Mehr desinfizieren als waschen!

Am 5.5. ist der internationale Tag des Händewaschens Wer in einem medizinischen Beruf arbeitet, lernt die strengen Regeln der Händehygiene schon in den ersten Ausbildungstagen kennen. Trotzdem können sich im Berufsalltag Nachlässigkeiten und Unklarheiten einschleichen - das betrifft übrigens nicht nur das medizinische Assistenzpersonal! Woran liegt das und wie lässt sich die Situation verbessern?

05.05.2022

eingeseifte Hände am Waschbecken
© Foto: Alexander Raths
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Mist, vergessen!

Menschen machen Fehler, und dazu gehört wohl auch, ab und zu etwas zu vergessen. Ohne die richtig ausgeführte Händedesinfektion fehlt allerdings eine wichtige Schutzmaßnahme - nicht nur für Patienten, sondern auch für sich selbst. Falls sich Nachlässigkeiten eingeschlichen haben, lohnt sich der Blick auf die Ursachen: Kennt wirklich jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO; www.rki.de) zur korrekten Durchführung der Händehygiene? Kann jeder den Unterschied zwischen hygienischer und chirurgischer Händedesinfektion beschreiben und erklären, wann welche Form nötig ist? Gibt es in der Praxis genügend Spender? Welche Rolle spielen Stress und Zeitnot?

Ist das wirklich so wichtig?

Möglicherweise ist nicht allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewusst, wie wichtig die Händehygiene auch in Zahnarztpraxen ist. In einer Kölner Radiologiepraxis infizierten sich im letzten Jahr vermutlich 28 Patienten mit Pseudomonas aeruginosa, auch ein Todesfall wird hiermit in Verbindung gebracht. So etwas möchte niemand erleben und niemand verantworten müssen. Es gibt viele gute Gründe dafür, dass die bekannten Hygienegrundsätze von KRINKO bis TRBA 250 auch für die Zahnarztpraxis gelten - ohne Ausnahme für alle in der Praxis!

Hat das rechtliche Folgen?

Meist wohl nicht, aber manchmal vielleicht! Nur mal angenommen, Herr Müller erkrankt nach dem Besuch in der Zahnarztpraxis. Es wird eine Infektion festgestellt und Herr Müller denkt, dass ein Hygienemangel in der Zahnarztpraxis die Ursache war. Er geht zum Anwalt, der spricht von der Möglichkeit eines groben Behandlungsfehlers.

Wenn Patienten einen Behandlungsfehler vermuten, müssen sie diesen grundsätzlich beweisen. Die Gerichte machen es dem Patienten allerdings leichter, wenn der einen Hygienemangel wahrgenommen hat. Hat Herr Müller beobachtet, dass jemand im Behandlungsraum telefoniert und anschließend assistiert hat, ohne die Handschuhe zu wechseln? Oder dass eine Händedesinfektion nicht stattgefunden hat? Hat er lange oder lackierte Fingernägel gesehen? In solchen Fällen könnte es sein, dass vor Gericht die Beweislast ganz auf den Behandler übergeht. Der Zahnarzt muss dann beweisen, dass er und sein Team Herrn Müllers Infektion nicht verursacht haben. Das kann für alle Beteiligten richtig unangenehm werden.

Schöne Nägel?

Lange Fingernägel gelten als Schönheitsideal. Mitarbeiterinnen einer Zahnarztpraxis mit Patientenkontakt müssen allerdings darauf verzichten. "Nicht länger als die Fingerkuppen" lautet die Regel. Unter den Fingernägeln sammeln sich Keime. Nagellack und Gelnägel behindern die Sichtbeurteilung der Nägel, die Bakteriendichte auf künstlichen Nägeln ist höher, die Händehygiene wird weniger gut durchgeführt und die Perforationsgefahr für Einmalhandschuhe ist höher. Das alles ist seit Jahren bekannt, die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) und die arbeitsrechtlichen Vorschriften sind klar - nur die Realität sieht manchmal anders aus.

Im letzten Jahr ging ein Gerichtsurteil durch die Presse. Geklagt hatte eine Altenheimmitarbeiterin, die sich das Tragen von Gelnägeln nicht verbieten lassen wollte. Sie argumentierte mit einer Einschränkung des Persönlichkeitsrechts. Die Richter entschieden allerdings für den Arbeitgeber. Sie fanden das Interesse der Angestellten an der freien Gestaltung ihres äußeren Erscheinungsbilds weniger wichtig als den Schutz des körperlichen Wohlbefindens der Bewohner (Urt. v. 21.02.2019, Az. 1 Ca 1909/18). Dabei berief sich das Gericht auch auf die RKI-Empfehlungen.

Immer mehr Menschen interessieren sich für das Thema Hygiene, nicht zuletzt wegen Medienberichten. Ganz sicher erinnern sich manche auch an das Urteil zu den Gelnägeln. Das könnte auch in den Praxen für Ärger sorgen, in denen die Gelnägel bisher stillschweigend geduldet wurden. Will man darauf warten, dass ein besonders kritischer Patient in einem Bewertungsportal einen saftigen Kommentar über angebliche Hygienemängel schreibt?

Wie meine Hände aussehen!

Es kommt leider nur allzu häufig vor, dass die Hände nach der Nutzung des Händedesinfektionsmittels brennen. Wenn das der Fall ist, muss man handeln - nicht nur, um die eigene Haut wieder in Ordnung zu bekommen. Gereizte Haut ist nur schwer zu desinfizieren, ihre mikrobielle Besiedlung ist höher.

Häufigste Ursache ist nicht das Desinfektionsmittel, sondern das häufige Waschen der Hände. Die RKI-Experten empfehlen, die Hände nur bei wirklichen Verschmutzungen zu waschen. Ansonsten ist die Händedesinfektion die richtige Maßnahme. Handschuhe sollten nicht zu lange getragen werden, die Haut sollten Sie unbedingt schützen und pflegen.

Tipps gegen das Vergessen

  • Händehygiene ist ein Teamthema! Keine Vorwürfe, keine Angriffe. Aber allen sollte die Wichtigkeit des Themas bewusst sein.
  • Wissen auffrischen: Wann muss eine Händedesinfektion sein, wie wird sie durchgeführt?
  • Suchen Sie im Team nach typischen Fehlerquellen! Gibt es Nachlässigkeiten, Zeitdruck, Wissenslücken?
  • Emoticons am Spender und eine Sanduhr sollen wirksam erinnern. Ausprobieren!
  • Starten Sie einen Wettbewerb: "Was können wir konkret verändern, um die Händehygiene zu verbessern?" Der beste Tipp bekommt natürlich einen Preis!
  • Seien Sie stolz auf das Erreichte! So stolz, dass Sie es weitererzählen, zum Beispiel auf der Praxis-Website.

So desinfizieren Sie Ihre Hände richtig

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