Protestveranstaltung des Verbandes medizinischer Fachberufe e.V.

Am 08.02.23 fand der MFA- und ZFA-Protesttag vor dem Brandenburger Tor statt. Dabei stand ein breites Bündnis aus ärztlichen und zahnärztlichen Institutionen und Verbänden an der Seite des VmF. Auch Bundestagsabgeordnete der Linken und der Union sprachen auf der Protestaktion.

17.02.2023

VmF Protest 8.2
© Foto: Tanja Marotzke
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Hannelore König begrüßt gegen 13.50 Uhr die Teilnehmer*innen zum Protesttag der MFA und ZFA am Brandenburger Tor in Berlin. Sie freut sich, dass mehrere Berufsschulklassen aus Berlin anwesend sind. Ein Bus vom Hausärzteverband Baden-Württemberg ist morgens um 5 Uhr im Raum Heilbronn gestartet. Auch aus dem Raum Nürnberg und anderen Regionen in Deutschlands haben sich Verbandsmitglieder mit ihren Praxisteams und Verbandsaktive auf den Weg nach Berlin gemacht.

Direkt zu Beginn begrüßt sie die Bundestagsabgeordneten Nicole Westig (FDP) und Simone Borchardt (CDU) als Teilnehmerinnen. Später kommen noch Emmi Zeulner und Sepp Müller aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Ates Gürpinar von der Partei Die Linke dazu. Saskia Weishaupt vom Bündnis 90/Die Grünen musste bedauerlicherweise absagen.

Die Stimmung bei den MFA und ZFA in den Arzt- und Zahnarztpraxen ist so eisig, wie die Temperatur heute hier in Berlin. Hannelore König kritisiert, dass die Bundesregierung die Leistungen der MFA und ZFA nicht sieht. Auf die vielen Protestbriefe von ihr und vielen MFA und ZFA an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, die bei der ersten Protestkation im Dezember 2021 im Bundesministerium für Gesundheit abgegeben wurden, gibt es bis heute keine Antworten und beim staatlichen Corona-Sonderbonus wurden MFA und ZFA inzwischen dreimal ignoriert. Dabei sind 550.000 MFA und ZFA die wichtigste Säule im ambulanten Gesundheitswesen. Jede*r 9. Beschäftigte im Gesundheitswesen ist MFA oder ZFA. Sie versorgen dort 90 % aller Versicherten, während nur 10 % in den Kliniken versorgt werden. Auch über 90 % der COVID-19-Patient*innen wurden ambulant versorgt.

Ohne MFA keine Vorsorge – ohne ZFA keine Prophylaxe

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© Foto: Tanja Marotzke

Der Fachkräftemangel ist inzwischen so hoch, dass immer mehr Praxen ihre Sprechzeiten reduzieren und Praxen wegen fehlender Fachkräfte schließen. Zahnärzt*innen müssen sich bei größeren Eingriffen gegenseitig assistieren, weil ihnen die Fachkräfte fehlen. Eine gastroenterologische Praxis in München musste im Sommer 2022 die Praxis wegen fehlendem Personal für 6 Wochen schließen und alle Krebsvorsorgetermine absagen.

Der Fachkräftemangel hat sich in der Pandemie dramatisch erhöht, denn immer mehr MFA und ZFA sind inzwischen aus dem Beruf ausgestiegen. Im Februar 2022 haben 46 % der MFA laut unserer Online-Umfrage mehrmals im Monat und häufiger über den Ausstieg aus dem Beruf nachgedacht. Bei den ZFA war es jede Dritte. Sie fehlen in der Versorgung und deswegen ist die Stressbelastung nach wie vor sehr hoch. Die wichtigste Stellschraube ist immer noch das Gehalt, denn ein mittleres Bruttoentgelt liegt laut Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit zwischen 2.200 und 2.600 Euro in Vollzeit ist zu wenig zum Leben, um bei einer Inflationsrate von 9 % die Nebenkostenabrechnung und steigenden Lebenshaltungskosten zu bezahlen. Sie verweist auf die Studie der Bertelsmann-Stiftung, die gezeigt hat, dass die Geringverdiener in Deutschland die Verlierer im Steuer- und Sozialsystem sind.

Der Verband fordert daher angemessene Gehälter, gemessen an den Leistungen, die MFA und ZFA für die Gesundheit von Menschen erbringen. Die Verantwortung ist hoch und ein Gehalt nur knapp über dem Mindestlohn ist viel zu niedrig. Es ist muss endlich etwas passieren, damit nicht noch mehr MFA und ZFA ihren Beruf an den Nagel hängen und beim Discounter an der Kasse deutlich mehr verdienen

Wie lange kann ich mir den Beruf MFA noch leisten?

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© Foto: Tanja Marotzke

Klaus Seidel, Medizinischer Fachangestellter (MFA), vmf-Mitglied aus Hamburg, übt seinen Beruf seit über 30 Jahren als MFA mit Leib und Seele aus, aber leisten kann er sich den Beruf eigentlich nicht. Sein Verdienst aus zwei Beschäftigungsverhältnissen reicht kaum zum Leben. Mit seinem Gehalt findet er selbst in Randlage von Hamburg keine 2 ½ Zimmer-Wohnung. Sein Einkommen reicht nur für die Anmietung eines Lagerraums oder eines WG-Zimmers mit Küchennutzung über zwei Etagen.

Er sendet eine klare Botschaft an Karl Lauterbach: Wenn Sie unseren Chefs die Honorare kürzen, kürzen Sie automatisch auch unser Gehalt.
Schon jetzt führen die Vergleichsgehälter zur Abwanderung, denn bei einem Einstiegsgehalt von 2.200 Euro brutto liegt die MFA weit hinter anderen Berufen. Mit einem Jahresgehalt von 28.000 Euro erwerben MFA weniger als einen Entgeltpunkt für die Rente.

Er fordert Karl Lauterbach mit klaren Worten auf, unsere Berufe nicht länger zu ignorieren und sich endlich für unsere Berufe einzusetzen. Damit auch MFA von ihrem Beruf nicht nur überleben, sondern leben können. Er bittet ihn bei seinem nächsten Arztbesuch darüber nachzudenken, dass jede Arztpraxis nur so leistungsfähig ist, wie die vielen Tausend MFA, die jeden Tag ihren Job machen, statt über ihr Gehalt nachzudenken.

Ignoranz der Politik ist ein Affront

Dr. Klaus Reinhardt spricht für die Bundesärztekammer und den Hartmannbund und stellt heraus, wie wichtig es ist, dass der Verband medizinischer Fachberufe e.V. den MFA eine Stimme gibt. Er kritisiert, dass die Leistungen der MFA nicht wertgeschätzt werden und bezeichnet diese Ignoranz durch die Politik als Affront.

Er hebt die hohe soziale und fachliche Kompetenz der MFA hervor und lobt die Freude, mit der sie ihren Beruf ausüben. Er fordert angemessene Gehälter für MFA, denn von Spaß und Freude am Beruf kann man sich als MFA keine Wohnung leisten und keine Familie ernähren.
Er spricht sich für Gehaltserhöhungen in der nächsten Tarifrunde aus, die von den Krankenkassen vollumfänglich gegenfinanziert werden müssen.

Denn die Beitragszahler nehmen die Dienstleistung der MFA in Anspruch und das muss bezahlt werden. Der Beruf braucht dringend mehr Wertschätzung vor allem in materieller Form und solange dies nicht gelingt, kommt er gerne und immer wieder zu unseren Protestaktionen.
H. König ergänzt, dass das mittlere Bruttoentgelt von 2020 auf 2021 bei den MFA zwar um 6 % gestiegen ist, was deutlich zeigt, dass die Arbeitgeber die Tarifsteigerung zum 01.01.2021 weitergegeben haben. Aber bis heute wurde diese Tarifsteigerung vom GKV-Spitzenverband nicht gegenfinanziert.

Alle ärztlichen Leistungen entbudgetieren

VmF Protest 8.2. - 3


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Dr. Christian Albring spricht für den Spitzenverband Fachärzte Deutschland e.V. (SpiFa). Auch er betont, wie wichtig MFA in den Praxen der Fachärzte sind. Er kritisiert die Entscheidungen des Bundesgesundheitsministers im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, die den fachärztlichen Praxen die wirtschaftliche Basis für die Besserstellung ihrer MFA genommen hat. Er befürchtet, dass die Attraktivität des Berufs für junge Menschen weiter sinkt und sich damit die Zahl der MFA weiter reduziert. Damit würde sich die fachärztliche Versorgung noch weiter verschlechtern, denn schon jetzt fehlen die MFA als Fachkräfte in vielen Praxen. Er fordert einen staatlichen Sonderbonus und eine steuerliche Besserstellung, die den MFA sofort zugutekommt. Darüber hinaus fordert er die Entbudgetierung ärztlicher Leistungen für alle Fachrichtungen, damit die Versorgung wieder besser wird.

Andreas May von der Apothekengewerkschaft ADEXA bekundet Solidarität mit unseren Berufen und unterstützt unsere Forderungen. Die Sorgen der Angestellten in den Arztpraxen und Apotheken sind vergleichbar. Unattraktive Gehälter und Arbeit am Limit verstärken den Fachkräftemangel. Er kritisiert die widrigen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen, bei denen unsere Berufe und die Patienten durch die Unterfinanzierung auf der Strecke bleiben. Er fordert angemessene Gehälter für die Angestellten in den Apotheken und in den Praxen, denn es geht um die Gesundheit von Menschen.

An der Grenze zur Überlastung

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Melanie Bruchmann, Medizinische Fachangestellte (MFA), vmf-Mitglied aus Bielefeld beschreibt die hohen Belastungen der Praxisteams und deren vielfältigen Aufgaben in den letzten drei Jahren aus ihrem Alltag heraus. Sie haben Schwerstarbeit unter schwierigen Bedingungen und Übermenschliches geleistet. Sie haben die ganze Zeit an der Grenze zur Überlastung gearbeitet, da pandemiebedingt die Teams auf Kante genäht waren und Fachkräfte fehlten. Sie haben durchgehalten in der Hoffnung, dass sich etwas ändert.

Viele Fachkräfte und Experten haben den Beruf verlassen und den Fachkräftemangel verschärft. Sie zitiert daher bewusst den Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, der im ZDF die Fachkräftesicherung als Wohlstandssicherung bezeichnet hat. Deutschland müsste alle Potentiale zur Behebung des Fachkräftemangels voll ausschöpfen, das betreffe die Zuwanderung und die Potentiale im Inland. Sie fordert seinen vollen Einsatz für die Fachkräftesicherung bei den Medizinischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten als bereits vorhandenes Potential im Inland. Konkret spricht sie die bessere Vergütung bereits in der Ausbildung und deren Anpassung an die Verantwortung für die Gesundheit von Menschen, sowie deren Gegenfinanzierung, flexible Arbeitszeitmodelle und die Förderung von Weiterbildung an.

Kritik am Profitsystem im Gesundheitswesen

MdB Ates Gürpinar, Partei Die Linke, Mitglied im Gesundheitsausschuss war bereits bei unserer ersten Protestaktion im Dezember 2021 dabei und ist überrascht, wie viel Atem MFA und ZFA im Kampf für angemessene Gehälter brauchen. Er ist stolz darauf, dass wir nicht aufgeben und lauter werden, auch wenn sich immer noch nichts geändert hat.

Seine Kritik richtet sich an die Bundesregierung, die diese Not nicht sieht und nichts unternimmt. Durch die Kostensteigerungen ist die Situation sogar noch schlechter geworden, denn die Löhne schrumpfen und ein entsprechender Ausgleich fehlt. Er verweist darauf, dass wir stolz auf die Unterstützung der Arbeitgeber sein können, denn das sei außergewöhnlich. Ebenfalls ungewöhnlich ist, dass Vertreter der CDU/CSU und der Linken auf derselben Demonstration sprechen und sich gemeinsam im Bundestag für unsere Berufe einsetzen, Anträge schreiben und diese gegenseitig unterstützen.

Die Bundesregierung will zur Stärkung des Fachkräftebedarfs im Gesundheitswesen die Löhne der Beschäftigten anheben, hier hat seine Partei gezielt nachgefragt, welche Berufe gemeint sind, denn MFA und ZFA mit ihren niedrigen Gehältern müssen dabei zwingend berücksichtigt werden. Er kritisiert das Profitsystem im Gesundheitswesen. Menschen, die dort arbeiten – wie unsere Berufe – üben ihren Beruf nicht nur wegen des Geldes aus, sondern weil sie Menschen helfen wollen. Mit Gesundheit sollte grundsätzlich kein Profit gemacht werden und Menschen, die dort arbeiten, müssen bedarfsgerecht finanziert werden. Das gilt nicht nur für den stationären Bereich, sondern muss auch für den ambulanten Bereich gelten.

Nicht nur um Krankenhäuser kümmern

VmF Protest 8.2. - 5


© Foto: Tanja Marotzke

Prof. Christoph Benz unterstützt für die Bundeszahnärztekammer den Protest und fragt sich, wann die Bundesregierung aufwacht und die MFA und ZFA endlich stärkt. Er kritisiert den doppelten Deckel bei der der Honorierung der zahnärztlichen Leistungen sowohl im privaten Bereich als auch im GKV-Bereich. Er dankt den ZFA ausdrücklich für ihren Einsatz und betont die zentrale Rolle der ZFA in der zahnärztlichen Versorgung. Es sind 222.000 ZFA, die unverzichtbar sind. Die Bundesregierung darf sich nicht nur im die Krankenhäuser kümmern, sondern muss auch die ambulante Versorgung sehen und endlich die Situation unserer Berufe verbessern.

Dr. Rebecca Otto von Dentista e.V. – Verband der ZahnÄrztinnen zeigt ebenfalls Flagge für die ZFA in den Praxisteams, die das Herz und der Motor in den Praxen sind. Jeden Tag kämpfen die Zahnärztinnen in ihren Teams gegen die Budgetierung, hohe Materialpreise und gestiegene Energiekosten. Die Arbeitgeber wollen ihre Mitarbeiter entlasten, bieten bereits flexible Arbeitszeitmodelle, zahlen bereits tarifliche Gehälter und Boni. Sie fordert vom Staat aber auch - wie in der Pflege - staatliche Boni für die ZFA und bei der Fachkräftesicherung die Unterstützung der Bundesregierung, denn allein können sie es nicht stemmen

Bundesweite Tarifverträge für ZFA gefordert

VmF Protest 8.2. - 6


© Foto: Tanja Marotzke

Sylvia Gabel, Zahnmedizinische Fachassistentin, vmf-Referatsleitung ZFA, ist stolz auf ihren Beruf als Zahnmedizinische Fachangestellte. Sie kritisiert allerdings scharf, dass die ZFA bzgl. ihrer Gehälter im Nebel stehen und fordert von den Arbeitgebern bundesweite Tarifverträge.

Ebenso muss die Bundesregierung handeln und die Budgetierung aufheben. Sie vergleicht die Änderungen, die zur Parodontitis Therapie beschlossen wurden mit einem Kreisel: Sie muss es den Patienten in einer Woche so und in der anderen Woche andersherum erklären. Auch dies belastet die ZFA. Aus ihrer Sicht könnte es in den Arzt- und Zahnarztpraxen bald sehr dunkel sein. Wenn MFA oder ZFA morgens nicht mehr das Licht anmachen, weil sie nicht mehr da sind, sondern beim Discounter an der Kasse sitzen, weil 2.200 Euro brutto als ZFA im Monat in Vollzeit nicht mehr ausreicht, um z. B. in Hamburg oder Berlin leben zu können.

MdB Sepp Müller, CDU/CSU-Fraktion, Mitglied im Gesundheitsausschuss bedankt sich bei den MFA: Sie waren das Licht, sie haben die Leute von den Krankenhäusern abgehalten und jetzt sind Sie wieder diejenigen, die den Müttern und Vätern ein Lächeln ins Gesicht zaubern, weil Sie sich gemeinsam mit den Apothekerinnen und Apothekern etwas einfallen lassen, damit die Kinder nicht noch kränker werden.

Angemessene Gehälter sollten deutschlandweit in Tarifverträgen geregelt sein, damit jeder vom seinem Entgelt leben kann. An die Zahnärzte gewandt sagt er: Ihr seid aufgerufen, endlich der Tarifpartnerschaft beizutreten. Das haben eure Lichter in den Praxen verdient. Mit Bezug auf den Erlebnisbericht der MFA sagt er, dass dazu auch gehört, gemeinsam in der Gesellschaft dem Berufsstand der MFA und ZFA Wertschätzung entgegen zu bringen.

Er verweist darauf, dass der Antrag im Deutschen Bundestag, den auch die Linke unterstützt hat und der die Bonuszahlung für MFA/ZFA und die Beschäftigten im Rettungswesen fordert, keine Mehrheit erhalten hat. Aber: Jetzt erhält die Ampelregierung erneut die Möglichkeit, dem erneuten Antrag der CDU/CSU-Fraktion zustimmen zu können. „Wer A sagt, muss auch B sagen – Wer Danke sagt, muss auch Geld folgen lassen. Das haben Sie verdient.“

Sozial ist das, was Arbeit schafft und von dem man leben kann

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© Foto: Tanja Marotzke

Seine Fraktionskollegin MdB Emmi Zeulner, CDU/CSU-Fraktion, Mitglied im Gesundheitsausschuss, erinnert: „Früher hieß es mal: Es ist sozial, was Arbeit schafft. Das ist für mich ein Stück zu kurz: Ich sage: Sozial ist das, was Arbeit schafft und von dem man leben kann. Deshalb kann ich die Forderungen nur unterstützen: Wir brauchen unbedingt eine Refinanzierung auch von Tarifabschlüssen. Wir müssen aber auch bei den MFA, den ZFA, im Bereich der sozialen Berufe Karriere möglich machen.“

Ihre klare Kritik an Karl Lauterbach lautet: Er knüpft die Jacke falsch zu. Die Reform der Krankenhäuser muss kommen, aber im Vorfeld gilt es, den ambulanten Bereich zu stärken. Im Pflegereport der DAK seien die sogenannten Drehtüreffekte klar benannt. In der gesamten Versicherungslandschaft könnte man 3,5 Milliarden Euro einsparen, wenn der Schwerpunkt in der häuslichen Pflege und in der ambulanten Versorgung gelegt würde. Dort sei die vorderste Front, wird das abgefangen, was ganz mühevoll und sehr teuer versucht wird, an anderer Stelle wieder zu richten.

Auch die 1000 Gesundheitskioske seien eine falsche Schwerpunktsetzung. „Arztpraxen und Apotheken vor Ort – das sind unsere Gesundheitskioske. Die müssen wir stärken. Das sind die Strukturen, wo unsere Menschen natürlicherweise hingehen.“
Neben der dringend notwendigen besseren Bezahlung spricht sich Zeulner für einen Bund-Länder-Gipfel, um die Ausbildung zu reformieren und die Karrieremöglichkeiten zu verbessern.

Ambulante Gesundheitsversorgung auf Eis

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© Foto: Tanja Marotzke

Dr. Christian Messer von MEDI GENO Deutschland e.V. nimmt Bezug auf die Minustemperaturen an diesem Tag: „Kälter als diese Wintertemperaturen ist nur die Gesundheitspolitik dieser Bundesregierung im Umgang mit den Leistungsträgerinnen des ambulanten Gesundheitssystems.

Unsere MFA haben gemeinsam mit uns die Impfkampagne geschmissen und Infektsprechstunden organisiert. Sie haben über drei Jahre am Limit gearbeitet. Dabei haben sie ihre eigene Gesundheit aufs Spiel gesetzt, alles gegeben. 19 von 20 Corona-Patient*innen wurden ambulant behandelt. Unsere MFA standen mutig in der ersten Reihe. Und dennoch gingen sie beim Coronabonus leer aus. Das ist bittere Regierungspolitik. Zu Recht fordern sie eine bessere Bezahlung. Das wissen auch die Politiker, aber die streichen unverfroren per Gesetz die Vergütung der Neupatientenregelung. Es ist auch ein unverfrorenes Wording der Politik, hier von einer Streichung eines Zuschlages zu sprechen. Nein – die im Bewertungsmaßstab festgesetzte Vergütung wurde einfach gekürzt, bzw. ganz gestrichen.“ Er warnt: „So legt man die ambulante Gesundheitsversorgung auf Eis.“

Jakob Maske vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. fordert dazu auf, einen weiteren Partner ins Boot holen: Die Patientinnen und Patienten. „Wenn MFA und ZFA immer mehr in andere Berufe abwandern, dann wird die medizinische Versorgung zusammenbrechen. Wir Ärzte werden unsere Praxen nicht allein führen können. Der Sektor der ambulanten Medizin muss gestärkt werden. Wir haben als Kinder- und Jugendärzte das schon ein Stück weit geschafft. Es ist von Entbudgetierung die Rede. Die Erhöhung der Gehälter, die wir fördern und bisher aus den eigenen Taschen bezahlt haben, muss, wie es auch in den Krankenhäusern passiert, über andere Wege finanziert werden und dafür werden wir uns auch gemeinsam mit Ihnen zusammen stark machen.“

Stärkung der ambulanten Versorgung statt Gesundheitskioske

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© Foto: Tanja Marotzke

Dr. Susanne Bublitz (Deutscher Hausärzteverband – LV Baden-Württemberg) ist mit dem Bus und ihrem Praxisteam gekommen. Sie wirft der Politik vor, auf dem ambulanten Auge blind zu sein. „Wir haben in drei Jahren Pandemie Infektwelle um Infektwelle mit unseren Teams durchgestanden. Wir haben zusammengearbeitet, uns ständig an neue Gegebenheiten angepasst, teilweise haben sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen täglich geändert und wir mussten am nächsten Morgen neue Bedingungen umsetzen.Wir mussten den Patienten erklären, was die gängige Corona-Isolations- oder Quarantäneregelung ist. Wer wann wohin darf. Wir mussten den Ärger aushalten, vor allem die MFA am Eingang, dass man Maske tragen muss. Bis heute sind das heftige Diskussionen.“

Mit Blick auf die Gesundheitskioske sagt sie: „Anstatt die medizinische Versorgung weiter zu zersplittern und die Kompetenzen auf verschiedene Akteure zu übertragen, sollte die Politik in Zukunft daraufsetzen, die ambulante Versorgung in den Arztpraxen zu stärken, um die medizinische und fachliche Kompetenz dort zu erhalten. Dafür brauchen wir eine vernünftige Gegenfinanzierung. Wir haben zunehmend stationäre Einrichtungen, die uns MFA abwerben, die steuerfinanzierte Boni bekommen und die Kosten für ihre Fachkräfte durch den Gesetzgeber erstattet bekommen. Wir verhandeln mit Kassen, die uns Nullrunden anbieten. Das sind die gleichen Kassen, die ihre Sozialversicherungsfachangestellten deutlich besser bezahlen können als wir unsere MFA.“

Ohne MFA keine Praxen und keine vernünftige Gesundheitsversorgung

Dr. Christiane Wessel, spricht für die Kassenärztliche Vereinigung Berlin und den Virchowbund - Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e.V. Sie macht darauf aufmerksam, dass die Politik der Krankenkassen und des Ministers viele Praxen wirklich in Not gebracht haben. Exorbitante Kostensteigerungen führen dazu, dass sie die Tarifsteigerungen an MFA nicht weitergeben können. Gleichzeitig verweist sie auf den Fachkräftemangel. „Es gibt noch Kolleginnen und Kollegen, die gut noch 5 bis 6 Jahre arbeiten können, aber in Rente gehen, weil sie keine Lust mehr auf den Fachkräftemangel und die Bürokratie haben. Es werden zunehmend Praxen geschlossen und die Politik kann sich gut überlegen, wer die ambulante Betreuung übernehmen kann. Die Gesundheitskioske ohne Ärzte und ohne MFA? Schon jetzt leiden 75 Prozent aller Praxen unter Fachkräftemangel.“

Sie zeigt Verständnis: „Der ganze Stress für das wenige Geld.“ Und verdeutlicht das Problem: „Wenn dann die Krankenkassen 2.000 Euro mehr Honorar bieten und gleichzeitig sagen: Wir wollen euch aber eure Fachkräfte nicht finanzieren… Ohne MFA wird es keine Praxen geben. Und ohne Praxen keine MFA und ohne beide keine vernünftige Gesundheitsversorgung.“

Minister hat die Pflicht, für alle da zu sein

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„Es ist eine Schande, dass wir hier stehen müssen“, beginnt Erik Bodendieck, Ärztekammer Sachsen und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen für Medinische Fachangestellte (AAA). Es werde immer gesagt, medizinische Versorgung dürfe keinen Profit machen – Die medizinische Versorgung ist der Profit dieser Gesellschaft, die das Land am Laufen hält. Nur gesunde Menschen können in den Betrieben Profit erwirtschaften, wovon dieses Land groß und stark wird.

Mit Blick auf Tarifverhandlungen erklärt er: „Ich hätte Ihnen gerne etwas mitgebracht, gerne, dass wir einen Inflationsausgleich verhandeln, bevor wir ohnehin dieses Jahr in neue Tarifverhandlungen gehen müssen. Aber ich kann Ihnen nichts mitbringen. Wir haben darum kämpfen müssen, dass die ambulanten Praxen zu den Kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zählen bei der Energiekostenpauschale. Wir als Daseinsfürsorge kämpfen also auf der gleichen Stufe wie die Wirtschaft um Senkung der Energiekosten. So können wir keine Boni zahlen und können das Tarifgehalt nicht erhöhen. Lassen Sie uns den Minister an seine Pflicht erinnern, für alle da zu sein und zwar nicht nur für den Pflegebereich und die Krankenhäuser, sondern auch für die MFA und ZFA, die (Zahn)ärztinnen und (Zahn)ärzte im ambulanten Bereich.“

Er fordert von der Politik, die Gehälter – wie im Pflegebereich - auszugliedern und zu refinanzieren, damit ein Tarifgeschehen möglich ist wie allen anderen Bereichen in diesem Land auch.

Dr. Peter Bobbert von der Ärztekammer Berlin beschwört den Teamgedanken und fordert Gerechtigkeit im System. Ohne MFA und ZFA könne keine Praxis überleben.

Die Zitrone ist ausgedrückt

VmF Protest 8.2. - 12


© Foto: Tanja Marotzke

Dr. Karsten Heegewaldt, Zahnärztekammer Berlin, hat seine Praxis seit 25 Jahren in Neukölln und er weiß, seine ZFA rocken das. Aber: Die ersten Zahlen vom vergangenen Jahr sagen, dass viele Praxen im letzten Jahr ein Viertel ihres Gewinnes verloren haben. Hinzu kommt die der Budgetierung. „Unsere MFA und ZFA brauchen ein vernünftiges Gehalt, um bei dieser Teuerung leben zu können.“

Er rechnet vor: Vor 10 Jahren hatten wir 3100 niedergelassene Zahnärzte in Berlin, heute sind es 2300. „Die Politik gaukelt uns immer vor, dass die Praxen finanziell super aufgestellt sind. Aber die Zitrone ist ausgedrückt. Und uns in Berlin geht es noch gut, gehen Sie mal nach Sachsen-Anhalt, nach Sachsen, nach Niedersachsen. Wir haben überall Praxen, die aufgeben. Ich kann der Politik nur zurufen: Wenn sie weiter so macht, stirbt die ambulante Medizin. Das ist im Augenblick die preiswerteste Versorgung im gesundheitlichen Bereich, die sich die Politik vorstellen kann. Die Alternative wäre, dass sich die Politik selber um Praxen kümmert und sie selber aufbaut. Das ist nicht vorstellbar, also: Stützt die ambulante Medizin, stützt die ambulanten Praxen, stützt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und sorgt mit mehr Geld im ambulanten System dafür, dass wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerade in diesen schweren Zeiten unterstützen können.“

Das System wird gerade ruiniert

Harald Schrader überbringt die Grüße des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte e.V. an die MFA und ZFA auch bei minus 10 Grad und fährt fort: „Es ist ein Skandal: Er spielt sich ab in den warmen Büros der Bundestagsabgeordneten. Dort wird das, was hier artikuliert wird, nicht zur Kenntnis genommen. Diese Ampel ist dabei, dieses System zu ruinieren.“

Die Politiker werden nicht müde zu erzählen, dass unser System medizinisch und zahnmedizinisch zur Weltspitze gehört. Gleichzeitig sorgen sie dafür, dass die Einnahmen der Praxen wegbrechen. „Das ist ein Skandal, der öffentlich gemacht werden muss und deshalb stellt sich der FVDZ nicht nur inhaltlich, sondern mit allen Kolleginnen und Kollegen hinter die drei Forderungen des Verbandes medizinischer Fachberufe e.V.: Angemessene Gehälter (müssen bezahlt werden können), Anerkennung und Wertschätzung der Leistungen von MFA und ZFA in der Patientenversorgung, Gesicherte Finanzierung der ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Regelversorgung.“

Auswirkungen auf die Patientensicherheit

VmF Protest 8.2. - 13


© Foto: Tanja Marotzke

Nancy Djelassi vom Bundesverband für zahnmedizinische Fachkräfte in der Prävention – BVZP e.V. macht auf die Auswirkungen des Fachkräftemangels in der Patientenversorgung aufmerksam: „Die Hauptprobleme sind die fehlende Wertschätzung und die schlechten Gehälter.“ Jede dritte ZFA überlegt, aus dem Beruf auszusteigen. Die Folgen sind gravierend: Mangelnde Patientensicherheit durch nicht vorhandene Qualifikationen, wenig Kenntnisse im Umgang mit dem Instrumentarium oder den Materialien am Patienten. Wenig Kenntnisse im Bereich Wechselwirkungen mit Allgemeinerkrankungen.

Dr. Jana Lo Scalzo, Kassenzahnärztliche Vereinigung Berlin, fordert von der Politik, die Budgetierung abzuschaffen, die Bürokratie zu reduzieren und die Praxen als wichtige Pfeiler der medizinischen und zahnmedizinische Versorgung anzuerkennen. „Wenn es den Praxen gut geht, können alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davon profitieren.“

VmF Protest 8.2. - 14


© Foto: Tanja Marotzke

Torben Vogler, Medizinischer Fachangestellter (MFA), vmf-Mitglied erinnert an das zunehmende Aggressionspotenzial bei Patienten, an verbale und teils auch körperliche Gewalt, an Situationen, die auch hervorgerufen und befeuert wurden durch schlechte Kommunikation und missverständliche ad hoc Verordnungen. Er erinnert aber auch daran, welche Leistungen MFA nicht nur während der Corona-Pandemie erbracht haben, wie sie geduldig auch Fragen zur Digitalisierung und zum Arzneimittelmangel erklären.

Dennoch fühlen sie sich als Prellbock der Gesellschaft. Seine Bitte an die Patientinnen und Patienten: Begegnen Sie uns bitte mit Respekt und Freundlichkeit. Wir sind keine Sprechstundenhilfen, keine Mädels, keine Schwestern oder Empfangsdamen, Wir sind hochqualifizierte Fachkräfte. Wir sind Medizinische Fachangestellte!

Deutlicher wird er an die Entscheidungsträger: Treffen Sie ihre Entscheidungen so, dass sie unsere Arbeitsbedingungen nicht weiter verschlechtern. Im Koalitionsvertrag versprechen Sie, die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen zu verbessern. Ich fordere Sie auf, kommen Sie diesem Versprechen endlich nach! Sorgen Sie für eine direkte Refinanzierung der Tarife und wälzen Sie dies nicht auf unsere Arbeitgeber ab!

Entscheiden Sie nicht über unsere Köpfe hinweg, sondern gehen Sie in das Gespräch mit uns! Wir stehen Ihnen gerne, wie auch unseren Patienten und Patientinnen, mit Rat und Tat zur Verfügung.

Gehälter müssen verbessert werden

Hannelore König ergänzt die Beispiele ihres Vorredners: „Auch in den Zahnarztpraxen sind es die ZFA, die erklären, zum Beispiel das Elektronische Beantragungs- und Genehmigungsverfahren (EBZ). Es ist eines der wenigen Projekte in der Digitalisierung, die laufen und keinen Mehraufwand produzieren. Davon brauchen wir mehr. Was wir aber vor allem brauchen, das haben so viele Redner heute auf den Punkt gebracht: das sind angemessene Gehälter für MFA und ZFA, gemessen an der Verantwortung, die sie im Beruf für die Gesundheit von Menschen tragen.

Wir brauchen mehr Anerkennung und Wertschätzung. Das ist heute sehr deutlich geworden. Und vor allem brauchen wir eine gesicherte und planbare Finanzierung der ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen. Sonst können sich die Gehälter der MFA und ZFA nicht verbessern.
Wir machen so lange weiter, bis das Bundesgesundheitsministerium eine Gegenfinanzierung der Tarifsteigerungen im SGB V festgeschrieben hat. Mindestens aber brauchen wir einen Branchenmindestlohn für unsere Berufe.

An das Finanzministerium richtet sie die Botschaft, dass MFA und ZFA und viele weitere Gesundheitsberufe so schnell wie möglich mehr Netto vom Brutto brauchen, zum Beispiel durch einen Steuertarif für Gesundheits- und soziale Berufe und zwar für die Beschäftigten, die wenig verdienen und viel Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen.

Quelle: Verband medizinischer Fachberufe e.V.

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1 Kommentar

04.03.2023 - 12:02 Uhr
Kommentar von

Ich finde es richtig super, das sich endlich auch mal jemand traut für uns auf die Strasse zu gehen und der Politik zu sagen wie es um uns MFA/ZFA's steht. Schade das ich nicht dabei sein konnte, aber ein grosses Danke an die, die sich die Zeit genommen haben und dort waren. Dankeschön an euch !!! Wir wurden i der ganzen Pandemie vom Herr Lauterbach in seinen ach so "schönen" TV Ansprachen immer vergessen, wir die in der Stadt und auf dem Land auch alles dafür getan haben, um unsere Patienten/Patientinnen bestmöglichst versorgt haben. Auch was unsere Karriere Chancen betreffen, finde ich es traurig, das wir unsere Fortbildungen selbst finanzieren müssen, wovon? Von welchem Gehalt? Es reicht ja kaum zu leben/überleben. Es muss dringend was passieren, sonst können sich die Politiker sich selbst um unsere Arbeit kümmern. Blutabnehmen, Verbände legen, Patienten betreuen... Proffesionelle Zahnreinigungen machen und Assistieren und für die Hygiene verantwortlich sein. Wir sind Fachkräfte und keine Null acht Fünfzehn Arbeiter.