Morbus Addison: „Tintenflecke“ im Mund

Eine Patientin stellt sich mit Schwäche und Übelkeit vor, außerdem hat sie dunkle Verfärbungen an Unterlippe und Wangenmukosa entdeckt, die ihr Hausarzt für Tintenflecke hält. Dr. Google führt schließlich zur Lösung. Eine Kasuistik.

von Dr. Beate Schumacher
03.03.2023

Hyperpigmentierte Veränderungen des Gewebes an der bukkalen Mukosa (roter Pfeil), Zunge (gelber Pfeil) und an der Unterlippe (schwarzer Pfeil). (Reprinted with permission from Zhou J, Reddy SSK. Oral hyperpigmentation with weakness and salt-craving. Clev

Hyperpigmentierte Veränderungen des Gewebes an der bukkalen Mukosa (roter Pfeil), Zunge (gelber Pfeil) und an der Unterlippe (schwarzer Pfeil). (Reprinted with permission from Zhou J, Reddy SSK. Oral hyperpigmentation with weakness and salt-craving. Cleve Clin J Med 2022; 89(4):180–181. doi: 10.3949/ccjm.89a.21036.)
© Foto: 2022 Cleveland Clinic. All rights reserved.
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Eine 30-jährige Patientin litt über einen Zeitraum von neun Monaten immer häufiger an Phasen mit Schwäche und Präsynkopen, außerdem an Obstipation, Übelkeit, Erbrechen und Salzhunger. Zuvor hatte sie einen Abort. Sie entdeckte zudem neu aufgetretene dunkle Verfärbungen an Unterlippe und Wangenschleimhaut. Der Hausarzt, dem sie die Flecken zeigte, tippte auf Tinte aus einem Kugelschreiber. Die Patientin war von dieser Diagnose offenbar nicht überzeugt, denn sie recherchierte ihre Symptome im Internet und kam zu dem Schluss, an Morbus Addison zu leiden (Cleve Clin J Med 2022; 89: 180–181).

Genau das war auch die Verdachtsdiagnose der Ärzte einer Notfallambulanz, in der sich die Frau wegen der zunehmenden Symptomatik schließlich vorstellte. Die Hyperpigmentierung hatte sich inzwischen auch auf Lippen und Zunge sowie die Handflächen ausgedehnt. Das Labor ergab einen kaum nachweisbaren Cortisolspiegel (0,8 g/dl; Referenzbereich: 3,1 bis 22,4 g/dl) bei gleichzeitig extrem hoher Konzentration von adrenocortikotropem Hormon (ACTH) (1.250 pg/ml; Referenzbereich: 0,00 bis 45,99 pg/ml). Damit stand auch ohne ACTH-Stimulationstest die Diagnose einer primären Nebenniereninsuffizienz. Die Patientin erhielt sofort Infusionen mit NaCl und Hydrocortison-Succinat. Am Folgetag wurde eine orale Dauertherapie mit Hydrocortison und Fludrocortison begonnen.

Allgemeinsymptome oft fehlgedeutet

In Westeuropa und den USA liegt die Prävalenz der Addison-Krankheit bei 1:20.000, Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die Diagnosestellung sei oft schwierig, räumen die Autoren der Kasuistik ein. Laut Dr. Joseph Zhou und Dr. Sethu Reddy vom Central Michigan University College of Medicine in Mount Pleasant wird die unspezifische Allgemeinsymptomatik oft als psychisches Problem oder als Hypothyreose oder gastrointestinale Erkrankung fehlgedeutet. Damit besteht die Gefahr, dass sich in einer Belastungssituation ein akuter Cortisolmangel ausbildet. Bei der Addison-Krise kommt es innerhalb kurzer Zeit zu Bewusstseinseintrübung, Enzephalopathie und Schock, sie erfordert daher die sofortige Gabe von Volumen und parenteralen Glukokortikoiden.

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn die Patienten, was relativ häufig der Fall ist, auch an einer Autoimmunthyreoiditis leiden und hohe TSH-Spiegel haben: „Wird vor der Steroidsubstitution mit der Thyroxinsubstitution begonnen, kann das eine Addison-Krise auslösen“, warnen deshalb auch Zhou und Reddy in ihrem Fallbericht.

Typische Hyperpigmentierung

Ein „Markenzeichen“ der Addison-Krankheit, schreiben die US-Ärzte, ist die Hyperpigmentierung infolge übermäßiger hypophysärer Sekretion von Proopiomelanocortin, das zu ACTH, Beta-Endorphin und Melanozyten-stimulierendem Hormon gespalten wird. Die intraorale Hyperpimentierung gehe der dermalen voraus. „Bei Patienten mit neu aufgetretener oraler Hyperpigmentierung sollten Ärzte die Hautveränderungen daher im Kontext klinischer Zeichen und mit einem starken Verdacht auf eine Addison-Krankheit sehen.“

Quelle: Ärzte Zeitung

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