Durch Kaffee gerät das Herz nicht außer Takt – zumindest bei Gesunden

Kaffee könnte Rhythmusstörungen begünstigen, ist eine immer wieder geäußerte Befürchtung. Eine randomisierte Studie sagt jetzt aus: Zumindest bei Gesunden ist das wohl nicht der Fall.

von Veronika Schlimpert
30.12.2021

Schützt er oder schützt er nicht? Die Diskussion um die Eigenschaften von Kaffee dauert an.
© Foto: dimakp / stock.adobe.com
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Es gibt wohl kaum ein anderes Getränk, das so umstritten ist wie Kaffee. Die einen schwören darauf, die anderen halten das koffeinhaltige Heißgetränk für gesundheitsschädlich.

Eine seit Jahrzehnten bestehende Kontroverse dreht sich um die Frage, ob Kaffee Rhythmusstörungen begünstigen kann. Entsprechende Verdachtsmomente haben Fachgesellschaften gar dazu bewegt, von dem Konsum abzuraten, um das Arrhythmie-Risiko zu senken. In den letzten Jahren wurden allerdings immer mehr Studien publiziert, die dahingehend Entwarnung geben. Randomisierte Studien zu den akuten Auswirkungen von Kaffee gibt es bis dato kaum.

Randomisierte Studie gibt erneut Entwarnung

Beim AHA-Kongress wurde nun eine solche Studie mit dem Namen CRAVE vorgestellt (Marcus G: CRAVE Trial, AHA Congress 2021). Und deren Ergebnisse bestätigen die Unbedenklichkeit von Kaffee mit Blick auf den Herzrhythmus, zumindest für gesunde Menschen. Der Kaffeekonsum habe zu keinem Anstieg von Vorhofarrhythmien geführt, erörterte Studienautor Dr. Gregory Marcus das Hauptergebnis der Studie beim AHA. Sie hätten auch keine Evidenz für eine Assoziation zwischen Kaffeekonsum und dem Auftreten vorzeitiger Vorhofkontraktionen gefunden, führte der in San Francisco tätige Rhythmologe weiter aus.

Insgesamt 100 gesunde Menschen ohne bekannte Rhythmusstörungen sind für die Studie rekrutiert worden. Ihnen wurde ein EKG-Pflaster zur kontinuierlichen Rhythmusüberwachung sowie ein Messgerät zur kontinuierlichen Glukosemessung ausgehändigt. Alle erhielten ein Wearable zur Dokumentation der täglichen Schrittzahl und Schlafdauer und sollten ihre Aktivitäten über eine Smartphone-App erfassen. Des Weiteren wurden die Gene der Patienten auf spezielle Polymorphismen untersucht.

An jedem Tag wurde jede(r) Teilnehmer/in aufs Neue zufällig zugeteilt: Entweder sie/er sollte an diesem Tag mindestens eine Tasse Kaffee zu sich nehmen oder aber auf jegliche koffeinhaltige Getränke verzichten. Die entsprechende Information erhielten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen am Abend zuvor, am Morgen desselbigen Tages wurden sie nochmals daran erinnert. Die Patienten wurden zudem angehalten, bei Konsum jeglicher Kaffeeprodukte ihren EKG-Patch zu aktivieren. Darüber hinaus wurden ihnen täglich Fragen zu ihrem Konsumverhalten gestellt.

Keine akuten Auswirkungen auf Arrhythmie-Risiko

Die Auswertung dieser Aktivitäten ergab, dass Kaffeekonsum akut keine Auswirkungen auf das Auftreten von ventrikulären Tachykardien hat. Genauso wenig kam es darunter vermehrt zu supraventrikulären Tachykardien. Laut der Per-Protokoll-Analyse reduzierte das Kaffeetrinken das relative Risiko hierfür sogar geringfügig (relatives Risiko, RR: 0,88; p=0,028).

Vorzeitige atriale Kontraktionen traten nach dem Kaffeekonsum ebenfalls nicht häufiger auf. Einzig das relative Risiko für ventrikuläre Extrasystolen war in der Intention-to-Treat-Analyse (ITT) signifikant erhöht, wenn Kaffee getrunken wurde (RR: 1,54; p=0,001). Besonders ausgeprägt war dieser Zusammenhang bei Personen, die gemäß ihrer Genanalyse als „faster caffeine metabolizer“ eingestuft wurden. In der Per-Protokoll-Analyse ergab sich jedoch kein signifikanter Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und dem Auftreten von Extrasystolen (RR: 1,10; p=0,54).

Bedeutsame Effekte auf körperliche Aktivität und Schlaf

Wie Marcus beim AHA-Kongress berichtete, hatte das Kaffeetrinken aber „einen klinischen bedeutsamen Anstieg der körperlichen Aktivität“ zur Folge gehabt. So ergab die ITT-Analyse, dass die Aktivität in Zeiten des Konsums um durchschnittlich 1058 Schritte pro Tag angestiegen ist (p=0,0011).

Die Kehrseite des Kaffeekonsums war eine reduzierte Schlafdauer, die der Studienautor ebenfalls als klinisch bedeutsam einstufte. Im Schnitt schliefen die Teilnehmer während der konsumierenden Tage 36 Minuten weniger als in Phasen, in denen sie kein Kaffee zu sich nahmen (p ˂ 0,001). Auch hier zeigte sich eine Interaktion mit genetischen Faktoren. Demzufolge scheinen sog. „slower caffeine metabolizer“ hinsichtlich ihrer Schlafdauer deutlich stärker auf die Kaffeezufuhr zu reagieren.

„Studienteilnehmer nicht repräsentativ“

In der anschließenden Diskussion beim AHA gab Professor Sana Al-Khatib zu bedenken, dass in der Studie Personen untersucht worden sind, die nicht das typische Patientenklientel in der Praxis repräsentieren. Es handelte sich um relativ junge Patienten (im Schnitt 38 Jahre alt), die keine kardiovaskulären Vorerkrankungen und kein Übergewicht gehabt hätten, bemerkte die Ärztin vom Duke University Medical Center in Durham.

Die Ergebnisse der Studie lassen sich ihrer Ansicht nach deshalb nicht eins-zu-eins auf Patienten mit beispielsweise bestehenden Rhythmusstörungen übertragen. Im nächsten Schritt sollten, so Al-Khatib, die Ergebnisse an anderen, größeren Populationen repliziert und dabei auch harte Endpunkte während einer längeren Beobachtungszeit untersucht werden.

Quelle: Ärzte Zeitung

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