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Korrekte Aufbereitung der Instrumente

Hygienemanagement. Es gibt einige Tätigkeiten, die in vielen Zahnarztpraxen immer noch alltäglich Zeit rauben. Und manche davon sollten eigentlich nicht mehr ausgeführt werden, da sie entweder gar nicht gefordert sind oder hinsichtlich Kosten-Nutzen-Relation negativ abschneiden.

von Viola Milde | VMH Hygieneberatung | Milde@VMH-Hamburg.de
02.03.2023

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© Foto: MODANO / Stock.adobe.com
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Richtlinien, Gesetze, Leitlinien, Zeitdruck, hohe Verantwortung, Stress . eigentlich passt das alles nicht zusammen und sehr häufig führt diese Schere der Anforderungen zu Resignation oder einer "Ich-machs-halt-so-gut-es-geht"-Aufbereitung. Nicht selten finde ich in den Praxen, die ich vor Ort unterstütze Arbeitsabläufe vor, die in einigen Punkten zu aufwendig und zeitraubend sind. Gibt es Tipps, die dabei helfen, den Dschungel der To-dos zu lichten oder alte Zöpfe zu hinterfragen und abzuschneiden? Natürlich gibt es die! Vielleicht ist auch etwas für Sie dabei, was Ihnen den Arbeitsalltag bezüglich des Hygienemanagements erleichtert.

In jeder Zahnarztpraxis gibt es tagtäglich viele Handgriffe zu tun. Es lohnt sich, diese regelmäßig zu überprüfen - auch hinsichtlich der Hygienevorschriften. Lassen Sie sich gegebenenfalls direkt in Ihrer Praxis unterstützen. Beleuchten Sie Ihre Arbeitsabläufe und die räumliche Aufteilung und Ausstattung sowie die Schubladen mit "Behördenblick" intern. Damit Sie zu optimierende Dinge rechtzeitig angehen oder aber unnötige Arbeitsabläufe rechtssicher als solche identifizieren und abschalten können. Dafür müssen Sie nicht bis zu einer Hygienebegehung warten.

Unnötige Arbeitsschritte, die in vielen Praxen Zeit und Geld kosten:

Semikritische Medizinprodukte nach dem validierten Reinigungs- und Desinfektionsgeräte(RDG)-Verfahren pauschal noch unverpackt sterilisieren

Wenn das RGD-Verfahren in der Praxis noch regelmäßig durchgeführt wird, zeigt es, dass die Effektivität des RDG nicht verstanden wurde. Bei einem A0-Wert von 3000 nach dem RDG-Verfahren sind keine Keime des vorherigen Patienten mehr am Instrument, da eine thermische Desinfektion bei mindestens 90°C und einer Haltezeit von 5 Minuten durchgeführt wurde. Dabei werden die thermolabilen-, sowie thermostabilen Erreger abgetötet. Deshalb ist eine unverpackte Sterilisation nicht mehr notwendig. Die unnötige erneute thermische Desinfektion (unverpackte Sterilisation) wird im Falle einer behördlichen Begehung manchmal als mangelnde Sachkenntnis bewertet. Letztendlich sind diese Schritte kostenintensiv, und zwar in puncto Personalzeit und Häufigkeit der Gerätedurchläufe. Hierauf also unbedingt achten und bei Bedarf die Abläufe anpassen.

Unsterile Tupfer selbst verpacken und sterilisieren

Die Gesamtkosten der Sterilisation unsteriler Tupfer inkl. Verpackungsmaterial und Personalzeit sind um einiges kostenintensiver als fertig sterilisierte Tupfer in 2er- oder 3er-Packungen.

Das Sterilisieren von Tupfern in der Praxis muss bei der Validierung, überprüft und genehmigt werden, da es bei der Dampfsterilisation von Weichmaterial zu verbleibender Restfeuchte am Tupfer bzw. an der Verpackung kommen kann, was die Sterilbarrierefunktion der Verpackung gefährdet.

Zeit- und Kostenfallen vermeiden

Ablage kontaminierter Instrumente in einer Reinigungsdesinfektionslösung

Die Ablage kontaminierter Instrumente im Behandlungszimmer vor der Reinigung/Desinfektion im validierten RDG sollte trocken erfolgen. Eine Nassablage wird durch die Richtlinie "Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten" des Robert Koch-Instituts (RKI) von 2012 nicht gefordert.

Die Hersteller der RDG empfehlen die Trockenablage, um ungewollte Reaktionen von Chemikalien während des RDG-Prozesses auszuschließen. Die Ablage in Wannenbädern ist also weder gefordert noch notwendig. Sie verursacht unnötige Kosten und ­stiehlt wertvolle Zeit.

Aufbereitung chirurgischer Metallsauger vs. Einmalsauger

Viel zu häufig erfolgt eine Aufbereitung der chirurgischen Metallsauger in drei Aufbereitungsschritten, anstatt zu Einmalsaugern zu wechseln. Wenn ein Restproteintest ergeben hat, dass der RDG-Durchlauf nicht sämtliche Restproteine aus den feinen Metallsaugern entfernen kann, so entscheiden sich manche Praxen für einen hohen - und damit kostenintensiven - Arbeitsaufwand: Die Sauger werden dann im Ultraschallbad vorgereinigt, mit Bürsten manuell bearbeitet und final im RDG aufbereitet. Dies bedeutet einen gesteigerten Personalaufwand, der unnötige Zeit in Anspruch nimmt ist. Im Vergleich: Einmalsauger kosten meist unter 1,00 ?/Stück. Die aufwendige manuelle Vorreinigung hingegen wird durch die anfallende Personalzeit deutlich teurer.

Nutzung diverser Reinigungs-/Desinfektionsbäder

Viele Bäder werden in der Praxis genutzt, ohne deren tatsächliche Notwendigkeit zu überprüfen. Jedes angesetzte Bad muss schriftlich dokumentiert werden (mit Angaben, wann und von wem das Bad angesetzt und wann dieses dann verworfen wurde). Dies betrifft z. B. Ultraschallbäder, Bohrerbäder oder Wannenbäder, die durch die Trockenablage kontaminierter Instrumente (s.o.) nicht zwingend notwendig sind. Abdruckdesinfektionsbäder bilden eine Ausnahme, da sie nicht zu vermeiden sind.

Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) § 8

"(1) Die Aufbereitung von bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten ist unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers mit geeigneten validierten Verfahren so durchzuführen, dass der Erfolg dieser Verfahren nachvollziehbar gewährleistet ist und die Sicherheit und Gesundheit von Patienten, Anwendern oder Dritten nicht gefährdet wird. Dies gilt auch für Medizinprodukte, die vor der erstmaligen Anwendung desinfiziert oder sterilisiert werden.

(2) Eine ordnungsgemäße Aufbereitung nach Absatz 1 Satz 1 wird vermutet, wenn die gemeinsame Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte zu den Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten beachtet wird ."

Manuelle Aufbereitung

Oft werden z.B Instrumente manuell aufbereitet, statt das gesetzlich geforderte validierte maschinelle Aufbereitungsverfahren zu nutzen. In § 8 der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV, bundesweit geltendes Gesetz) ist festgelegt, dass die Aufbereitung mit validierten Verfahren durchzuführen ist. Ob ein RDG in der Zahnarztpraxis umgangen und weiter mit Wannenbädern aufbereitet werden kann, ist also seit Langem mit einem klaren Nein zu beantworten. Ausnahmen gibt es in der Kieferorthopädie, aber auf diese wollen wir in diesem Beitrag nicht eingehen.

Die Aufbereitung in Wannenbädern ist zudem nicht reproduzierbar, unsicher sowie gefährlich für die aufbereitenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und eine nicht gerade angenehme Tätigkeit. Um es aber kostenseitig zu betrachten: Die Anschaffung, Installation und Validierung eines RDG ist teuer. Aber sie spart im täglichen Ablauf enorme Kosten, da keine arbeitstäglichen Wannenbäder mehr gemacht werden müssen und Zeit, weil weder eine personalintensive manuelle Aufbereitung noch Dokumentation der täglichen Bäder durchgeführt werden müssen. Zudem ist es die einzige gesetzeskonforme und rechtssichere Möglichkeit der Aufbereitung Ihrer Medizinprodukte. Jede Zahnarztpraxis nutzt außerdem "Kritisch-B"-Medizinprodukte, z. B. chir. Bohrer, Wurzelkanalinstrumente, Nadelhalter, Extraktionszangen, die laut RKI und der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) grundsätzlich maschinell validiert aufbereitet werden müssen.

Teststreifen der Helixtests

Die Teststreifen der Helixtests werden häufig aufgeklebt, obwohl das unnötig und nicht gefordert ist. Es ist auch überflüssig, da sich der Teststreifen nach wenigen Jahren wieder entfärbt und damit kein korrekter Farbumschlag mehr vorhanden ist, der als Beweis einer korrekten Sterilisation dienen könnte. Die Unterschrift der freigebenden Mitarbeiter/-innen ist ausreichend und rechtskonform (digital oder manuell).

Doppelt hält besser?

Viele Kollegen/-innen verpacken das Sterilgut doppelt, in der Annahme, dass dies sicherer sei. Das ist jedoch unnötig, da einfach verpacktes Instrumentarium staubgeschützt gelagert eine Sterilität/Lagerfrist von 6 Monaten aufweist. Eine Erweiterung auf 5 Jahre Lagerfrist, bei doppelter Verpackung, wird nur unter Reinraumbedingungen geduldet, die praktisch in keiner Zahnarztpraxis vorhanden sind. Die unnötige Sterilgutverpackung produziert erhebliche Material- und Personalkosten.

Technische Dokumentation vs. persönliche Freigabe

Unbekannte Anforderungen

Die Menge an Richtlinien und Gesetzten beinhaltet naturgemäß einige Auflagen, die nicht allen Praxisbetreibern und Praxisbetreiberinnen bekannt sind und deshalb nicht korrekt umgesetzt werden (können). Nachfolgend ein Überblick von Punkten, die erfahrungsgemäß manchmal selbst in fast perfekt aufgestellten Praxen Optimierungsbedarf haben.

Hygienecheck: Ist das in Ihrer Zahnarztpraxis geregelt?

Check 1: Sicherheitstechnische Kontrolle

Die Durchführung der sicherheitstechnischen Kontrolle (STK) ist laut § 11 MPBetreibV bei Medizinprodukten der Anlage 1 (z. B. Elektrotome, Laser, Narkosegeräte) nach Herstellerangaben von einem Techniker bzw. Betrieb vorzunehmen, der die Voraussetzungen nach § 5 hinsichtlich der STK des jeweiligen Medizinprodukts erfüllt.

Arbeiten Sie in einer Praxis, die z. B. das Elektrotom nicht mehr verwendet und es aus diesem Grund nicht regelmäßig prüfen lässt? Dann ist Folgendes dringend anzuraten, um in diesem sehr sicherheitsrelevanten Bereich nicht angreifbar und v. a. technisch sicher für Personal und Patienten aufgestellt zu sein: Sie können das Elektrotom inkl. aller Kabel und Elektroden in einem Karton im Schrank verstauen. Der Karton muss bitte deutlich sichtbar mit "Elektrotom, ungeprüft, vor Anwendung einer sicherheitstechnischen Kontrolle zu unterziehen" gekennzeichnet werden. Sollten Sie beschließen, das Gerät wieder in Betrieb zu nehmen, ist es selbstverständlich korrekt zu warten und zu prüfen, bevor es eingesetzt werden darf.

Check 2: Prozessdokumentation

Eine rechtssichere Prozessdokumentation ist unerlässlich, wenn es zur Beweislastumkehr kommen sollte. Auch schon im Begehungsfall ist diese Dokumentation enorm wichtig. Jeder Prozessdurchlauf Ihres Autoklaven und Ihres RDG und - wenn vorhanden - Ihres DAC sowie Careclave muss sowohl technisch dokumentiert als auch persönlich durch die freigabeberechtigte Mitarbeiterin bzw. den freigabeberechtigten Mitarbeiter freigegeben werden. Dabei ist zwischen technischer Dokumentation und persönlicher Freigabe zu unterscheiden.

Technische Dokumentation bedeutet, dass die technischen Parameter jedes Durchlaufs dokumentiert werden, alternativ durch Übertragung per Netzwerkkabel an den PC, durch Sicherung auf einer Speicherkarte, einem Stick der über ein Druckerprotokoll, das aufbewahrt oder eingescannt werden muss. Es empfiehlt sich eine monatliche Datensicherung durchzuführen. Persönliche Freigabe jeder Charge bedeutet, dass die freigebende Mitarbeiterin bzw. der freigebende Mitarbeiter digital mittels persönlicher Identifikationsnummer oder Passwort am PC im Aufbereitungsraum oder analog sowie manuell mit Unterschrift die Freigabeentscheidung bestätigt. Die technische Dokumentation ersetzt niemals die persönliche Freigabe. Andersherum ist es ebenso.

Check 3: Sachkundeauffrischung

Die Sachkundeauffrischung der aufbereitenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sollte periodisch (ca. alle 2 Jahre) erfolgen. Während der Praxisbegehung werden meist die Fortbildungsnachweise verlangt. Des Weiteren werden Sachkundefragen während der Begehung gestellt. Werden diese nicht korrekt beantwortet oder ist das letzte geeignete Hygiene-Update schon viele Jahre her, so ist es nicht selten, dass Defizite mit dem auferlegten 40-stündigen Sachkundekurs eliminiert werden müssen.

Es ist nicht notwendig, dass immer das gesamte Team sein Sachkundewissen bei Ihrer Kammer oder bei geeigneten Instituten auffrischt. Ausreichend ist es, die Hygienebeauftragte bzw. den Hygienebeauftragten teilnehmen zu lassen und die relevanten Inhalte zeitnah praxisintern während einer Teamschulung an das gesamte Team weiterzugeben. Dabei sollte schriftlich festhalten, wer geschult wurde, wer referiert hat und welche Inhalte vermittelt worden sind.

Grafik Ablauf der RKI-konformen validierten maschinellen Medizinprodukteaufbereitung (MP)

Ablauf der RKI-konformen validierten maschinellen Medizinprodukteaufbereitung (MP)
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