Kitas sind keine Verbreitungsherde für Coronavirus

Im Zuge einer Studie in hessischen Kindertagesstätten wurden mehrere hundert Kinder und Erzieher über zwölf Wochen regelmäßig auf SARS-CoV-2 getestet – die einzigen positiven Proben stammten dabei nicht von Kindern.

von Christoph Barkewitz
15.11.2020

Eine hessische Studie legt nahe, dass Kindertagesstätten kein Reservoir für SARS-CoV-2 darstellen. Trotzdem gilt natürlich: Gründlich Hände waschen wie hier vorbildlich praktiziert in einer Frankfurter Kita.
© Foto: Frank Rumpenhorst/dpa
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Kinder im Vorschulalter stellen einer neuen Studie zufolge kein großes Risiko bei der Übertragung von SARS-CoV-2 dar. Von mehr als 800 einmal wöchentlich untersuchten Kita-Kindern zeigte demzufolge innerhalb eines Zeitraums von zwölf Wochen keines ein positives Ergebnis auf das neuartige Coronavirus. „Kindertagesstätten scheinen bei niedriger Inzidenz kein Reservoir für SARS-CoV-2 darzustellen“, folgert Professor Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie der Universitätsklinik in Frankfurt am Main.

Ciesek und ihr Team hatten im Zuge der Safe-Kids-Studie (SARS-CoV-2 Früh-Erkennung in KiTas durch Dual Swabs) im Zeitraum von Mitte Juni bis Mitte September in 50 hessischen Kitas Kinder sowie deren Erzieher und Erzieherinnen auf SARS-CoV-2 getestet. Die Abstriche hatten dabei die Kita-Mitarbeiter beziehungsweise die Eltern der Kinder einmal pro Woche selbst vorgenommen: sowohl an der Wangenschleimhaut wie auch am Anus („Dual Swabs“).

Die Kitas waren vom Statistischen Landesamt ausgesucht worden, um eine repräsentative Verteilung darzustellen – lediglich aus dem Landkreis Bergstraße, dem Odenwaldkreis und der Stadt Darmstadt waren keine Kitas beteiligt, wie Cieseks Mitarbeiter Dr. Sebastian Hoehl, Pädiater und angehender Virologe, erläutert. Die meisten Kitas lagen im Rhein-Main-Gebiet, was auch der Bevölkerungsverteilung im Bundesland entspricht.

Wangen- und Analabstriche

Teilgenommen hatten an der freiwilligen Testreihe 825 Kinder und 372 Kita-Mitarbeiter. Dabei wurden von beiden Gruppen im besagten Zeitraum insgesamt 7366 Wangen- und 5907 Analabstriche im Pooling-Verfahren getestet – je zehn Proben gleichzeitig, bei positivem Befund wurden allesamt nochmals einzeln im PCR-Verfahren untersucht. Das Ergebnis: Zwei positive Befunde mit respiratorischer und einer mit gastrointestinaler Virusausscheidung, wobei ein Wangen- und ein Anusabstrich derselben Personen zuzuordnen waren.

In beiden Fällen habe es sich um Erzieherinnen gehandelt, berichten Ciesek und Hoehl, eine aus dem Rheingau-Taunus-Kreis ohne Symptome, eine aus dem Kreis Groß-Gerau mit Erkältungssymptomen. Bei keinem der Kinder habe es einen positiven Befund gegeben. Die weitaus meisten Kinder waren im Alter zwischen drei und fünf Jahren (rund 700), die jüngsten unter einem Jahr, die ältesten acht Jahre alt.

Tests bei niedrigen Inzidenzen

Die beiden Mediziner weisen darauf hin, dass die Tests in den Sommermonaten zu Zeiten allgemein niedriger Corona-Fallzahlen erfolgten, in die zudem noch die Sommerferien fielen. Was sie auch in ihrem Fazit betonen: „Bei relativ niedriger SARS-CoV-2-Inzidenz in Hessen waren Infektionen in Kindertagesstätten ein sehr seltenes Ereignis.“ In der momentanen Situation stark steigender Neuinfektionszahlen „würden wir da wohl mehr Infektionen sehen“, schätzt Hoehl.

Sozialminister Kai Klose (Grüne) stellt denn auch die Prüfung in Aussicht, die Untersuchung unter den neuen Rahmenbedingungen zu wiederholen. Das Sozialministerium in Wiesbaden hatte die Studie der Frankfurter Virologen unterstützt, um der Frage nachzugehen, welche Rolle Kinder im Infektionsgeschehen des neuen Coronavirus spielen.

Argument gegen Kita-Schließungen

Im März sei man noch davon ausgegangen, dass Kinder intensive Verbreiter ähnlich wie bei Influenza- und Rhinoviren sein könnten, so der Minister. Auch wenn die Studienergebnisse nur für die Phase niedriger Inzidenz gälten, könne man doch davon ausgehen, dass Kinder nicht zu den großen Verbreitern von SARS-CoV-2 gehören. „Dies ist ein zusätzliches Argument, Kitas nicht wieder zuzumachen“, folgert Klose.

Zu über die Kitas herausgehenden Schlussfolgerungen können die Ergebnisse der Safe-Kids-Studie nicht dienen, sagt Ciesek: „Die Daten von Kindergartenkindern sind nicht vergleichbar mit den Daten von Schulkindern.“ Ab dem Alter von zwölf Jahren gehe vermutlich ein ähnliches Übertragungsrisiko aus wie von einem Erwachsenen.

Eine Untersuchung an Hessens Schulen läuft derzeit ebenfalls unter der Regie Cieseks und des Sozialministeriums – allerdings nur bei Lehrern.

Quelle: www.aerztezeitung.de

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