Auch Unverheiratete können Kosten für künstliche Befruchtung absetzen

Die künstliche Befruchtung ist eine ziemlich aufwändige Behandlung. Das Finanzgericht Münster hat jetzt die Kosten auch bei Unverheirateten als außergewöhnliche Belastungen anerkannt – wenn die Behandlung berufsrechtlich erlaubt ist.

von Martin Wortmann
02.10.2020

Früher außergewöhnlich, heute fast schon normal: die künstliche Befruchtung.
© Foto: Dmytro Sukharevskyy / Fotolia
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 Auch Kosten für die künstliche Befruchtung einer unfruchtbaren Frau können zu steuerlich abzugsfähigen außergewöhnlichen Belastungen führen. Das gilt unabhängig davon, ob die Frau in einer festen Beziehung lebt, wie das Finanzgericht (FG) Münster entschied.

Voraussetzung ist danach allerdings die Behandlung in einem der Bundesländer, in denen die ärztliche Berufsordnung eine „Kinderwunschbehandlung“ auch bei alleinstehenden Frauen erlaubt. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließ das FG die Revision zum Bundesfinanzhof zu.

Klägerin nahezu unfruchtbar

Die Klägerin ist krankheitsbedingt nahezu unfruchtbar. 2017, kurz vor ihrem 40. Geburtstag, entschloss sie sich zu einer künstlichen Befruchtung abseits ihres Wohnsitzes. Die Kosten in Höhe von 12.246 Euro machte sie steuerlich als „außergewöhnliche Belastungen“ geltend.

Über ihren „Beziehungsstatus“ machte sie gegenüber dem Finanzamt keine Angaben. Es erkannte die Kosten daher nicht als außergewöhnliche Belastungen an. Voraussetzung hierfür sei, dass die Frau zumindest in einer „gefestigten Partnerschaft“ lebe.

„Gefestigte Partnerschaft“ ist keine Voraussetzung

Dem widersprach nun das FG Münster. Danach muss das Finanzamt die Kosten der „Kinderwunschbehandlung“ in voller Höhe als außergewöhnliche Belastungen anerkennen.

Zur Begründung erklärten die Münsteraner Richter, die Empfängnisunfähigkeit der Klägerin sei „unabhängig von ihrem Familienstand eine Krankheit“.

Weiter heißt es in dem auch bereits schriftlich veröffentlichte Urteil vom 4. Juni 2020: „Die Bereitwilligkeit, mit der die hiervon Betroffenen erhebliche Kosten, große Mühen und unangenehme Behandlungen über sich ergehen lassen, belegt zudem den intensiven Leidensdruck. Insoweit verbietet es sich, den Steuerpflichtigen vorzuhalten, nur in einer gefestigten Beziehung seien die Kosten steuerlich berücksichtigungsfähig.“

Aufstellung der Reproduktionsmediziner über Zulässigkeit

Weitere Voraussetzung sei, dass die Behandlung „mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang steht“. Auch dies sei hier erfüllt gewesen. Denn die Behandlung sei ein einem Bundesland erfolgt, in dem die ärztliche Berufsordnung Kinderwunschbehandlungen auch bei alleinstehenden Frauen erlaubt. Eine gegenteilige Musterrichtlinie der Bundesärztekammer aus 2006 sei 2017 sogar aufgehoben worden.

Inzwischen hat die Mehrheit der Landesärztekammern ihre Regelungen an die neuen Vorgaben der Bundesärztekammer angepasst. Nach einer Aufstellung des Berliner Medizinrechtlers Holger Eberlein für den Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren (BRZ) in Saarbrücken ist aber die Behandlung in Bremen, Brandenburg, Hessen, Nordrhein, Westfalen-Lippe und Rheinland-Pfalz weiterhin auf Paare beschränkt.

Manche Kammern verlangen eine medizinische Indikation

Von den anderen Landesärztekammern verlangen mehrere eine medizinische Indikation, die für eine Steuerbegünstigung aber ohnehin Voraussetzung ist.

Nach dem Münsteraner Urteil muss das Finanzamt auch die Kosten der Samenbank für die Samenspende anerkennen, weil diese „mit der Behandlung eine untrennbare Einheit“ bildeten.

Bei verheirateten Paaren mit unfruchtbarem Mann habe auch der Bundesfinanzhof (BFH) in München die Samenspende schon als eine Möglichkeit der „Behandlung“ anerkannt, ebenso bei lesbischen Paaren.

Finanzgericht Münster, Az.: 1 K 3722/18 E

Quelle: www.aerztezeitung.de

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