Der Dreck muss weg

Ist ein Implantat oder eine Prothese aus Sicht des Zahnarztes fertig, beginnt für den Patienten eine neue Aufgabe - die richtige Pflege des Zahnersatzes. Hier ist die Beratung durch das zahnmedizinische Fachpersonal gefragt.

von Dr. Alexandra Wolf, Zahnärztin und freie Autorin, Berlin
06.04.2021

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© Foto: Dr. Frank Zimmerling
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Ist die fertige Prothese endlich eingegliedert oder die Implantatkrone zementiert, ist der Behandlungsfall für den Zahnarzt meist abgeschlossen. Es folgen häufig nur ein paar Nachkontrollen. Für den Patienten beginnt dann jedoch die eigentlich wichtigste Phase: die tägliche Reinigung für den langfristigen Erhalt des teuren Zahnersatzes. Doch wie und womit? Oft wird der Patient schnell abgefertigt und sich selbst überlassen. Damit hier nicht herumexperimentiert wird, müssen dem Patienten unbedingt die wichtigsten Basics der Zahnersatzpflege mit auf den Weg gegeben werden.

Tag der Eingliederung

Zum Tag der Eingliederung des Zahnersatzes sollte nicht nur das Okklusionspapier auf dem Tray liegen, sondern auch ein Handspiegel und Hilfsmittel, um den Patienten die exakte Reinigung zu demonstrieren. Patienten mit einer Sehbehinderung sollten unbedingt ihre Brille dabei haben. Dies ist auch oberstes Gebot für die Pflege des Zahnersatzes daheim. Wer nicht gut sieht, kann auch nicht gut reinigen.

"Wenn keine Zähne mehr im Mund sind, haben viele Patienten die Vorstellung, dass sie auch keine Karies oder andere Probleme mit der Mundgesundheit bekommen können", sagt Dr. Frank Zimmerling, internationaler Trainer und Referent mit Schwerpunkt abnehmbare Prothetik. "Deshalb muss man den Patient darauf hinweisen, dass dennoch Entzündungen an der Mundschleimhaut auftreten und sich am Zahnersatz Bakterien ansammeln können, was weitere Folgen für die Zahngesundheit mit sich ziehen kann", so Dr. Zimmerling.

Prothesenreinigung - womit?

Die entscheidende Fläche bei der Reinigung ist die Protheseninnenfläche. Denn sie ist nicht glatt poliert und bietet daher starke Retentionsflächen für Speisereste und Bakterienansammlungen. Am wichtigsten ist die mechanische Reinigung mit einer Bürste. Hierfür eignen sich spezielle Prothesenbürsten. Oft verfügen sie über zwei verschiedene Borstenfelder und einen dicken Haltegriff. Welche Bürstenform am besten passt, muss individuell ausprobiert werden. Zum Anlösen der Beläge kann die Prothese in ein Wasserbad mit einer Reinigungstablette oder in ein Ultraschallbad gelegt werden. Im Anschluss sollte die Prothese jedoch immer noch einmal gründlich abgebürstet werden.

Verschiedene Reinigungscremes, -schäume oder -gele können die Reinigung unterstützen. Sie beinhalten keine aggressiven Putzkörper wie eine Zahnpasta und zerkratzen die Kunststoffoberfläche nicht. Am preisgünstigsten ist neutrale Flüssigseife. "Sie schmeckt nicht gut, säubert aber den Prothesenkunststoff effizient", erläutert Dr. Zimmerling. Grundsätzlich könnte man auch Zahnpasten mit einem sehr geringen RDA-Wert ("relative dentin abrasion") verwenden. Sie bergen keine große Schädigung für den Kunststoff, dennoch geht bei dauerhafter Anwendung der Glanz der Prothese verloren und die Oberfläche könnte dennoch angeraut werden. Daher sind spezielle Prothesenreinigungspasten zu bevorzugen.

Ebenso konnte in Studien gezeigt werden, dass Reinigungstabletten die Prothesenoberfläche nicht schädigen, zumindest bei den Produkten, die es in Mitteleuropa zu kaufen gibt [1]. Die Tabletten können zusätzlich helfen, die Keimzahl zu reduzieren, und durch das Sprudeln und Einweichen werden die Beläge auf der Oberfläche etwas gelöst [2]. Gerade bei Patienten mit eingeschränkter Motorik oder für Pflegepersonal eignet sich eine kurze Einwirkzeit der Prothese im Sprudelwasser vor der mechanischen Säuberung.

Wann sollte die Prothese gereinigt werden?

Es empfiehlt sich, die Prothese einmal am Tag, am besten abends, ganz gründlich zu reinigen. Damit die Prothese nicht versehentlich herunterfällt und zu Bruch geht, sollte das Waschbecken mit Wasser befüllt oder mit einem Handtuch ausgepolstert werden. Zum Putzen unbedingt die Brille aufsetzen und sich Zeit nehmen, um kleine Ecken oder Teleskope und Locatoren im Mund penibel reinigen zu können. Tagsüber kann die Prothese nach dem Essen abgespült werden, wenn Speisereste verfangen sind.

Optimale Lagerung der Prothese

Wenn der Patient bereit ist, über Nacht ohne Prothese auszukommen, sollte er sie am besten herausnehmen und trocken lagern. Manchmal sprechen psychologische Gründe gegen eine Ausgliederung. Dann sollten zusätzliche Prophylaxemaßnahmen ergriffen werden, beispielsweise die Verwendung chlorhexidinhaltiger Gele und eine Schleimhautbürstung mit einer weichen Zahnbürste während der üblichen Mundhygiene [10]. Es gibt zahlreiche Untersuchungen, die zeigen, dass bei Trockenlagerung die Anzahl an Keimen deutlich stärker reduziert ist als bei einer feuchten oder nassen Aufbewahrung im Wasserglas [2, 3]. Gerade Erreger der Candida-Pilzinfektion tolerieren Trockenheit überhaupt nicht [2, 3].

Häufig besagen noch Lehrmeinungen aus der Universität oder Zahntechnikerausbildung, dass eine Trockenlagerung dem Kunststoff schadet und dieser schrumpft. In Studien wurde jedoch gezeigt, dass die Schrumpfung minimal ist und sich der Kunststoff bei einer lege artis verarbeiteten Prothese selbst nach Reparatur oder Unterfütterung nicht von der Basis ablöst, wenn die Prothese trocken gelagert und in der Mundhöhle rehydriert wird [6].

Zur Aufbewahrung eignen sich Prothesenboxen. Diese enthalten kleine Luftöffnungen, sodass die restliche Feuchtigkeit entweichen kann. Außerdem schützt die Box vor einem unbeabsichtigten Herunterfallen der Prothese.

Professionelle Zahnreinigung und professionelle Prothesenreinigung

Bei der regelmäßigen professionellen Zahnreinigung in der Zahnarztpraxis sollte auch eine gründliche Reinigung des festsitzenden und herausnehmbaren Zahnersatzes erfolgen. Besonders bei Prothesen mit starken Unterschnitten empfiehlt Dr. Zimnmerling einen faszinierenden Trick, um den Patienten die Plaqueretentionsstellen sichtbar zu machen:

"Hierfür kann ein Plaquefärbemittel auf die Prothese appliziert werden. Dabei eignet sich eine fluoreszierende Substanz, um die Prothese nicht zu stark einzufärben oder einer Verfärbung von Mikrorissen vorzubeugen. Mit einer Polymerisationslampe werden dem Patienten schwer zu erreichende Stellen sichtbar gemacht (siehe Foto auf Seite 15)."

Zahnstein und stärkere Verfärbungen können in einem Ultraschallbad angelöst und entfernt werden. Es gibt auch kleine Bäder für den häuslichen Gebrauch. Wichtig ist zu beachten, dass die Ultraschallbäder oft ein besonderes Reinigungsmittel oder eine Desinfektionslösung enthalten, weshalb der Zahnersatz nur maximal einmal wöchentlich mit dieser Lösung gereinigt werden sollte.

Einmal im Jahr empfiehlt es sich, den Zahnersatz auf Rauigkeiten zu überprüfen und gegebenenfalls im Labor auf Hochglanz polieren zu lassen.

Intraorale Halteelemente wie Kugelanker oder Locatoren oder auch Kronenränder sind Stellen, die für den Patienten schwer zu erreichen sind und daher bei der Prophylaxeassistenz unbedingt gut gesäubert werden müssen. "Eine Polierpaste mit geringem RDA-Wert eignet sich für die Glättung. Doch Achtung, Polierpasten haben keinen genormten RDA-Wert wie Zahnpasten," warnt Dr. Zimmerling. "Ursache ist, dass die Hersteller die Abrasionen mit unterschiedlichen Methoden messen. Daher können sich gleiche RDA-Werte von unterschiedlichen Herstellern komplett unterscheiden [4, 5]."

Für die Pflege der um Halteelemente gelegenen Mundschleimhaut empfiehlt sich die Anwendung von Mundpflegegel.

Festsitzender Zahnersatz

Neben spezieller Zahnseide oder einer Palette verschiedenster Interdentalraumbürstchen eignen sich doppelt gefasste Kombi-Halter-Zwischenraumbürstchen beispielsweise für die Reinigung von Stegen (siehe Foto auf Seite 16). Es gibt auch schmale Zahnbürsten oder Monobüschelbürsten für die Säuberung von festsitzendem Zahnersatz.

"Häufig werden die Patienten nicht genug instruiert, wie der Zahnersatz zu reinigen ist, und entwickeln sinnlose Routinen, bei denen die Oberflächen geschädigt werden", sagt Dr. Zimmerling. "Es ist wichtig, den Patienten und auch das Pflegepersonal genau zu instruieren, wann und womit der Zahnersatz gesäubert wird. Denn man hat festgestellt, dass unter der Prothesenoberfläche ein großes Reservoir an Keimen zu finden ist, die auch Pneumonien auslösen können. Und gerade bei älteren Patienten ist das Risiko hoch, an einer Pneumonie zu sterben" [7, 8, 9].

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