Frau Blume, bitte zum Röntgen!

Der Radiologe Dr. Julian Köpke betreibt „Fusion Imaging“ – dabei werden Röntgenbilder und Fotos zu neuartigen Kunstwerken übereinandergelegt. Eine Technik, die sich auch zur Qualitätskontrolle eignet.

21.06.2023

Röntgenbild einer Calla wird abfotografiert
© Foto: Martin Heintzen
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Es wird dunkel im Röntgenraum der radiologischen Praxis von Dr. Julian Köpke. Doch was auf dem Bildschirm im Nachbarzimmer erscheint, ist nicht etwa das MRT eines Kniegelenks oder die Mammografie einer weiblichen Brust. Zu sehen ist ein Strauß heller Lilien, die auf einem LED-Bildschirm mal als Bouquet und mal als eine Art Tanzgruppe angeordnet sind. Köpke speichert die Motive als „Frau Calla Blume“ ab – denn jedes Bild wird im System als ganz normaler Patient geführt. Sind die Röntgenbilder im Kasten, fotografiert der Radiologe die Blumen mit seiner Digitalkamera, ohne dabei ihre Position zu verändern. Dazu wählt er verschiedene Helligkeitsstufen bis hin zur Überbelichtung.

Licht in all seinen Schattierungen spielt eine große Rolle für Köpke. Seine Leidenschaft ist der künstlerische Umgang mit Röntgenstrahlung – konkret widmet er sich dem „Fusion Imaging“, das seinen Anfang vor Jahrzehnten in den USA nahm. Bei dieser Technik werden die X-Rays und Fotos der Objekte übereinandergelegt, dadurch liefern sie einen präzisen Einblick in die inneren Strukturen der Motive. „Pflanzen eignen sich hierfür besonders gut “, erläutert der 66-jährige Facharzt im Gespräch mit der Ärzte Zeitung.

Darstellung in allerfeinsten Details

Denn durch die Verbindung von Durchleuchtung und Fotografie ließen sich Blüten und Blätter in allerfeinsten Details darstellen – deutlicher, als es jeweils auf Fotos oder bei Gemälden möglich ist. „Indem man die beiden Techniken verbindet, entsteht ein völlig neuer Bildeindruck“, sagt Köpke. „Das Ergebnis zeichnet sich durch eine zarte Transparenz aus, die in ihren Farbnuancen an Aquarelle erinnert.“ Die Transparenz sei eine „Illusion“, die durch das Zusammenwirken von Radiografie und Foto entsteht. Vor allem das digitale Röntgen und die digitale Fotografie hätten in den vergangenen Jahren für völlig neue Möglichkeiten gesorgt.

Um den gewünschten Effekt zu erzeugen, sollten ausschließlich Gegenstände gewählt werden, die bereits beim Betrachten durchscheinen wie zum Beispiel Blumen, aber auch Früchte oder Schneckenhäuser und Muscheln, empfiehlt er. Besonders solide Körper wie ein Kaktus seien aber nicht geeignet, da die Strahlung nicht durchdringen und das Objekt dementsprechend nicht transparent gemacht werden kann. Und mit Strahlung kennt sich Köpke aus: Schließlich ist er nicht nur Facharzt für Radiologie, sondern hat auch einen Abschluss als Diplom-Physiker. Nach dem Röntgen könne man die Blumen durchaus noch in eine Vase stellen, die Röntgenstrahlen seien für die Pflanzen nicht gefährlich – ebenso wenig wie für die Menschen, schließlich blieben sie nicht in den Gegenständen drin.

Mittel zur Qualitätssicherung

Seit mehr als 20 Jahren betreibt Julian Köpke gemeinsam mit vier weiteren Kollegen eine radiologische Gemeinschaftspraxis im badischen Bruchsal. Die praxiseigenen Röntgengeräte nutzt er nach Dienstschluss für seine Kunstwerke. Seine Kollegen ließen ihn machen, betont er. „Fun-Röntgen“ sei unter Radiologen weit verbreitet, weiß der Facharzt. Er ist also nicht der Einzige aus seinem Fachbereich, der Pflanzen oder Alltagsgegenstände durchleuchtet. „Fusion Imaging“ ist in der Wissenschaft durchaus gängig, so wird es beispielsweise in der Astronomie und der diagnostischen Radiologie verwendet.

Die Idee, Blumen zu röntgen, hat er gemeinsam mit seinem Freund, dem amerikanischen Fotografen Harold Davies, entwickelt. Fotografie gehört schon seit vielen Jahren zu seinen Hobbys, hier beläuft sich sein Portfolio auf mittlerweile rund 40.000 Bilder. Mit „Fusion Imaging“ arbeitet er seit 2018. Inzwischen sind daraus einige hundert Werke hervorgegangen. Einen Teil davon hängt er in der Praxis auf, andere nutzt er für Kalender oder Grußkarten. Regelmäßig erscheinen seine Bilder auch in Publikationen des Berufsverbandes Deutscher Radiologen, in dem Köpke als Schriftführer dem Vorstand angehört.

Herkömmliche LED aus dem Baumarkt

Köpke holt aber nicht nur die heimische Flora vor die Linse. „Fusion Imaging“ eigne sich obendrein als Mittel zur Qualitätssicherung, betont er scherzhaft. So lasse sich mit Hilfe der Apparate herausfinden, ob in einer Tafel Nuss-Schokolade die Nüsse gleichmäßig verteilt seien. In einem anderen Fall unterzog er spontan seinen Mittagsimbiss, eine geräucherte Forelle, einer Mammografie – um auch sie im Nachgang mit den entsprechenden Fotos zu einem neuartigen Bild zu verarbeiten.

Ist Fusion Image also eine Kunst, die ausschließlich Radiologen und Astronomen vorbehalten ist? Theoretisch könne sich dieser Technik jeder widmen. Aber Röntgengeräte seien bekanntermaßen mit rund 250.000 Euro nicht gerade günstig, räumt Julian Köpke ein. Als Lichtquelle müsse man aber nicht unbedingt Röntgenbildschirme verwenden, hier eigneten sich auch herkömmliche LED aus dem Baumarkt. Man könne die Reihenfolge auch umdrehen, erst Fotos machen und dann röntgen. Hauptsache, die Objekte werden nicht mehr bewegt und sind deckungsgleich.

Quelle: Ärzte Zeitung

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