Pille beeinflusst eine folgende Schwangerschaft negativ

Immer wieder werden oralen Kontrazeptiva ungünstige Auswirkungen auf eine sich anschließende Schwangerschaft unterstellt. Was wirklich dahintersteckt, dem ist ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Niederlanden und Norwegen nachgegangen.

von Dr. Nicola Zink
25.05.2023

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Das Wichtigste in Kürze

Frage: Wirken sich orale Kontrazeptiva, die perikonzeptionell eingenommen werden, negativ auf eine folgende Schwangerschaft oder das Ungeborene aus?

Antwort: Jede perikonzeptionelle Anwendung der Pille war mit einem leicht erhöhten Risiko für Präeklampsie, Frühgeburt und niedriges Geburtsgewicht assoziiert.

Bedeutung: Bei zeitnahem Kinderwunsch sollte eventuell zu einer nicht hormonellen Verhütungsmethode gewechselt werden.

Einschränkung: Kleine Teilnehmerinnenzahl etwa für die Pille der ersten und vierten Generation. Einige Einflussgrößen wie Diät, Sport, Einkommen und geburtshilfliche Anamnese wurden nicht berücksichtigt.

Die negativen Einflüsse von oralen Kontrazeptiva (OC) auf Schwangerschaften unterscheiden sich laut früheren Studien je nach Zeitpunkt des Absetzens, Östrogenmenge und Gestagengehalt. Um differenzierte Aussagen tätigen zu können, haben Anton Schreuder vom Radboud University Medical Center im niederländischen Nijmegen und sein Team die Daten von 6.470 Schwangeren analysiert, die an der noch laufenden Pregnancy and Infant DEvelopment(PRIDE)-Studie teilnehmen.

Die Probandinnen wurden am Anfang ihrer Schwangerschaft rekrutiert und dazu angehalten, regelmäßig Online-Fragebögen auszufüllen. Jede Verwendung der Pille innerhalb der zwölf Monate vor der Schwangerschaft oder nach der Empfängnis wurde als „Exposition“ definiert. Festgehalten wurde, ob Gestationsdiabetes, Schwangerschaftsbluthochdruck, Präeklampsie (≥ 34. SSW), Frühgeburt (< 37. SSW), geringes Geburtsgewicht (< 2.500 g) oder „small for gestational age“ (SGA) auftraten. Die Teilnehmerinnen gaben außerdem an, wann sie das OC abgesetzt (vier bis zwölf Monate oder null bis drei Monate vor der Schwangerschaft bzw. am Anfang der Schwangerschaft) und welches Präparat sie angewendet hatten. Die Kontrollgruppe bestand aus Schwangeren, die keine OC im Jahr vor der Empfängnis eingenommen hatten.

Bei den meisten Schwangerschaften wurden die OC vier bis zwölf Monate vor der Schwangerschaft abgesetzt (61,5%), bei 36,2% null bis drei Monate vorab und bei 2,2% im ersten Trimester der Schwangerschaft.

Schwangerschaftskomplikationen

Im Vergleich zu Frauen, die keine Pille perikonzeptionell angewendet hatten, schien jegliche OC-Einnahme mit einem um 38% höheren Risiko für Präeklampsie verbunden zu sein. Für Gestationsdiabetes und Hypertonie konnten dagegen keine Zusammenhänge festgestellt werden. Eine Präeklampsie trat häufiger bei Schwangerschaften auf, bei denen die Pille null bis drei Monate vor der Schwangerschaft abgesetzt worden war (mit einem um 56% höheren Risiko), bei Östrogendosen von ≥ 30 µg (53% Risikoerhöhung) und bei OC der ersten und zweiten Generation (48% Risikoerhöhung).

In puncto Gestationsdiabetes können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Schreuder Entwarnung geben: „Ein Zusammenhang zwischen der Einnahme von OC und Gestationsdiabetes bei Frauen, die vor der Empfängnis mit der Einnahme aufhören, scheint unwahrscheinlich.“

In den Berechnungen waren Einflussgrößen wie Alter der Mutter, ethnische Zugehörigkeit, Bildungsniveau, Anzahl der Geburten, Diagnose eines polyzystischen Ovarialsyndroms, Depression, Angststörung, die Absicht, schwanger zu werden, Frühgeburt in der Vergangenheit, Rauchen und Alkoholkonsum während der Schwangerschaft berücksichtigt.

Komplikationen beim Kind

Die Studiengruppe beobachtete des Weiteren eine Assoziation zwischen jeglicher perikonzeptioneller Anwendung der Pille und einem erhöhten Risiko für eine Frühgeburt sowie ein niedriges Geburtsgewicht. Das Risiko war dabei um 38% bzw. 45% angestiegen. Keine Assoziation wurde in Bezug auf SGA festgestellt. Schwangerschaften, bei denen null bis drei Monate vor Beginn die OC abgesetzt worden war, hatten ein um 55% höheres Risiko für eine Frühgeburt und ein um 12% vermindertes Risiko für ein zu niedriges Geburtsgewicht, während das Absetzen von OC vier bis zwölf Monate vor der Schwangerschaft lediglich mit einem um 31% angestiegenen Risiko für Frühgeburten assoziiert war.

Auf die Dosierung kommt es an

Niedrige bis mittlere Östrogendosen (< 30 µg) waren mit Frühgeburten, niedrigem Geburtsgewicht und SGA assoziiert. Die Einnahme von OC mit einer Östrogendosis von ≥ 30 µg war mit Frühgeburten, jedoch auch weniger Fällen von SGA verbunden. Was den Gestagengehalt betrifft, so führte die Verwendung von OC der dritten Generation zu einem 1,8-mal höheren Risiko für Frühgeburten, die Wahrscheinlichkeit für ein niedriges Geburtsgewicht lag 2,3-mal und das für SGA 1,5-mal höher. Bei den Anwenderinnen von OC der vierten Generation wurde ein um 66% vermindertes Risiko für SGA ermittelt. Nach Meinung von Schreuder und seinem Team kann dieses Ergebnis auf die kleine Expositionsgruppe (n = 201) zurückgeführt werden und bedarf der Wiederholung.

„Jede perikonzeptionelle Anwendung von OC war mit einem leicht erhöhten Risiko für Präeklampsie, Frühgeburt und niedriges Geburtsgewicht verbunden“, so die zentrale Botschaft von Schreuder et al. „Daher könnte es für Frauen, die innerhalb des nächsten Jahres schwanger werden möchten, von Vorteil sein, zu einer nicht hormonellen Verhütungsmethode zu wechseln.“ Ein Absetzen solle jedoch gegen den beträchtlichen Nutzen von OC abgewogen werden, einschließlich der Verhütung von ungewollten Schwangerschaften, der Behandlung von Menstruationsstörungen sowie der Prävention weiterer Erkrankungen wie PCOS.

Quelle: SpringerMedizin.de

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