Was Lachgas mit dem Körper macht

Parästhesien und Lähmungen – immer öfter berichten Ärzte über neurologische Schäden durch die Partydroge Lachgas. Der chronische Missbrauch führt mitunter zur Polyneuropathie und Rückenmarksdegeneration.

von Von Thomas Müller
05.07.2020

Lachgaskartuschen und leere Ballons: Aufgrund seiner leichten Verfügbarkeit erfreut sich Lachgas als Partydroge großer Beliebtheit.
© Foto: Teresa Dapp / dpa / picture alliance
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Wenn Straßenhändler in Amsterdam bunte Luftballons verkaufen, wollen sie nicht unbedingt Kinder damit beglücken, sondern Jugendliche und junge Erwachsen auf der Suche nach einem schnellen Rausch. Die Luft in solchen Ballons besteht aus Distickstoffoxid (N20), besser bekannt als Lachgas, und kann inhaliert euphorische Zustände erzeugen, wenn auch nur für wenige Minuten. Konsumenten beschreiben ein Kribbeln im ganzen Körper sowie verstärkte Sinneseindrücke, manche fühlen sich benebelt oder in einer Art Trance. Da die Wirkung nicht lange anhält, werden auf Partys nicht selten bis zu hundert Lachgasballons inhaliert.

In den Niederlanden ist Lachgas nach Cannabis und Ecstasy inzwischen die am häufigsten konsumierte Droge bei jungen Menschen, erläutert Dr. Anne Bruijnes vom Zuyderland Medisch Centrum in Heerlen in den Niederlanden. Lachgas lässt sich recht einfach und billig besorgen – etwa aus Kartuschen für Sahnespender. Ganz neu ist die Droge hingegen nicht: Schon im 19. Jahrhundert hat es Lachgaspartys gegeben.

Alles andere als harmlos

Der chronische Konsum ist jedoch alles andere als harmlos. „In unserer neurologischen Abteilung sehen wir immer mehr Patienten mit neurologischen Problemen durch den Freizeitkonsum von Lachgas“, erläuterte Bruijnes beim Kongress der europäischen Neurologengesellschaft EAN, der in diesem Jahr aufgrund der Coronapandemie virtuell stattfindet. Den ersten Patienten hatten die Ärzte um Bruijnes vor drei Jahren behandelt, inzwischen konnten sie zu über einem Dutzend Lachgasgeschädigter Erfahrungen sammeln und retrospektiv auswerten.

Beim Kongress erläuterte die Ärztin klinische Merkmale und Verlauf bei 13 Lachgaskonsumenten, die in ihrem Zentrum zwischen 2017 und 2019 notfallmäßig aufgrund von neurologischen Symptomen behandelt worden waren. Im Schnitt waren die Betroffenen 21 Jahre alt und kamen aufgrund von Parästhesien oder einer Beinschwäche in die Klinik.

Bei acht Patienten diagnostizierten die Ärzte eine axonale Polyneuropathie, zwei zeigten Hinweise auf eine Rückenmarksdegeneration – etwa ein für Lachgasschäden typisches hyperintenses MRT-Signal im dorsalen Bereich des Rückenmarks (inverses V-Zeichen). Drei Patienten wiesen sowohl Merkmale einer Polyneuropathie als auch einer Rückenmarksdegeneration auf, die meisten hatten wie erwartet einen Vitamin-B12-Mangel sowie erhöhte Serumwerte für Methylmalonsäure. Zur Therapie verabreichten die Ärzte Vitamin B12. In der Regel erholten sich die Patienten wieder sehr gut, drei hatten jedoch deutliche Probleme bei Alltagsaktivitäten und benötigten eine Reha, sagte Bruijnes.

Störung im B12-Stoffwechsel

Erklärt werden die toxischen Effekte mit einer Störung des Vitamin-B12-Stoffwechsels. Lachgas oxidiert das Vitamin und blockiert die Umwandlung von Homocystein in Methionin, welches wiederum zur Myelinbildung nötig ist. Als Folge kann es zu Demyelinisierungen und damit zu Polyneuropathien und Lähmungen kommen.

Einige der Lachgaskonsumenten hatten behauptet, sie hätten die Droge schon mehrere Wochen vor Beginn der Symptome nicht mehr konsumiert. Dies deute auf eine verzögerte Entwicklung der Neuropathie. Allerdings seien solche Aussagen mit Vorsicht zu betrachten, da nicht alle ehrlich ihren Konsum benennen, so Bruijnes.

Die Ärztin geht davon aus, dass die Dunkelziffer von Patienten mit lachgasbedingten Neuropathien recht hoch ist, da viele sich nicht trauten, aufgrund ihrer drogeninduzierten Probleme zu einem Arzt zu gehen.

Quelle: www.aerztezeitung.de

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