Was hab ich?-Patientenbrief wird von Fachärzten getestet

Der Gewinn des MSD Gesundheitspreises ist für die Befunddolmetscher der „Was hab‘ ich?“ gGmbH Ansporn, das Projekt weiter zu entwickeln. Der preisgekrönte Patientenbrief ist auch für niedergelassene Ärzte gedacht.

von Von Sybille Cornell
06.10.2020

Auswählbare Schaltflächen bestimmen den Inhalt des Patientenbriefs.
© Foto: Washabich? gGmbH
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Durch leicht verständliche Gesundheitsinformationen die Arzt- und Patientenkommunikation auf Augenhöhe zu etablieren, ist das erklärte Ziel der Dresdner Was hab’ ich? gGmbH. Der Patientenbrief des gemeinnützigen Unternehmens hat beim diesjährigen MSD Gesundheitspreis den ersten Platz belegt.

Das jüngste Projekt der Patienten-Versteher aus Sachsen ist der Patientenbrief für die Facharztpraxis. Im Moment seien bereits Prototypen der Patientenbrief-Software für erste Anwendungsfelder in Kooperation mit einzelnen Praxen/Ambulanzen im Einsatz, so Beatrice Brülke, Kommunikationswissenschaftlerin der Was hab’ ich? gGmbH.

So werde aktuell in einer HNO-Praxis der Patientenbrief für einen Hörsturz, in einer gynäkologischen Praxis der Patientenbrief für Myome und in einer Sportklinik der Patientenbrief für einen Kreuzbandriss getestet. Ziel sei es, dass der Facharzt mit möglichst wenigen Mausklicks aus den gespeicherten Textbausteinen einen allgemein verständlichen Patientenbrief zusammenstellen kann.

Mehr als eine Broschüre

Dr. Richard Kirchmair, der eine HNO-Praxis in Augsburg betreibt, ist mit Engagement bei der Entwicklung der Patientenbriefe für die HNO-Praxis dabei. Im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ sagt Kirchmair, er habe es schon oft erlebt, dass ein Patient bereits kurz nach dem Verlassen des Arztzimmers das Praxisteam gefragt habe: „Was hat der Arzt nun eigentlich gemeint?“

Der Patientenbrief sei nicht nur eine allgemein gehaltene Broschüre, zum Beispiel zum Hörsturz, wie es sie sonst gebe, sondern ein individualisierter Brief. Hier stehe detailliert, auf welchem Ohr welche Hörleistung noch vorhanden ist, was zum Beispiel der Einsatz von Cortison bewirken soll und warum es in diesem speziellen Fall empfohlen wird. Es werde auch beschrieben, welche Maßnahmen der Patient selbst vornehmen kann, um ein Rezidiv zu vermeiden.

Dies verbessere die Adhärenz auch nach dem Praxisaufenthalt, da der Patient noch am nächsten Tag die Informationen nachlesen oder auch das Dokument Angehörigen zur Kenntnis geben könne. Wie Kirchmair ankündigt, werde er mit der Was hab’ ich? gGmbH weitere Softwaremodule für chronische Erkrankungen wie Asthma oder Allergien entwickeln.

Kommunikationswissenschaftlerin Brülke bestätigt, dass die Entwicklung der nächsten Module gemeinsam mit Praxispartnern geplant sei. Hierzu würden noch Fachärzte anderer Fachgebiete gesucht. Wichtig sei jedoch, dass wie die bereits evaluierten Patientenbriefe bei Entlassung aus einer Klinik auch die Patientenbriefe vom Facharzt in einer Studie untersucht würden.

Was hab ich? gGmbH

  • Gründung: 2011
  • Mitarbeiter: 5
  • Ehrenamtlich mithelfende Mediziner: ca. 170
  • Finanzierung: Durch Spenden, Fördermittel sowie Projekte ohne Gewinnerzielungsabsicht

Mehr Informationen finden Sie unter: www.washabich.de

Hierfür fehle es aktuell noch an der Finanzierung. Das Unternehmen ist als gemeinnützige GmbH vor allem auf Spenden angewiesen. Für die Entwicklung des Patientenbriefs erhielt es Fördermittel aus dem Innovationsfonds. Zusätzlich hat es für einzelne Projekte in Zusammenarbeit mit der Stiftung Gesundheitswissen Gelder erhalten.

Fremdsprachige Informationen geplant

Das Projekt hat 2011 als Studenteninitiative mit der Übersetzung fachsprachlicher Befunde für Patienten in allgemein verständliche Sprache begonnen; Hilfe erhielt es von ehrenamtlich tätigen Ärzten. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen bereits rund 45.500 fachärztlich formulierte Befunde in eine für Patienten verständliche Sprache übersetzt.

Aus eigener Entwicklung stammt eine Software, die aus den Angaben eines Arztbriefes in Textbausteinen automatisiert allgemein verständliche Patientenbriefe erstellt. Die Anwendbarkeit für Klinik-Entlassbriefe wurde bereits getestet und evaluiert. 2019 ergab eine Studie des Instituts für Allgemeinmedizin der TU Dresden in Kooperation mit dem Krankenhaus Bad Ems einen nachweislich positiven Einfluss auf die Informiertheit des Patienten und die daraus folgende verbesserte Adhärenz.

Im Einzelnen wird im Patientenbrief bei einer Schulterverletzung beispielsweise die Untersuchung per Kernspintomografie folgendermaßen erklärt: „Die Kernspintomografie ist eine Untersuchung, bei der scheibenförmige Bilder vom Körper gemacht werden. Die Untersuchung beruht auf Magnetismus. Ein anderes Wort für Kernspintomografie ist MRT.“

Der Aufbau der Schulter wird durch ein Skelett-Foto ergänzt. Aus der im Arztbrief formulierten Diagnose „Corticale Imprimierung des Humeruskopfes an der ventralen Zirkumferenz“ wird in dem in verständliche Sprache übersetzten Patientenbrief: „Vorn an Ihrem Oberarmkopf ist die äußere harte Schicht des Knochens eingedrückt.“

Das Dresdner Start-up hat weitergehende Pläne für die ambulante Medizin: Neben der Ausweitung auf zusätzliche Facharztgruppen und Hausärzte sollen die Übersetzungen auch in weitere Sprachen erfolgen, sodass zum Beispiel Personen mit Migrationshintergrund in ihrer Muttersprache verständliche Patientenbriefe erhalten können.

Quelle: www.aerztezeitung.de

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