Bei Schwangeren hängen Risiken von der Art der Adipositas ab

Auch bei Schwangeren ist Adipositas nicht gleich Adipositas. Frauen mit metabolisch günstiger Adipositas haben offenbar kein Risiko für Nachwuchs mit Makrosomie, wie eine aktuelle Studie jetzt belegt.

von Dr. Helmut Kleinwechter
29.11.2021

Der „Apfeltyp“ von Adipositas (links) mit betontem viszeralen Fettgewebe gilt eher als metabolisch ungünstig. Der „Birnentyp“ (rechts) mit viel subkutanem Fettgewebe an Hüften, Gesäß und Oberschenkeln gilt eher als metabolisch günstig.
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Adipositas bei Schwangeren ist mit einem Risiko für Makrosomie bei ihren Kindern verbunden. Seit einigen Jahren wird allerdings eine genetisch determinierte metabolisch günstige Adipositas von einer ungünstigen abgegrenzt.

Assoziiert sind damit besonders ausgedehnte subkutane Fettspeicher und relativ wenig Leberfett. Bei metabolisch günstiger Adipositas ist es den Adipozyten möglich, mehr Triglyceride in Depots zu speichern, die das Risiko für Typ-2-Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen und arterielle Hypertonie relativ wenig steigern.

Hat nun aber eine günstige Adipositas bei Schwangeren einen ähnlich negativen Einfluss auf das Geburtsgewicht von Neugeborenen wie eine ungünstige? Dieser Frage sind Epidemiologen aus England und den USA um Dr. William Thompson von der Universität Exeter nachgegangen (Diabetologia 2021; online 20. September).

„Mendelsche Randomisierung“

Die Forscherinnen und Forscher haben dazu eine „Mendelschen Randomisierung“ vorgenommen. Bei dem Analyseverfahren werden mit speziellen biostatistischen Methoden genetische Marker und klinische Ereignisse in Beziehung gesetzt. Zusammenhänge von Genotyp und Geburtsgewicht lassen sich so kausal bewerten.

Mit Daten von 406063 Schwangeren wurde dabei der mütterliche Genotyp in Assoziation mit dem Neugeborenengewicht untersucht. Die Ergebnisse:

  • Je ausgeprägter die Adipositas der Mutter mit metabolisch günstigem Profil war, desto niedriger war das Geburtsgewicht ihres Kindes. Für jede Standardabweichung beim BMI-Zuwachs (um 6,5 Prozent) ging das Gewicht der Neugeborenen um 94 g zurück.
  • Bei den Müttern mit ungünstigem Profil war ein höherer BMI pro eine Standardabweichung Zuwachs (4 kg/m²) mit einem um 35 g höheren Geburtsgewicht der Neugeborenen assoziiert.

Eine sekundäre Analyse aus vier Kohorten mit 9232 Mutter-Kind-Paaren untersuchte zudem den Effekt beider Adipositas-Varianten auf die mütterliche Blutglukose sowie auf anthropometrische Komponenten des Geburtsgewichts und Nabelschnur-Biomarker (Leptin).

Günstige Adipositas senkt Glukose

Die Sekundäranalyse konnte belegen, dass ein günstiges Adipositas-Profil der Mutter bei ihr die Nüchtern-Plasmaglukose sogar senkte. Bei ungünstigem Profil erhöhte sich hingegen bei ihr die Plasmaglukose. Letztlich fanden sich vergleichbar der Plasmaglukose ein niedrigeres Nabelschnur-Leptin bei günstigem Profil und ein erhöhtes Nabelschnur-Leptin bei ungünstigem Profil.

ie Autoren schließen daraus, dass eine zunehmende Adipositas der Mutter nicht notwendigerweise zu einem erhöhten Gewicht der Neugeborenen führen muss. Im Gegenteil: Das Geburtsgewicht sinkt sogar mit ansteigendem Körperfett, wenn eine Adipositas mit einem metabolisch günstigen Profil vorliegt.

Fazit: Die Effekte von gespeichertem Körperfett mit metabolisch günstigem Profil haben also nach den Studiendaten kausale (genetisch determinierte) Einflüsse auf das Neugeborenen-Gewicht. Die Erklärung dafür steht im Einklang mit der Hypothese einer sogenannten Fettgewebe-Erweiterbarkeit („adipose tissue expandability“).

Danach können Adipozyten bei metabolisch günstigem Profil exzessive Triglyceride vorzugsweise im Subkutangewebe speichern und halten die intraabdominellen Speicher, insbesondere die Leber, frei von Fettakkumulation. Das wiederum senkt die Insulinresistenz, erniedrigt die Nüchtern-Plasmaglukose und damit den materno-fetalen Glukosetransfer. Glukose ist das wichtigste Ernährungssubstrat für den Fetus.

Wie Risiken stratifizieren?

nhaltend erhöhter Glukosetransfer von der Mutter zum Fetus kann zu fetalem Hyperinsulinismus und damit zu dessen beschleunigtem Wachstum führen. Bleibt der erhöhte Glukosetransfer aus, wächst der Fetus normal und – wie hier belegt – reduziert sich sein Geburtsgewicht sogar mit steigender mütterlicher (vorteilhafter) Fettanreicherung.

Damit haben Mütter mit metabolisch günstigem Profil zwar einen hohen BMI, schützen aber ihre Kinder durch diesen genetischen Determinismus vor perinatalen Folgen eines makrosomen Geburtsgewichts (etwa Schulterdystokie). Darüber hinaus sind die Mütter selbst vor peripartalen Folgen (etwa Dammriss) geschützt.

Der BMI der Mutter allein erlaubt keine sichere Prognose darüber, wie schwer der Nachwuchs bei der Geburt wird. Damit ist das nächste Kapitel eröffnet: Wie werden wir künftig adipöse Mütter oder auch übergewichtige oder adipöse Frauen mit Kinderwunsch durch einfache Messungen nach ihren Risiken stratifizieren können?

Dr. Helmut Kleinwechter

  • Internist und Diabetologe. Er war bis 2017 Partner in einer Diabetes-Schwerpunktpraxis in Kiel.
  • Aktuell ist er als Gerichtsgutachter, wissenschaftlicher Ko-Leiter beim Diabetes Update und in der diabetologischen Fortbildung tätig.

Quelle: www.aerztezeitung.de

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