Kinder aus belasteten Familien haben höheres Risiko für viele Erkrankungen

Der Gesundheitsreport der AOK Rheinland/Hamburg zeigt Zusammenhänge zwischen dem Krankheitsrisiko für Kinder und der Situation ihrer Familien auf

27.06.2023

Die AOK hat anhand von Eltern- und Kind-Diagnosen ermittelt, wie stark das Risiko des Kindes für die Entwicklung von Auffälligkeiten ist im Vergleich zu allen Kindern, die dieser spezifischen Belastung nicht ausgesetzt sind. Am auffälligsten ist dieser
© Foto: Alexander Heinl / dpa
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Kinder von belasteten Eltern wachsen unter Bedingungen auf, die sich oft auf ihre eigene Gesundheit auswirken. Dass es sich dabei um kein Randphänomen handelt, zeigt der aktuelle Gesundheitsreport der AOK Rheinland/Hamburg: Über 50 Prozent der in der Hansestadt aufwachsenden Kinder werden in Familien groß, die einer besonderen Belastungssituation – oft Krankheit der Eltern oder Armut – ausgesetzt sind.

Nach Beobachtung von Matthias Mohrmann, Vorstandsvize der AOK Rheinland/Hamburg, steht die Situation dieser Kinder oftmals "im Schatten" anderer Probleme – obwohl es weder an der Erkenntnis für das Problem, noch an niedrigschwelligen Beratungsangeboten mangelt.

Viele Hamburger Kinder kommen aus belasteten Familien

Der Report der AOK verdeutlicht die Dimension des Problems: Jedes vierte bei der AOK mitversicherte Kind in Hamburg lebt mit einem Elternteil zusammen, das unter psychischen Störungen leidet, 15 Prozent haben eine körperlich erkrankte Mutter oder einen kranken Vater. 38,5 Prozent des Hamburger Nachwuchses, dessen Eltern bei der AOK versichert sind, leben in sozioökonomisch benachteiligten Familienverhältnissen.

Warum dies für viele Kinder ein Problem darstellt, machte Mohrmann heute bei der Vorstellung des Gesundheitsreports deutlich: "Die Familie ist der wichtigste soziale Bezugspunkt und Bildungsort. Fehlt es hier an Unterstützung und Hilfestellungen auf dem Weg zum Erwachsensein, kann das weitreichende Folgen nach sich ziehen."

Kinder von suchtkranken Eltern haben erhöhte Risiken

Die AOK hat anhand von Eltern- und Kind-Diagnosen ermittelt, wie stark das Risiko des Kindes für die Entwicklung von Auffälligkeiten ist im Vergleich zu allen Kindern, die dieser spezifischen Belastung nicht ausgesetzt sind. Am auffälligsten ist dieser Zusammenhang, wenn ein Elternteil suchtkrank ist. Dann ist das Risiko für eine Schädigung des Fötus um 680 Prozent und für das Kind, ebenfalls suchtkrank zu werden, um 156 Prozent erhöht. Ein immerhin noch 74-prozentig erhöhtes Risiko besteht für Probleme in der Perinatalphase, um 57 Prozent erhöht sich das Risiko für ein ADHS des Kindes.

Weitere Ergebnisse:

  • Kinder, bei denen ein Elternteil unter einer psychischen Störung leidet, haben im Vergleich zu anderen Kindern eine um 113 Prozent erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass sie als Fötus eine Schädigung erfahren haben. Auch die Risiken für ADHS (plus 72 Prozent), Essstörung (69 Prozent), Sozialverhaltensstörung (68 Prozent) und Sucht (49 Prozent) sind ausgeprägt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie Psychopharmaka verordnet bekommen, steigt um 76 Prozent, für eine Psychotherapie um 71 Prozent und für Krankenhausaufnahmen und ambulante Notfälle um jeweils 14 Prozent.
  • Kinder, bei denen ein Elternteil körperlich erkrankt ist, haben schwächere Risiken. Am stärksten erhöht ist für sie das Risiko, an Adipositas zu erkranken (37 Prozent.) Weitere erhöhte Risiken bestehen hier für ein niedrigeres Geburtsgewicht (28 Prozent), für ADHS (25 Prozent) und Asthma (24 Prozent).
  • Die wenigsten Risiken bestehen bei Kindern mit einem pflegebedürftigen Elternteil. Stark ausgeprägt ist hier allerdings die Gefahr, dass Kinder seltener geimpft werden (91 Prozent) und eine U-Untersuchung versäumen (38 Prozent). Um 61 Prozent erhöht ist das Risiko, dass sie eine Essstörung entwickeln und um 36 Prozent, dass es zu einer Sozialverhaltensstörung kommt.
  • In Haushalten mit ALG-2- Bezug erhöht sich das Risiko für eine Schädigung des Fötus um 155 Prozent, das für eine Sozialverhaltensstörung um 40 Prozent und für eine Sucht um 29 Prozent. Dass eine U-Untersuchung versäumt wird, ist hier um 64 Prozent wahrscheinlicher.

Die Entwicklung solcher Auffälligkeiten erfolgt aber nicht zwangsläufig. "Den meisten Kindern gelingt es, Belastungssituationen gut zu verarbeiten", heißt es im Report. Und es gibt vereinzelt sogar positive Auswirkungen dieser Belastungen. So ist etwa die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder körperlich kranker Eltern eine U-Untersuchung versäumen, um zwölf Prozent niedriger als bei allen anderen Kindern. Das Risiko, dass Kinder aus ALG-2-Familien eine Essstörung entwickeln, ist um 25 Prozent geringer. Das Risiko, Impfungen zu versäumen, ist bei Kindern mit psychisch oder körperlich erkrankten Eltern ebenso wie bei Kindern mit süchtigen Eltern nicht größer oder kleiner als bei allen anderen Kindern auch.(di)

Quelle: Ärzte Zeitung

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