Geburtseinleitung – ein heikles Thema der obstetrischen Medizin

Die Einleitung einer Geburt ist nicht nur in geburtshilflicher Hinsicht ein komplexes Feld, auch juristisch liegen hier einige Stolpersteine auf dem Weg. Entsprechend gut besucht war eine Sitzung zu diesem Thema auf dem 64. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe.

von von: Robert Bublak
25.11.2022

schwangere Frau mit Hand auf dem Bauch - soft
© Foto: D.aniel / stock.adobe.com
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Gut jede fünfte Geburt wird aktiv eingeleitet, von den im vergangenen Jahr in Deutschland gezählten etwa 800.000 Geburten wären demnach 160.000 davon betroffen gewesen. Das ist keine kleine Zahl, und auch eine wissenschaftliche Sitzung zu diesem Thema auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) fand nicht wenige Interessenten.

Der Hinweis, wonach jede eingeleitete Geburt eine Risikogeburt sei, stammte von Professor Harald Abele, Universitätsfrauenklinik Tübingen. Das Risiko ist auch ein juristisches, dieser Hinweis kam wiederholt aus dem Auditorium. Manche medikamentösen Verfahren zur Einleitung einer Geburt bergen Risiken durch Überstimulation, Wehensturm und Rupturen des Uterus. Heikel ist besonders der Off-Label-Gebrauch; die Aufregung um den Einsatz von nicht zugelassenem Misoprostol vor gut zwei Jahren ist noch in unguter Erinnerung.

Eine Alternative bieten mechanische Verfahren zur Einleitung, etwa mittels eines Ballonkatheters. In jedem Fall aber, so ein Rat, solle man sich von der Schwangeren wiederholt versichern lassen, auf eine Sectio verzichten zu wollen und eine Einleitung zur Spontangeburt zu wünschen – und dies auch dokumentieren.

„Wir wissen, dass es zwischen der 39. und 41. Woche spontan geborenen Kindern am besten geht“, sagte Professor Frank Reister von der Universitätsfrauenklinik Ulm. Dennoch sei das ein Zeitraum von zwei Wochen, in dem eine Menge passieren könne: „Intrauteriner Fruchttod, das Kind wird größer und größer, etwa weil wir den Diabetes nicht erkannt haben, Gefahr der Schulterdystokie und alle möglichen unappetitlichen Sachen.“ Sollte man also ab der 39. Woche die Geburt einleiten?

Reister verwies auf die ARRIVE-Studie, die genau diesen Schluss gezogen hat (Grobmann WA. N Engl J Med 2018; 379:513–523). Zwar kam es dort nicht zu signifikant weniger unerwünschten perinatalen Ereignissen als unter abwartendem Vorgehen. Doch der Anteil der Kaiserschnitte war geringer. Das Resultat ist freilich umstritten, worauf auch Reister abhob. Es habe sich bei den schwangeren Teilnehmerinnen der ARRIVE-Studie nicht um eine Low-Risk-Population gehandelt, die Ergebnisse seien auf hiesige Verhältnisse nicht ohne Weiteres übertragbar. „Eine Routineeinleitung ab der 39. Woche ist aus meiner Sicht nicht sinnvoll“, so Reister. Bei Risiken sehe es anders aus, da werde die Sache komplexer.

Wichtig und hilfreich bei Terminüberschreitung sei sonografisch gestütztes Monitoring, um intrauterinen Fruchttod zu verhindern. Reisters Fazit zur Geburtseinleitung: „Am besten, man kommt ohne durch.“ Widerspruch war hier nicht zu vernehmen.

Quelle: SpringerMedizin.de

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