärztinnen und Ärzte jeweils bei 1,6%, 0,6% und 0,3% fest, eine Dyspnoe bei 9,9%, 5,1% und 3,2%, psychische Störungen bei 14,8%, 12,9% und 9,4%, Geruchs- und Geschmacksstörungen bei 3,2%, 1,2% und 0,5%. Die Prävalenzen von Myalgien (rund 3%) und kognitiven Störungen (etwa 0,3%) unterschieden sich hingegen kaum, vor allem nicht zwischen Betroffenen mit Covid und mit anderen Atemwegsinfekten. Charakteristisch nach Covid scheinen daher vor allem Geschmacks- und Atemprobleme sowie ein CFS zu sein, alle anderen Beschwerden traten ebenfalls recht häufig bis ähnlich häufig nach anderen Atemwegserkrankungen auf.

Jeder Fünfte zwischen 40 und 60 Jahren betroffen

Ein Post-Covid-Syndrom wurde am häufigsten in der Altersgruppe der 40- bis 60-Jährigen diagnostiziert – hier war fast jede fünfte Person betroffen, dagegen lag der Anteil bei Kindern und Jugendlichen deutlich unter 10%. Eine Fatigue vermerkten die Ärztinnen und Ärzte besonders oft in der Altersgruppe zwischen 18 und 39 Jahren, Geruchs- und Geschmacksstörungen waren in den meisten Altersgruppen ähnlich häufig, auch ergab sich eine ähnliche Altersverteilung solcher Probleme in den Gruppen mit anderen Atemwegsinfekten und in der Kontrollgruppe, mit Ausnahme von CFS und Dyspnoe – hiervon waren in den Nicht-Covid-Gruppen vor allem Menschen über 60 Jahren betroffen.

Was lässt sich nun aus den Daten schließen? Zum einen haben Ärzte in Bayern recht regen Gebrauch von der neu eingeführten Post-Covid-Diagnose gemacht, zum anderen scheinen bestimmte Post-Covid-Symptome wie Dyspnoe, Geschmacksprobleme und Fatigue nach einer Coronaerkrankung deutlich häufiger aufzutreten als nach anderen Atemwegsinfekten, andere hingegen nicht. Ein Teil der Probleme dürfte daher unspezifisch von der Schwere der Erkrankung herrühren, welcher genau, lässt sich kaum sagen, da die Versicherungsdaten über den Schweregrad keine Angaben ermöglichen. Letztlich ist aber infolge der Pandemie mit einer deutlichen Belastung der Gesundheitssysteme durch Post-Covid-Kranke zu rechnen. Immerhin deuten die Resultate darauf, dass eine ärztliche Post-Covid-Behandlung meist nur über ein Quartal hinweg erfolgt. Welcher Anteil der Genesenen eine längere ärztliche Betreuung benötigt, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen.

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