Sind Dentaleingriffe wirklich ein Risiko für Endokarditis?

Patienten, die künstliche Herzklappen tragen, haben nach invasiven zahnärztlichen Eingriffen womöglich ein höheres Risiko für infektiöse Endokarditiden. Das Ausmaß ist laut Ergebnissen zweier Studien aber ebenso unklar wie der Nutzen einer antibiotischen Prophylaxe.

07.10.2017

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© Foto: CandyBox Images / stock.adobe.com
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Ein Forscherteam der Université Paris Diderot, angeführt von Sarah Tubiana, hat im Zuge einer Kohorten- und einer Cross-over-Studie untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen infektiösen Endokarditiden durch orale Streptokokken und invasiven zahnmedizinischen Prozeduren gibt – also Eingriffen, die Manipulationen an der Gingiva oder an der periapikalen Zahnregion umfassen oder bei denen die orale Mukosa perforiert wird (von lokalanästhetischen Injektionen abgesehen). Im Fokus standen Patienten mit prothetischem Herzklappenersatz.

An der Kohortenstudie waren knapp 139.000 Probanden mit künstlichen Klappen beteiligt. Insgesamt waren bei ihnen während eines medianen Follow-up von 1,7 Jahren fast 400.000 zahnmedizinische Eingriffe nötig, mehr als 100.000 davon waren als invasiv anzusehen. In etwas mehr als der Hälfte davon wurde eine Prophylaxe mit Antibiotika eingesetzt. 267 Probanden entwickelten während der Nachbeobachtung eine infektiöse Endokarditis mit oralen Streptokokken.

Verglichen mit den Zeiten ohne solche Eingriffe war das Risiko, an einer infektiösen Endokarditis zu erkranken, in den drei Monaten nach einem invasiven Dentaleingriff im Schnitt um 25% erhöht. Mit einer antibiotischen Prophylaxe lag die Häufigkeit im Mittel um 17% niedriger, ohne Prävention war sie um 58% erhöht. Die Konfidenzintervalle über- bzw. unterschritten aber jeweils den Neutralwert. Somit war keines der Ergebnisse statistisch signifikant.

Signifikanz in der Cross-over-Studie

Etwas anders fielen die Resultate der Cross-over-Studie aus. 648 Patienten mit Klappenprothesen und einer ersten Diagnose einer infektiösen Endokarditis dienten hier als ihre eigenen Kontrollen. Es zeigte sich, dass Endokarditiden häufiger dann aufgetreten waren, wenn sich die Patienten in den drei Monaten davor einer invasiven Zahnprozedur unterzogen hatten. Die Häufigkeit der Eingriffe lag in diesem Zeitraum bei 5,1%, in den endokarditisfreien Kontrollzeiträumen hingegen bei 3,2%. Die Differenz war statistisch signifikant, das Quotenverhältnis lag bei 1,66. Ein Nutzen der Antibiotikaprophylaxe war aber auch hier nicht nachzuweisen; die Teststärke der Studie war dafür vielleicht zu gering.

Es sei möglich, dass invasive dentale Eingriffe zur Entwicklung von infektiösen Endokarditiden bei Erwachsenen mit Klappenersatz beitrügen, resümieren Tubiana und Mitarbeiter. Vermutlich entstünden die meisten Endokarditiden bei diesen Patienten jedoch aus alltäglichen Bakteriämien, wie sie etwa beim Zähneputzen oder Kauen aufträten. Speziell die Rolle der antibiotischen Prophylaxe vor zahnärztlichen Eingriffen müsse in Studien mit höherer Teststärke untersucht werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie empfiehlt eine antibiotische Endokarditisprophylaxe vor zahnärztlichen Eingriffen nur für Höchstrisikopatienten – wozu Träger von Klappenprothesen allerdings zählen – und nur für solche invasiven Prozeduren, wie sie auch in der französischen Studie definiert waren. Eingesetzt werden dabei Amoxicillin oder Ampicillin (2 g oral oder i.v.) oder im Fall von Allergien Clindamycin (600 mg oral oder i.v.) als Einzeldosis 30 bis 60 Minuten vor der Intervention.

Originalpublikation: Tubiana S et al. Dental procedures, antibiotic prophylaxis, and endocarditis among people with prosthetic heart valves: nationwide population based cohort and a case crossover study. BMJ 2017; 358: j3776

Quelle: www.springermedizin.de

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