Nach einer ersten Totgeburt folgt selten eine zweite

Frauen müssen in der Regel nicht fürchten, dass auf einen antepartalen Tod eines Kindes ein zweiter Fruchttod folgt. Anders sieht es aus, wenn das Kind unter der Geburt stirbt

von Robert Bublak
15.06.2021

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© Foto: Syda Productions / stock.adobe.com
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Das Wichtigste in Kürze

Frage: Wie hoch ist das Rezidivrisiko nach einer Totgeburt?

Antwort: Für Frauen mit antepartalem Fruchttod steigt das Folgerisiko nur gering, von 0,5 Prozent während der ersten auf 0,7 Prozent während der zweiten Schwangerschaft.

Bedeutung: Schwangere nach vorangegangenen Totgeburten sollten nicht automatisch als Hochrisikogruppe angesehen werden, vielmehr muss die Art der Totgeburt berücksichtigt werden.

Einschränkung: Es handelte sich um eine Beobachtungsstudie ohne Garantie, dass alle relevanten Einflussgrößen unter Kontrolle waren; außerdem war die Zahl der Ereignisse gering.

Wenige Erfahrungen stürzen die Beteiligten in tiefere Verzweiflung als der Verlust eines Kindes mitten in der Schwangerschaft. Vielen Frauen, denen dies widerfahren ist, macht neben ihrer Trauer die Furcht zu schaffen, künftige Schwangerschaften könnten auf die gleiche Weise enden. Und tatsächlich gibt es Studiendaten, die ein diesbezügliches Risiko zu belegen scheinen. Die Untersuchungen hatten aber Mängel, vor allem wurde nicht zwischen den verschiedenen Formen von Totgeburten differenziert.

Der Gynäkologe Dr. Stephen Wood von der University of Calgary hat zusammen mit seiner Kollegin Selphee Tang in einer retrospektiven Kohortenstudie die Daten sämtlicher 744.897 Geburten der Jahre 1992 bis 2017 in der kanadischen Provinz Alberta mit dem Fokus auf Totgeburten analysiert. Als Totgeburt galt jeder intrauterine Fetaltod ab der 20. Schwangerschaftswoche beziehungsweise ab einem Gewicht des Fetus von 500 Gramm. Von Totgeburten betroffen waren 3698 von insgesamt 308.478 Frauen (1,2 Prozent), bei einer Rate von 0,6 Prozent bezogen auf die Erstgeburten. Die weiteren Kinder von 3614 (97,7 Prozent) der Frauen, die eine Totgeburt erleben mussten, kamen alle lebend zur Welt. 79 Frauen erlitten zwei, fünf Frauen drei oder mehr Totgeburten (BJOG 2021; online 9. April).

Risiko von 1,7 Prozent

Ein genauerer Blick auf die Umstände der seltenen Rezidive von Totgeburten verdeutlichte wichtige Unterschiede. Insgesamt lag das Risiko, nach einer ersten eine weitere Totgeburt zu erleiden, bei 1,7 Prozent, was nach Abgleich gegen Einflussfaktoren wie Alter, Adipositas, Rauchverhalten, Hypertonie und Diabetes einer Steigerung des Risikos für Folgegeburten gegenüber Frauen ohne bisherige Totgeburten um den Faktor 4,3 bedeutete. Deutlich erhöht war das Risiko vor allem für jene Frauen, bei denen dem (antepartalen) Fruchttod eine Gedeihstörung vorausgegangen war (relatives Risiko [RR] 10,4), besonders jedoch dann, wenn der Tod des Kindes unter der Geburt eingetreten war (RR 36,5). Meist seien die intrapartal gestorbenen Feten noch nicht lebensfähig gewesen, so die Autoren, was die Chancen der Prävention mindere.

War der Fetus beim antepartalen Tod hingegen für das Gestationsalter normal entwickelt, lag das Risiko für eine Wiederholung deutlich niedriger (RR 2,5). Die errechnete Steigerung war zwar ebenfalls statistisch signifikant, nach Ansicht von Wood und Tang aber klinisch nicht bedeutsam.

Es hängt von der Art der Totgeburt ab

Die Gefahr wiederholter Totgeburten hänge von der Art vorangegangener Totgeburten ab, resümieren die Studienautoren. „Eine vorangegangene intrapartale Totgeburt, speziell in einem mit dem Leben noch nicht vereinbaren Gestationsalter, birgt ein sehr hohes Rezidivrisiko.“ Demgegenüber sei das Risiko nach antepartalem Tod womöglich nur dann klinisch relevant, wenn der Fetus für das Gestationsalter zu klein gewesen sei.

Statt Frauen nach Totgeburten als Hochrisikoschwangere zu klassifizieren, solle besser das absolute Risiko betrachtet werden, schlagen Wood und Tang vor: „Für eine Mutter, die nach einem antepartalen Fruchttod ein zweites Mal schwanger ist, liegt das Rezidivrisiko bei 0,7 Prozent – verglichen mit 0,5 Prozent während ihrer ersten Schwangerschaft.“

Quelle: www.aerztezeitung.de

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