Krebstherapie bei Schwangeren ohne Folgen fürs Kind?

Die Therapie von bösartigen Tumoren während der Schwangerschaft führt offenbar längerfristig nicht zu kognitiven oder Verhaltensauffälligkeiten beim Nachwuchs. Das hat eine Nachuntersuchung von Kindern im Alter von neun Jahren ergeben.

von Von Dr. Robert Bublak
27.04.2023

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Das Wichtigste in Kürze

Frage: Wie wirkt sich eine Krebserkrankung der Mutter während der Schwangerschaft respektive deren Therapie auf die Fähigkeiten der Kinder in der späteren Kindheit aus?

Antwort: Im Alter von neun Jahren sind im Schnitt keine kognitiven Einschränkungen oder Verhaltensauffälligkeiten der Kinder nach einer Krebserkrankung ihrer Mütter während der Schwangerschaft feststellbar.

Bedeutung: Ein größeres Risiko für die kognitive Gesundheit der Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft gegen Krebs behandelt werden, scheint die hier häufiger vorliegende Frühgeburtlichkeit darzustellen.

Einschränkung: Für die Analyse der Frage, welchen Einfluss eine Chemotherapie während der Schwangerschaft auf die geistigen Fähigkeiten der Kinder im Alter von neun Jahren hat, reichte die Teststärke der Studie womöglich nicht aus.

Chemotherapie: Nach einer Krebserkrankung während der Schwangerschaft sind einer aktuellen Studie zufolge bei den Kindern im Alter von neun Jahren im Schnitt keine kognitiven Einschränkungen oder Verhaltensauffälligkeiten feststellbar. (Symbolbild)


© Foto: RFBSIP / stock.adobe.com

In der Studie des International Network on Cancer, Infertility and Pregnancy (INCIP) werden Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft eine Krebstherapie durchgemacht haben, bis zu einem Alter von 18 Jahren in regelmäßigen Abständen nachuntersucht.(J Clin Oncol 2023, online 12. Januar) Nun liegen die Ergebnisse mit Blick auf Kognition und Verhalten für neunjährige Kinder vor.

Dabei waren keine Unterschiede im Vergleich zu den altersentsprechenden Normwerten festzustellen. Demgegenüber hatten Tests nach 22 Monaten und sechs Jahren durchaus Auffälligkeiten ergeben: Nach 22 Monaten hatten sich kognitive Defizite gezeigt, und nach sechs Jahren waren die verbale Intelligenz und das visuell-räumliche Gedächtnis eingeschränkt gewesen. Chemotherapie in der Schwangerschaft war mit geringerer emotionaler Regulation assoziiert.

Neurokognitive Tests und Befragung der Eltern

Für die jetzige Nachuntersuchung waren 151 Kinder im mittleren Alter von 9,3 Jahren einer neurokognitiven Testbatterie unterzogen worden, ihre Eltern füllten zudem einen Fragebogen aus, der Auskunft über das Verhalten der Kinder geben sollte. 109 Kinder (72 Prozent) waren intrauterin einer Chemotherapie ausgesetzt gewesen. Die Mütter von 12 Prozent der Kinder waren nur operiert, die Mütter von 11 Prozent bestrahlt worden. Die Mutter eines Kindes hatte Trastuzumab erhalten, bei 11 Prozent war keine Behandlung vorgenommen worden.

Die Mittelwerte für Kognition und Verhalten, errechnet aus den Ergebnissen von Tests und Fragebögen, wichen nicht von den Normwerten ab. Die Resultate mit Blick auf Intelligenz, verbales und visuell-räumliches Gedächtnis, Aufmerksamkeitsfunktion und Verhalten bewegten sich im normalen Bereich. Und auch im Gesundheitszustand insgesamt zeigten sich keine spezifischen Auffälligkeiten.

Die Probleme lagen anderswo und hatten eher indirekt mit der Krebstherapie während der Schwangerschaft zu tun. So waren Kinder mit Ergebnissen unterhalb der Norm mit höherer Wahrscheinlichkeit als Frühgeborene zur Welt gekommen; eine Krebserkrankung der Mutter stellt ein Frühgeburtsrisiko dar. Jede zusätzliche Woche im Gestationsalter wirkte sich positiv auf die Intelligenz mit neun Jahren aus, ebenso auf die verbale und performative Intelligenz und die Verarbeitungsgeschwindigkeit.

Auch Kinder, die ihre Mutter vor dem zweiten Lebensjahr verloren hatten, waren in Bezug auf die Intelligenz gegenüber Kindern mit überlebenden Müttern im Nachteil. Diese Assoziation verschwand aber nach Abgleich gegen das Gestationsalter: Kinder, die ihre Mütter früh verloren hatten, waren im Durchschnitt früher geboren worden.

Exposition gegenüber einer Chemo wohl irrelevant

Keine Rolle spielte die Exposition gegenüber einer Chemotherapie während der Schwangerschaft, ein Zusammenhang zwischen Intelligenz, verwendeten Chemotherapeutika, Expositionsniveau und dem Zeitraum der Therapie während der Schwangerschaft war nicht zu erkennen. Eine Assoziation zur Intelligenz der Kinder zeigte in diesem Fall nur der Bildungsgrad der Mutter.

Ein Effekt der Chemotherapie auf die Frühgeburtlichkeit war hingegen nicht festzustellen, möglicherweise reichte die Teststärke der Studie für diese Analyse nicht aus. Es könnte jedoch ebenso der Fall sein, dass die Chemotherapie den Nutzen einer Geburt am Termin zunichtemacht.

Indra Van Assche von der Katholischen Universität Löwen und die übrigen Mitglieder der INCIP-Forschungsgruppe sprechen von beruhigenden Ergebnissen ihrer Studie, was die kritische Reifungsperiode in der späten Kindheit betreffe. Hier entwickelten sich komplexe Funktionen, die von der Integrität der frühen Hirnentwicklung abhingen.

Es seien aber Assoziationen zwischen einer Krebserkrankung der Mutter (und deren Therapie) während der Schwangerschaft mit Frühgeburtlichkeit, Tod der Mutter und dem mütterlichen Bildungsgrad erkennbar gewesen. „Eine Frühgeburt sollte im geburtshilflichen Management von Schwangeren mit Krebs so weit wie möglich vermieden werden“, so das Team um Van Assche.

Quelle: Ärzte Zeitung

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1 Kommentar

28.04.2023 - 17:07 Uhr
Kommentar von

Ist das eine wissenschaftlich anerkannte Studie, bspw. Kohortenstudie? Ist die Anzahl der Mütter repräsentativ? Ist die Anzahl der Kinder repräsentativ? Wurden Fehlgeburten und Abtreibungen berücksichtigt? Wurden Mehrlingsgeburten berücksichtigt? Wurden nur die Eltern befragt? Wurden standardisierte Tests verwendet? ... Im Übrigen bin ich sehr skeptisch bei Ergebnissen einer katholischen Universität zu abtreibungsassoziierten Themen.