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Fortbildung: Abformung und Modellerstellung

Auch wenn digitale Abformung in der Zahnarztpraxis immer mehr in den Fokus rückt, stellt die konventionelle Vorgehensweise mit Abformmittelträgern und Abformmaterialien die häufigste Methode für die Modellerstellung dar. In unser Fortbildung gehen wir den einzelnen Arbeitsschritten für die ZFA auf den Grund.

von OA Dr. med. dent. Wolfgang B. Hannak, Leiter der Vorklinik des CharitéCentrums 3 für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Berlin Qualifiziert fortgebildeter Spezialist für Prothetik der DGPro, Charité - Universitätsmedizin Berlin
07.02.2022

Frau beim Zahnarzt, bei der ein Gebissabdruck genommen wird.
© Foto: Viacheslav Lakobchuk / stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodell)
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Wenn auch die digitale Abformung mithilfe von Scannern immer mehr beworben und in den Fokus gerückt wird, stellt die konventionelle Vorgehensweise mit Abformmittelträgern und Abformmaterialien noch immer die häufigste Methode in der Zahnarztpraxis zum Informationstransfer und als zahntechnische Arbeitsgrundlage für die Modellerstellung dar. Dies spielt natürlich auch eine wichtige Rolle für die Assistenz, sowohl bei der Erstellung von Präzisionsabformungen für festsitzenden, herausnehmbaren, kombinierten und auch implantatgetragenen Zahnersatz als auch bei Situationsabformungen, beispielsweise für die Schienenherstellung. Damit die Assistenz im Praxislabor Aufbissbehelfe anfertigen kann, sind sowohl eine korrekte Abformung als auch eine Modellherstellung Voraussetzung. Daher sollen im Folgenden u. a. diese Arbeitsschritte näher beleuchtet werden.

Nach der Indikationsstellung erfolgt die Auswahl des geeigneten Abformmittelträgers. Dieser ist prinzipiell notwendig, da alle Abformmaterialien über eine Eigenelastizität verfügen und ohne Abformmittelträger und exakte Haftung klinisch relevante Verformungen aufweisen würden. Es sollte ein verwindungsstabiler, metallischer Löffel sein. Hauptkriterium für die Wahl sollte eine Mindestschichtstärke des Abformmaterials von ca. 2 mm zirkulär um das abzuformende Gebiet, in der Regel die Zahnreihe, sein. Damit soll gewährleistet werden, dass bei der Entnahme des Löffels aus der Mundhöhle kein Abformmaterial abreißt und die Rückstelloptionen gegeben sind. Sollten ausgeprägte unter sich gehende Stellen vorliegen, z. B. eine Kippung von Zähnen, sind stärkere Schichtdicken bis zu 4 mm indiziert. Es empfehlen sich Rim-Lock-Löffel, aufgrund ihres stabilen Designs und ihrer zirkulären Unterschnitte, die eine optimale mechanische Retention und damit optimale Haftvermittlung gewährleisten. Dennoch ist der Einsatz von chemischen Haftvermittlern (Adhäsiven) notwendig, um ein Lösen des Abformmaterials, besonders von den Glattflächen des Löffels, zu verhindern. Wichtig ist der Einsatz des vorgeschriebenen Adhäsivs zum passenden Abformmaterial, z. B. eines Alginatadhäsivs für Alginatabformungen, da die Materialien chemisch aufeinander abgestimmt sind. Entsprechend sind sogenannte Universaladhäsive bei genauer Betrachtung meist universal für kondensationsvernetzende Silikone und nur für diese anzuwenden, nicht z. B. für Polyetherabformungen. Falsch angewendet führt dies meist zum gegenteiligen Effekt, nämlich dem leichteren Ablösen des Abformmaterials vom Träger.

Tipp: Je dünner und trockener das spezifische Adhäsiv aufgetragen wird, desto besser ist die Haftvermittlung. Sinnvoll ist ein Dämmen der Löffel im dorsalen Bereich sowie

Anbringen von Stopps im Molaren- und Frontbereich, um ein "Durchdrücken" zu vermeiden und eine gleichmäßige Schichtdicke des Abformmaterials zu erreichen. Dies gelingt leicht, z. B. mit Boxing-Wachs.Als Abformmaterial eignet sich Alginat, sofern eine zeitnahe Modellerstellung gewährleistet ist, möglichst in den folgenden 20-30 min. Dabei ist besonderes Augenmerk auf die Darstellung der Okklusalflächen und Zahnreihen zu legen. Nach korrekter Dosierung des Alginats und Nutzung der dem Material beigefügten Dosierhilfen für Pulver und Flüssigkeit (Wasser) sollte ein lufteinschlussfreies Anmischen erfolgen. Der Einsatz von Mischautomaten erleichtert diesen Schritt erheblich. Da besondere Anforderungen an die Genauigkeit der Okklusalflächen gelegt werden, empfiehlt sich ein Vorlegen von Alginat auf die Kauflächen, um Lufteinschlüsse zu minimieren. Dies geht am einfachsten, indem Alginat z. B. auf den Zeigefinger genommen und auf dem Höcker-Fissuren-Relief ausgestrichen wird. Bei diesem Vorgehen verbietet sich das Glattstreichen des Alginats mithilfe von Wasser auf der Löffeloberfläche, da sich das Löffelalginat nicht mit dem Vorgelegten verbinden würde.

Nach Entfernen des Löffels aus dem Mund, Abspülen und Desinfektion sollte zeitnah die Modellerstellung erfolgen. Sollte dies nicht gewährleistet sein, ist eine feuchte - nicht nasse, da das Alginat nicht nur schrumpfen, sondern auch quellen kann -, kurzfristige Lagerung des Abformergebnisses empfehlenswert. Eine Lagerung im Kühlschrank hat keine Vorteile.

Tipp: Am sichersten ist eine Aufbewahrung im Hygrophor, wie sie von einigen Laboratorien angeboten wird. Dabei befindet sich der Löffel in einer Box mit definierter Luftfeuchtigkeit, um eine Formveränderung zu minimieren. Ähnlich werden Zigarren in einem Humidor aufbewahrt, um ein Austrocknen des Tabaks bei definierter Umgebungsluftfeuchtigkeit zu verhindern.

Auch schwerfließende oder knetbare Silikone haben ihre Indikation

Eine weitere Alternative als Abformmaterial ist knetbares oder schwerfließendes Silikon. Bei der Auswahl des Abformlöffels gelten hier die gleichen Voraussetzungen wie bei Anwendung des Alginats. Auch die Vorbereitung des Löffels ist identisch, jedoch mit entsprechendem Adhäsiv. Ein okklusales Vorlegen ist nicht zu empfehlen, da häufig Verzerrungen die Folge sind. Da die Silikone eine deutlich längere Formstabilität aufweisen, ist deren zeitnahes Ausgießen nicht notwendig. Im Gegenteil!

Tipp: Um die Rückstellkräfte des Materials zu gewährleisten, sollte eine Silikonabformung vor der Weiterverarbeitung in Abhängigkeit von den abgeformten Unterschnitten ca. 45-60 min gelagert werden, damit die bei der Entnahme der Abformung aus der Mundhöhle auftretenden Aufdehnungen ausgeglichen werden können.

Eine gezielte Modellerstellung setzt Hilfsmittel voraus

Zur Erstellung des Modells, das üblicherweise aus Gips gefertigt wird, sind Messbecher, Waage, Anmischbehelfe und ein Rüttler notwendig. Wünschenswert sind Sockelformer und Gipstrimmer und eventuell ein maschinelles Anrührgerät, hilfsweise unter Vakuum.

Die Alginatabformungen sollten nach Desinfektion ausgespült und leicht mit Wasser benetzt sein. Dies hat eine günstigere Oberflächenspannung zur Minimierung von Lufteinschlüssen zur Folge. Als Erstes wird der Gips angemischt. Vorzugsweise kommen Hartgipse der Klasse 3 zur Anwendung. Synthetische, extraharte Gipse der Klasse 4 können eine Alternative darstellen. Dazu ist ein Anmischbecher notwendig (kostengünstig im Baumarkt zu erwerben). Zuerst wird Wasser, möglichst raumtemperiert, in den Becher gegeben.

Das Mischverhältnis Wasser zu Gips sollte ca. 1:3 betragen. Für ein Situationsmodell haben sich 70 ml Wasser und 210 g Hartgips bewährt. Warmes Wasser beschleunigt den Abbindevorgang, kaltes Wasser verzögert ihn. Darauf folgt die Zugabe des Gipspulvers. Es schließt sich eine ca. 30-sekündige "Sumpfzeit" des Gipses an, in der dem Gipspulver Zeit zur Aufnahme des Wassers gegeben wird.

Nach dem Mischen, wobei Lufteinschlüsse zu vermeiden sind, z. B. durch homogenes Ausstreichen des Gipses an den Innenwandungen des Anmischbechers, wird auf dem Rüttler der Gipsbrei in sahniger Konsistenz in die Abformung gefüllt. Dabei sind erneut Lufteinschlüsse durch gezieltes Einfüllen und gezielten Einsatz des Rüttlers zu vermeiden. An einer Stelle mit dem Befüllen beginnen und kontinuierlich Gips in kleinen Mengen hinzufügen bis der Zahnkranz gefüllt ist. Es folgt das Sockeln des Modells. Dazu sind Sockelformer, unterschiedlich für Ober- und Unterkiefer, hilfreich, jedoch nicht zwingend notwendig. Es sollte darauf geachtet werden, dass die Löffelränder nicht im Gips versinken, da eine zerstörungsfreie Entformung behindert oder gar unmöglich wird.

Tipp: Sobald der Gips nicht mehr fließfähig ist, sollte der Löffel gedreht und nach unten positioniert werden, damit sich die härtesten Gipsanteile nach Aushärtung auf den Okklusalflächen befinden.

Sollte ein zeitnahes Entformen nicht möglich sein, empfiehlt sich das Feuchthalten des Gips/Alginat-Verbunds, um das Alginat länger flexibel zu halten und die Gefahr des Abbrechens, z. B. von Zähnen, bei der Entformung zu minimieren. Anschließend kann das Modell mithilfe von Gipstrimmern in eine geeignete Form gebracht werden.

Silikonabformungen sollten ebenfalls bei der Modellerstellung zur besseren Benetzbarkeit vorbereitet werden

Beim Einsatz von Silikonen als Abformmaterial gilt prinzipiell das gleiche Vorgehen wie bei den Alginaten: Löffelauswahl, Vorbereitung des Löffels. Unterschiedlich ist, dass vor Ausgießen des Abdrucks die Silikonoberfläche "entspannt" werden sollte, um eine bessere Benetzbarkeit und damit eine Minimierung von Lufteinschlüssen zu erreichen. Es empfiehlt sich z. B. der Einsatz von Waxit®, das mit der gleichen Zielsetzung auch zur Oberflächenentspannung von Wachsobjekten verwendet wird. Die bis hierher beschriebenen Arbeitsabläufe können zahnmedizinischen Fachangestellten übertragen werden.

Assistenz bei Präzisionsabformungen

Bei der Assistenz von Präzisionsabformungen gilt für die Auswahl und Vorbereitung der Abformmittelträger das oben Dargestellte. Besonders bei Abformungen für implantatgetragenen - und kombinierten - Zahnersatz werden individuelle Löffel aus Kunststoff (Autopolymerisat) mit Platzhalter bevorzugt. Auch bei diesen Löffeln ist der Einsatz von materialspezifischen Adhäsiven notwendig. Als Abformmaterialien dienen Silikone, additions- oder kondensationsvernetzend, in unterschiedlichen Konsistenzen sowie Polyether. Abformtechniken können die einzeitig-einphasige oder auch die einzeitig-zweiphasige Doppelmischtechnik sein. Auch die zweizeitig-zweiphasige Korrekturabfomung kann zum Einsatz kommen.

Bei der einzeitig-einphasigen Abformtechnik kommt in der Regel ein Polyether, Typ Impregum, zum Einsatz. Aufgrund der angebotenen Geräte, z. B. Penta-Mix, ist die manuelle Anmischung Historie. Diese Mischgeräte gewährleisten optimale Mischungsverhältnisse und sind zudem, aufgrund minimaler Materialverschwendung, wirtschaftlich.

Bei einzeitig-zweiphasiger Technik (Doppelmischtechnik) sind Polyether mit individuellem Löffel oder zwei Silikone unterschiedlicher Konsistenz, knetbar oder schwerfließend als Löffelmaterial im konfektionierten Löffel und dünnfließend zur Applikation in der Mundhöhle, indiziert. Die Silikone werden ebenfalls mit Dosier- und Applikationshilfen angeboten. Auch hier ist die, noch immer mögliche, manuelle Anmischung Historie. Bei der zweizeitig-zweiphasigen Korrekturabformtechnik kommen primär für die Erstabformung knetbare oder schwerfließende Silikone und für die folgende Zweitabformung/Korrekturabformung ein dünnfließendes Silikon gleicher Basis zur Anwendung. Es werden meist additionsvernetzende Silikone bevorzugt, da diese aufgrund ihres Abbindeverhaltens (Polyaddition) mittelund langfristig formstabiler bzw. genauer sind. Die einzelnen Abläufe und die Übernahme der spezifischen Aufgaben sind zwischen Behandler und Assistenz abzustimmen. Da bei den genannten Abformtechniken, außer den Implantatabformungen, in der Regel präparierte Zahnstümpfe abgebildet werden sollen, ist auf die Freilegung der Präparationsgrenzen besonderer Wert zu legen. Dazu werden in der Regel Retraktionsfäden, -ringe oder -pasten eingesetzt. Um ein möglichst trockenes Abformgebiet zu schaffen, sind besonders den Retraktionsfäden häufig Substanzen zugesetzt. Daher weisen diese Hilfsmittel auch Verfallsdaten auf!

Tipp: Auch bei Retraktionshilfen und Abformmaterialien auf das Verfallsdatum achten!

Die zugesetzten Substanzen sollen häufig blutstillend wirken, sodass die Fäden bereits herstellerseits mit Adrenalin oder dessen synthetischen Varianten, z. B. Epinephrinhydrochlorid, getränkt sind. Besonders wichtig ist dies im Falle eines Einsatzes bei Patienten mit auffälliger kardialer Anamnese (cave!). Zudem sollte auf zusätzliches Tränken dieser Fäden in Hormonflüssigkeiten verzichtet werden! Alternativ sind Dentalharze und/oder Aluminiumchloridzusätze zu bevorzugen, da diese nahezu nebenwirkungsfrei sind.

good to know---

Alginate sind bei der Weiterverarbeitung für Situationsmodelle und zur Schienenherstellung in der Praxis das Mittel der Wahl

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