So lässt sich die Geburt sicherer machen

Auch wenn auf 100.000 Geburten nur sehr wenige Mütter sterben, besteht Handlungsbedarf, findet das Aktionsbündnis Patientensicherheit. Bei unerwünschten Ereignissen gebe es einfache Hilfsmittel.

von Christian Beneker
08.11.2021

Eine alte, aber dennoch weiterhin aktuelle Botschaft: Die Kommunikation im Kreißsaal muss besser werden.
© Foto: Mascha Brichta / picture alliance
Anzeige

Am Ende äußerte sich die Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS), Dr. Ruth Hecker, enttäuscht: „Was hier heute zur Sprache kam, haben wir schon vor 20 Jahren diskutiert, aber es hat sich nichts getan! Ich bin auch frustriert!“

Das APS hatte am Welttag der Patientensicherheit eingeladen zur Tagung „Mach dich stark für Patientensicherheit! Sicher vom ersten Atemzug an“. Zusammengefasst war die Botschaft für die Geburtshilfe in der Tat eine alte: bessere Kommunikation im Kreißsaal.

Bei 100.000 Geburten stürben heute in den Industrieländern zwar weniger als vier Mütter und 3,2 Kinder auf 1000 Geburten, so das APS. Gleichwohl bestehe Handlungsbedarf für „die Verbesserung der sicheren Versorgung“.

Stress, Belastung, Geburtstrauma

Unerwünschte vermeidbare Ereignisse hätten auch in Deutschland Langzeitfolgen für Mutter und Kind. 20 bis 50 Prozent der Patientinnen verbinden mit dem Erlebnis der Geburt ihres Kindes Belastungen, großen Stress oder entwickeln gar ein Geburtstrauma, schätzt die Internationale Gesellschaft für prä- und perinatale Psychologie und Medizin (ISPPM).

Dabei könnten medizinische Eingriffe ohne Erklärung und ohne empathische Haltung der Gesundheit schaden. „Es gibt noch viel zu viele Vorkommnisse, die bei einer bestmöglichen Versorgung vermieden werden könnten oder die durch eine kompetente Betreuung weniger belastend wären.“

Wer an der Geburt beteiligt ist, hat je seine eigene Perspektive, erklärte Professor Christoph Scholz, Chefarzt der Münchner Frauenklinik. Es gehe darum, die Ärzte, die Gebärende, den Partner und die Hebamme zusammenzubringen, „das ist die Kunst“, so Scholz. Außerdem empfahl er der Medizin, im Zusammenhang mit Geburten ihre Sprache aufzuräumen.

Vergiftung die Schärfe nehmen

Zentral sei für die werdende Mutter das ruhige Gespräch vor der aufregenden Geburt mit Hebamme und Arzt. „Wir müssen zum Beispiel Begriffen wie „Saugglocke“ oder „Schwangerschaftsvergiftung“ im Gespräch die Schärfe nehmen“, sagte Scholz. Überhaupt sei der salutogenetische Ansatz der Hebammen bei der Geburt der grundsätzlich bessere.

Solange keine Komplikationen auftauchen, sei die Geburt eine physiologische Angelegenheit und keine pathologische, sagte Professor Frank Reister, Leiter der Geburtshilfe an der Uni-Klinik Ulm. Es gehe darum, eine positive Geburtsatmosphäre zu schaffen.

„Ärzte kommen erst zur Geburt hinzu, wenn es Probleme gibt.“ Und dann gelten die Regel guter Teamarbeit – sie müssten aber allen Beteiligten bekannt sein, waren sich die Referenten einig.

Positive Resonanz für „TeamBaby“

Dazu dient zum Beispiel das Projekt „TeamBaby“, initiiert vom APS, dem Uni-Klinikum Frankfurt und der Techniker Krankenkasse, das Professor Frank Louwen vorstellte, Leiter der Geburtshilfe und Pränatalmedizin am Uni-Klinikum Frankfurt. Im Rahmen des Projekts werden das klinische Personal und die werdende Mutter in persönlichen Trainings geschult.

Die werdenden Mütter erhalten eine von Kommunikationsprofis entworfene App, mit der sie von zu Hause aus ihr Kommunikationsverhalten schulen können. Die Resonanz war ausgesprochen positiv. Die Schulung sei hilfreich und unterstützend, lautete das Feedback von geschulten Gebärenden.

In der Tat seien 70 Prozent der Fehler unter der Geburt auf „human factors“ zurückzuführen, also nicht auf medizinisch-handwerkliche Probleme, sagte Laura Tosberg, Leiterin des Institutes für Patientensicherheit und Teamtraining GmbH, also oft auf Fragen der Kommunikation. Um hier besser zu werden, diente bereits 2012 das Projekt „simparteam“, ein Notfalltraining für geburtshilfliche Teams.

Simulationstraining heute üblich

Es habe der Simulation in Deutschland einen höheren Stellenwert eingeräumt, sagte Christoph Scholz. Tatsächlich seien interprofessionelle Simulationstrainings üblicher geworden, „denn um sich gut vorbereitet zu fühlen auf einen Notfall, muss das Training in der gleichen Arbeitssituation und Teamkonstellation stattfinden“, erläuterte Tosberg.

Inzwischen böten viele Krankenhäuser „toll ausgestattete Simulationstrainings, inklusive Skillslabs. Andere Häuser haben das Geld nicht für solche Einrichtungen und machen seltener Trainings. Aber wichtig ist, dass überhaupt etwas passiert!“

Die Grundfrage aber bleibe, so Scholz: „Was sind wir bereit, in einen Aspekt der Daseinsvorsorge zu investieren? Und das ist eine andere Frage, als wir sie in der Logik der Krankenversorgung behandeln sollten. Das muss man politisch diskutieren.“

Quelle: www.aerztezeitung.de

Kommentar schreiben

Die Meinung und Diskussion unserer Nutzer ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie im Sinne einer angenehmen Kommunikation auf unsere Netiquette. Vielen Dank!

Pflichtfeld *