Lärm macht krank – ganz besonders Kinder

Lärm kann gesundheitliche Auswirkungen haben – mehr als viele andere Umweltgefahren. Säuglinge und Kleinkinder müssen sich deshalb darauf verlassen, dass Erwachsene sie aus lauten Situationen herausholen. Pädiater und HNO-Ärzte aus den USA geben dazu Tipps.

von Dr. Nicola Zink
12.12.2023

Kleines Mädchen hält sich das Ohr zu
© Foto: Tatiana Gladskikh / iStock / Thinkstock (Symbolbild mit Fotomodell)
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Lärm verursacht Hörprobleme, stört die Wahrnehmung sowie den Schlaf und beeinträchtigt das Wohlbefinden. Ist eine kritische Masse von Menschen Lärm ausgesetzt, dann wird er zu einem Problem für die öffentliche Gesundheit. Trotz dieser Gefahr wird übermäßige Lärmbelastung im Gegensatz zu anderen Schadstoffen häufig nicht konsequent bekämpft.

Mehrere Studien bestätigen, dass Hörschäden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen weit verbreitet sind. Selbst ein geringer Hörverlust kann tiefgreifende, negative Auswirkungen auf das Sprechen, das Sprachverständnis, die Kommunikation, das Lernen im Klassenzimmer und die soziale Entwicklung haben.

Kinderärztinnen und Kinderärzte können eine wichtige Rolle bei der Beratung über vermeidbare Lärmbelastungen spielen. Etwa bei Jugendlichen, die in der Regel Tinnitus und vorübergehende Hörschäden unterschätzen, die durch zu laute Musik verursacht werden. Meist geben sie die Symptome erst gar nicht an. Auch Kinder erkennen gefährliche Lärmbelastungen häufig nicht.

Ein Team von Pädiaterinnen und HNO-Ärzten um Sophie J. Balk vom Children’s Hospital at Montefiore, Albert Einstein College of Medicine, Bronx, New York, hat sich deshalb zusammengeschlossen, um auf Lärm aufmerksam zu machen. Sie möchten ihren Kolleginnen und Kollegen zeigen, wie sie mithelfen können, Kinder und Jugendliche vor Lärm zu schützen.

Die häufigsten Lärmquellen

Umgebungslärm wird meist durch menschliche Aktivitäten erzeugt, die häufig mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Dazu gehören Fahrzeugverkehr, Eisenbahnen, Flugzeuge und Flughäfen, Industrieanlagen, Windparks sowie Laubbläser und Rasenmäher. Die Belastung durch Umgebungslärm ist einer der wichtigsten Umweltstressoren, die die öffentliche Gesundheit weltweit beeinträchtigen.

Zu den Lärmquellen in Innenräumen gehören Geräte, Apparate, Videospiele, Spielzeug und Fernsehgeräte. Bei Jugendlichen sind es vor allem Musikgeräte, Musik auf Partys, Tanzveranstaltungen und Konzerten, Sportveranstaltungen und – vor allem in den USA – der Gebrauch von Feuerwaffen als Freizeitvergnügen.

Die Anatomie des Außenohrs von Kleinkindern unterscheidet sich von der Erwachsener; kleinere Gehörgänge verstärken höherfrequente Töne massiver. Lärmbelastung ist aus diesen Gründen besonders auch ein pädiatrisches Problem, weil das sich entwickelnde Gehör empfindlich ist und weil die Auswirkungen auf das Gehör und die Lebensqualität in frühen Entwicklungsstadien den Lebensweg eines Kindes negativ beeinflussen können.

Kinder mit Entwicklungseinschränkungen, wie z. B. mit Autismus-Spektrum-Störungen, reagieren oft empfindlicher auf Lärm. Hyperakusis (erhöhte Geräuschempfindlichkeit), Misophonie (übermäßige emotionale Reaktionen auf bestimmte Triggergeräusche) und Phonophobie (Phobie vor bestimmten Geräuschen oder Geräuschklassen) können vorkommen. Auch bei Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) werden Probleme mit der auditiven Verarbeitung berichtet, einschließlich Über- und Unterempfindlichkeit gegenüber Geräuschen.

Maßnahmen gegen Lärm

Belastung durch Hintergrundlärm entsteht, wenn beispielsweise der Fernseher läuft, während das Kind mit einer anderen Tätigkeit beschäftigt ist. Eine Studie ergab, dass ein durchschnittliches Kind täglich fast vier Stunden Hintergrundfernsehen ausgesetzt ist. Dieses stört das Spiel von Kleinkindern, auch wenn sie ihm nicht offenkundig Aufmerksamkeit schenken. „Deshalb sollte der Fernseher abgestellt werden“, rät die Studiengruppe um Balk.

Spielzeug kann ebenfalls übermäßig laut sein – viele überschreiten 85 dB und sind damit viel zu laut. Die US-amerikanische Sight and Hearing Association empfiehlt, die Lautstärkeregelung am Spielzeug anzupassen, die Lautsprecher mit Klebeband abzukleben, die Batterien zu entfernen oder zu lautes Spielzeug zurückzugeben.

Bei Jugendlichen ist vor allem zu laute Musik eine Gefahr. Durch Kopfhörer können sie gefährlichen Lärmpegeln ausgesetzt sein. In einer Studie mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen überschritten fast 60% der Teilnehmenden die tägliche Standard-Lärmdosis, insbesondere bei Hintergrundgeräuschen. Denn Hintergrundgeräusche führen häufig dazu, dass die Lautstärke noch weiter erhöht wird.

Die Eltern sollten darüber informiert werden, dass die Lautstärke an verschiedenen Geräten limitiert werden kann. Eine weitere wichtige Funktion der Geräte ist die Geräuschunterdrückung, da Kinder und Jugendliche bei Hintergrundgeräuschen die Lautstärke häufig weiter aufdrehen.

Pädiaterinnen und Pädiater können die potenziellen Gefahren von Kopfhörern bei vertraulichen Gesprächen mit Jugendlichen oder bei der Untersuchung der Ohren besprechen. Die Verwendung von Abspielgeräten und Kopfhörern kann auch mit Eltern jüngerer Kinder besprochen werden. Ein Kind sollte in der Lage sein, zu hören, wenn es angesprochen wird, und Pausen vom Gerät machen. Die Dosis des Lärms – und zwar die Dauer der Belastung und nicht nur die Lautstärke an sich – ist von Bedeutung. Wenn einer der Faktoren zunimmt, sollte der andere abnehmen.

Die Eltern sollten zudem übermäßig laute Veranstaltungen wie Konzerte, Sportveranstaltungen oder Feuerwerke meiden oder ihren Kindern einen Gehörschutz aufsetzen. Beim Besuch solcher Veranstaltungen wird, unabhängig von der Dauer der Exposition ein Gehörschutz (z. B. Kapselgehörschutz), empfohlen.

Eltern können auch ermutigt werden, sich für lärmreduzierte Räume in Kinderbetreuungs- und -bildungseinrichtungen und für die Verwendung von Ohrenschützern für Kinder mit Überempfindlichkeit einzusetzen.

Lärm in Kliniken

Zum Schluss weisen Balk und ihre Kollegen darauf hin, dass auch in Krankenhäusern viel Lärm herrscht. Dort ist es im Allgemeinen lauter als in den meisten Wohnungen und Büros. Zur Lärmbelastung etwa auf der Neugeborenen-Intensivstation tragen Telefone, Beatmungsgeräte, Pumpen, Monitore, Inkubatoren, Alarme, Klimaanlagen und das Weinen eines Säuglings im Inkubator bei. Frühgeborene können besonders empfindlich darauf reagieren. Zu den physiologischen Veränderungen bei Frühgeborenen, die Lärm auf der Neugeborenen-Intensivstation ausgesetzt sind, gehören Veränderungen des Verhaltens und der Vitalparameter. Kinderärztinnen und Kinderärzte können etwa beim Kauf oder der Inbetriebnahme neuer Geräte auf möglichst niedrige Lärmbelastung achten.

Quelle: SpringerMedizin.de

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