Hoffnung auf Medikament gegen Magersucht

(fast) Anorexia nervosa ist eine schwerwiegende Essstörung. Behandelt werden Betroffene psychotherapeutisch, ein Medikament ist bislang nicht zugelassen. Wissenschaftlern ist es nun erstmals gelungen, den Zustand einer kleinen Patientengruppe über die Gabe eines leptinhaltigen Medikaments maßgeblich zu verbessern.

19.10.2020

Mit einem Maßband umwickelte Hände, die Gemüse auf einem Teller schneiden.
© Foto: Pixelbliss / stock.adobe.com
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Leptin ist ein Hormon, das die Anpassung des Körpers an den Hungerzustand reguliert. Fällt der Leptin-Spiegel im Blut ab, werden zahlreiche körperliche Funktionen auf Sparflamme gesetzt; zugleich kommt es im Tiermodell zu einer übermäßigen körperlichen Aktivität. Ein Symptom, das auch viele Magersüchtige zeigen, die häufig exzessiv Sport treiben. „Schon vor 20 Jahren konnten wir im Tierversuch zeigen, dass eine durch Hunger ausgelöste Hyperaktivität durch Gabe von Leptin gestoppt werden kann“, erklärt Studienleiter Prof. Johannes Hebebrand von der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters am LVR-Klinikum in Essen.

Aber erst 2018 wurde das für die Studie eingesetzte Medikament Metreleptin für die Behandlung einer seltenen Stoffwechselstörung zugelassen, was eine Off-label-Verschreibung für die Studienteilnehmer möglich machte. Daraufhin haben die Wissenschaftler gemeinsam mit Schweizer Kollegen erstmals drei Patientinnen für ein bis zwei Wochen mit Leptin behandelt.

Das Ergebnis: Bereits nach zwei bis drei Tagen besserte sich die Depression der Patientinnen deutlich. Sie konnten sich besser konzentrieren, ihr Bewegungsdrang verringerte sich, sie entwickelten wieder Interesse an ihrer Umwelt und nahmen vermehrt sozialen Kontakt auf. Sogar essstörungsspezifische Denkweisen wurden abgeschwächt. Auch wenn die Effekte die Erwartungen der Wissenschaftler weit übertroffen haben, betont Hebebrand: „Bevor eine breite Anwendung des Medikaments erwogen wird, müssen die Ergebnisse in kontrollierten Studien abgesichert werden“.

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