Ärzte und Zahnärzte dürfen ihren Patientenstamm nicht verkaufen

Eine Zahnärztin hatte mit einem Kollegen einen Kaufvertrag über ihre Kundendatei geschlossen. Das widerspricht dem Prinzip der freien (Zahn-)Arztwahl und ist daher nicht zulässig, urteilt der Bundesgerichtshof.

von Von Martin Wortmann
27.07.2022

Wer seine Patientenkartei verkaufen möchte, verstößt gegen Straf- und Berufsrecht. Ein Zahnarzt wertete das als unzulässigen Eingriff in seine Berufsfreiheit und reichte Klage ein. Der BGH kündigte nun an, die Revision zurückzuweisen.
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Ärzte und Zahnärzte dürfen ihren „Patientenstamm“ nicht verkaufen. Ein entsprechender Kaufvertrag ist unwirksam, und Werbemaßnahmen für den übernehmenden Kollegen sind sogar strafbar, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschied.

Im konkreten Fall geht es um ein Geschäft zwischen einer Zahnärztin und einem Zahnarzt in Regensburg. Der Karlsruher Hinweisbeschluss stützt sich maßgeblich auf die die Berufsordnung der Zahnärzte Bayern. Dabei weist der BGH aber ausdrücklich darauf hin, dass die Musterberufsordnung für Ärzte in Paragraf 31 Absatz 1 einen vergleichbaren Passus enthält.

Der Kaufvertrag ist ungültig

Hier hatte die Zahnärztin ihre Praxis zum Ende des zweiten Quartals 2018 aufgegeben. Mit dem in der Nähe praktizierenden Kollegen schloss sie einen „Kaufvertrag Patientenstamm“. Für die Kartei ihrer rund 600 Patientinnen und Patienten war ein Preis von 12.000 Euro vereinbart. Inbegriffen war dabei eine Umleitung des Telefonanschlusses und auch des Internet-Auftritts zu dem des Kollegen. Zudem wollte die scheidende Zahnärztin ihre Patienten in einem Rundschreiben auf die „Übernahme der Patienten“ durch den Kollegen hinweisen.

Nach Unterzeichnung des Vertrags holte die Zahnärztin die Auskunft der Landeszahnärztekammer zu der Sache ein. Die Antwort der Kammer war offenbar eindeutig. Jedenfalls verweigerte die Zahnärztin die Erfüllung des Vertrags. Dieser verstoße gegen Straf- und Berufsrecht und sei daher unwirksam. Mit seiner Klage beharrte der Kollege auf Erfüllung des Vertrags. Das Landgericht Regensburg und das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg wiesen ihn ab. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließ das OLG aber die Revision zum BGH zu.

Hinweisbeschluss statt Urteil

Ein richtiges Urteil war die Sache den Karlsruher Richter aber offenbar nicht wert. Mit einem Hinweisbeschluss ließ der Senat aber wissen, er beabsichtige „die Revision des Klägers durch einstimmigen Beschluss (…) zurückzuweisen“. Daraufhin nahm der Zahnarzt seine Revision zurück . Zur Begründung verwies der BGH zunächst auf die Berufsordnung. Danach sei es hier den Zahnärzten „nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder eine sonstige wirtschaftliche Vergünstigung zu fordern, sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren“.

Dies sei eine Verbotsvorschrift mit der gesetzlichen Folge, dass eine entsprechende Vereinbarung unwirksam ist, stellten die Karlsruher Richter klar. Nach den Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs führe dies „zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags“. Entsprechend habe der BGH schon 1986 zu einer inhaltsgleichen Klausel der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärzte entschieden. „Es ist auch nicht zu erkennen, dass hierüber in der Rechtsprechung der Instanzgerichte oder in der Literatur Streit bestünde“.

Fairer Wettbewerb muss gewährleistet sein

Dabei stellte der BGH klar, dass die Klausel der Berufsordnung nicht nur dem Schutz der freien Arztwahl dient. Zusätzlich gehe es generell um das Vertrauen in die ärztliche und zahnärztliche Unabhängigkeit, außerdem um einen fairen Wettbewerb unter den Kolleginnen und Kollegen. Diese Ziele würden auch dann beeinträchtigt, wenn wie hier die empfehlende Zahnärztin komplett aus der Behandlung ausscheidet.

Nach dem Karlsruher Beschluss liegt neben dem standesrechtlichen Verbot auch ein Verstoß gegen Strafnormen vor, konkret die 2016 in das Strafgesetzbuch eingefügten Paragrafen gegen Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen. Strafbar ist es danach, für die „Zuführung von Patienten“ einen „Vorteil“ anzunehmen oder zu versprechen. Beiden Beteiligten droht eine Geldstrafe oder sogar bis zu drei Jahren Haft. Dabei liege es auf der Hand, dass hier schon die beabsichtigten „Werbemaßnahmen“ strafbare „Vorteile“ seien, konkret der werbende Rundbrief sowie die Umleitung von Internetseite und Telefon, argumentiert der BGH.

Ohne Erfolg hatte der klagende Zahnarzt einen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit gerügt. Denn so verstanden sei es Ärzten und Zahnärzten unmöglich, den erheblichen Wert ihres Patientenstamms zu verwerten. Die Karlsruher Richter ließen offen, ob ein solcher Eingriff vorliegt. Wenn ja, sei dieser jedenfalls im Interesse des Gemeinwohls gerechtfertigt. Auch das Eigentumsrecht sei nicht verletzt. Denn der Patientenstamm sei lediglich mit einer „Umsatz- und Gewinnchance“ verbunden. Diese sei von dem Grundrecht auf Eigentum noch nicht erfasst.

Bundesgerichtshof, Az.: VIII ZR 362/19

Quelle: Ärzte Zeitung

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