Ist Krebs schon Jahre vor der Diagnose im Blut erkennbar?

Ein neuer Test, der sich auf zirkulierende Tumor-DNA stützt, erkennt einer Studie zufolge künftigen Krebs im Plasma asymptomatischer Menschen schon Jahre vor Diagnose. Doch es gibt ein Problem mit dem Test.

von Robert Bublak
04.09.2020

Bluttest: Chinesische Forscher haben einen Test entwickelt, der auf der Basis typischer DNA-Methylierungsmuster Krebserkrankungen bereits Jahre vor der Diagnose anhand von zirkulierender Tumor-DNA im Blutplasma erkennen soll.
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Chinesische Forscher um Xingdong Chen von der Fudan-Universität in Shanghai haben einen Test entwickelt, der auf der Basis typischer DNA-Methylierungsmuster Krebserkrankungen bereits Jahre vor der Diagnose anhand von zirkulierender Tumor-DNA im Blutplasma erkennen soll. Der PanSeer-Assay nutzt dafür 10.613 Cytosin-Guanin-Positionen von 477 krebsspezifischen Methylierungsregionen in 657 Genen, in denen sich die Muster von jenen gesunden Gewebes unterscheiden. Bei den Tumoren, auf die kollektiv getestet wird, handelt es sich um Magen-, Speiseröhren-, Kolorektal-, Lungen- und Leberkrebs.

Spezifität und Sensitivität des PanSeer-Assays liegen bei 96 Prozent

In einem Test mit 223 Patienten, bei denen bereits Krebs diagnostiziert worden war, und 414 gesunden Kontrollpersonen erreichte der Assay eine Spezifität von 94,7 Prozent und eine Sensitivität von 88,2 Prozent (Nature Commun 2020; online 21. Juli). Spannender allerdings war die Versuchsanordnung, in der die Plasmaproben von 605 asymptomatischen Probanden untersucht wurden, darunter 191, bei denen binnen vier Jahren nach der Blutentnahme einer der genannten fünf Tumoren diagnostiziert wurde. Hier lag die Spezifität bei 96,1 Prozent und die Sensitivität bei 95,7 Prozent. Die Fläche unter der Kurve für die Receiver-Operating-Characteristic erreichte den ausgezeichneten Wert von 0,99 (Maximum: 1,00).

Chen und Mitarbeiter ziehen auf der Basis ihrer Zahlen ein optimistisches Fazit: „Diese Resultate zeigen, dass sich Krebs auf nichtinvasive Weise bis zu vier Jahre früher als mit der Standarddiagnostik entdecken lässt.“

Dennoch: Viele Gesunde würden falsch positive Diagnose erhalten

Welchen Gewinn es bedeuten würde, könnte man Krebserkrankungen Jahre früher auf die Spur kommen, als sie klinisch in Erscheinung treten, muss nicht eigens diskutiert werden. Der PanSeer-Assay mag ein Kandidat dafür sein. Ob er das in seiner jetzigen Form leisten kann, scheint aber trotz zunächst überzeugender Zahlen fraglich. Beispielsweise wird die Fünf-Jahres-Prävalenz von Krebs insgesamt in Deutschland mit 2,01 Prozent angegeben. Mit dieser Prävalenz und den für PanSeer angegebenen Spezifitäts- und Sensitivitätswerten würde das bedeuten, dass sich unter 10.000 Menschen in Deutschland in einem Zeitraum von fünf Jahren 201 Krebspatienten befinden. Der Assay würde 192 davon erkennen, aber auch 382 Gesunde mit einer falsch positiven Diagnose versehen. Der positive Vorhersagewert läge bei 33 Prozent: Von drei Patienten mit positivem Ergebnis hätte beziehungsweise bekäme damit nur einer Krebs. Mehr Verlass wäre auf negative Tests, denn der negative Vorhersagewert betrüge 99,9 Prozent.

Quelle: www.aerztezeitung.de

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