So viele Krebserkrankungen sind alkoholbedingt

Eine weltweite Analyse zeigt, wie viele Tumorerkrankungen auf Alkoholkonsum zurückzuführen sind und welche Tumorarten besonders davon beeinflusst werden. Das höchste Risiko besteht bei hohem Alkoholkonsum, aber auch für moderate und geringe Alkoholmengen ergibt sich rechnerisch noch eine leicht erhöhte Krebsgefahr.

von Thomas Müller
16.08.2021

Mann trink Rotwein
© Foto: Ridofranz / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)
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Das Wichtigste in  Kürze

Frage: Wie häufig ist Krebs alkoholbedingt?

Antwort: Im Jahr 2020 wurden einer Modellrechnung zufolge weltweit etwa 4% der Krebserkrankungen durch Alkohol verursacht. Sechs von sieben solcher Tumoren lassen sich einem hohen Alkoholkonsum zuschreiben, drei Viertel betreffen Männer.

Bedeutung: Ein hoher Alkoholkonsum steigert das Krebsrisiko deutlich.

Einschränkung: Reine Modellrechnung.

Ist das nun viel oder wenig? Etwa eine von 25 Krebserkrankungen lässt sich auf den Konsum von Alkohol zurückführen. Das entspricht einer groß angelegten Analyse zufolge weltweit 741.000 Krebserkrankungen im Jahr 2020. Heruntergebrochen auf Deutschland wären knapp 20.000 Krebserkrankungen vermeidbar, wenn niemand mehr einen Tropfen Alkohol trinken würden. Von diesen 20.000 alkoholbedingten Tumoren werden die allermeisten durch schädlichen und riskanten Alkoholkonsum verursacht, immerhin ein Siebtel davon, also etwa 2900 oder rund 0,6% aller Krebserkrankungen durch geringen bis moderaten Konsum.

Was Suchtmediziner, Epidemiologen und Psychiater um Dr. Harriet Rumgay im Auftrag der WHO herausgefunden haben, wird wohl niemanden davon abhalten, ein Viertel Wein oder ein Bier am Abend zu trinken, legt aber nahe, dass selbst eine geringe Alkoholmenge mit Blick auf das Krebsrisiko nicht völlig harmlos ist.

4% der Krebserkrankungen auf Alkohol zurückzuführen

Die Forscher um Rumgay haben einerseits Daten der Internationalen Krebsforschungsagentur IARC zum Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und einzelnen Tumorarten ausgewertet, andererseits Angaben der globalen Krebsdatenbank GLOBOCAN zur Häufigkeit der wichtigsten alkoholbeeinflussten Tumoren in den einzelnen Ländern. Dazu zählen sie vor allem Tumoren der Verdauungsorgane, der Leber und der Brust. Sie legten der alkoholbedingten Krebsentstehung eine Latenzzeit von zehn Jahren zugrunde und bezogen den Alkoholkonsum im Jahr 2010 auf die Krebsinzidenzen im Jahr 2020. Den Alkoholkonsum wiederum ermittelten sie aus diversen Quellen, unter anderem der verkauften Alkoholmenge.

Unterm Strich wurden nach diesen Berechnungen weltweit 4,1% aller Tumoren im Jahr 2020 durch Alkohol verursacht, bei Männern mit 6,1% deutlich mehr als bei Frauen mit 2,0%. Dies übersetzt sich in eine alkoholbezogene Krebsinzidenz von knapp 14/100.000 Männer und knapp 4/100.000 Frauen.

Jeder dritte Ösophagustumor alkoholbedingt

Am stärksten ist der Zusammenhang mit Ösophagustumoren, hier ist nach den Berechnungen von Rumgay und Mitarbeitern knapp jede dritte Erkrankung alkoholbedingt, bei den Pharynxtumoren sind es ein Viertel, bei Tumoren der Mundhöhle ein Fünftel, Tumoren der Leber werden zu 23%, des Darms zu 13% auf Alkohol zurückgeführt. Auch bei den einzelnen Entitäten gibt es wieder deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen: So sind knapp 40% der Ösophagustumoren von Männern, aber nur 14% von Frauen alkoholbedingt. Ethanol verursacht zudem 4,4% der Brusttumoren bei Frauen. Da Brusttumoren relativ häufig sind, ist dieser Wert durchaus relevant: So betrifft etwa jeder siebte alkoholbezogene Tumor die Brust.

Groß sind auch die regionalen Unterschiede: In Osteuropa werden etwa 6% der Tumoren auf den Alkoholkonsum bezogen, in Mitteleuropa rund 4%, in muslimischen Ländern weniger als 1%.

Interessant ist zudem die Einteilung nach Trinkkategorien: Heftiger Alkoholkonsum (über 60 g/d) verursacht 47% aller alkoholbezogen Krebserkrankungen, riskanter Konsum (20–60 g/d) 39%, nur rund 14% werden durch geringen bis moderaten Alkoholkonsum verursacht.

Letztlich scheint ein hoher Konsum das Krebsrisiko deutlich zu steigern, ein geringer bis moderater Alkoholgenuss eher weniger. Wer täglich eine geringe Menge Alkohol trinkt, darf sich zudem über ein deutlich reduziertes kardiovaskuläres Risiko freuen – unabhängig davon, ob dies tatsächlich am Alkohol oder dem geselligen Zusammensein mit Freunden liegt. Und das könnte die Bedenken über ein minimal erhöhtes Krebsrisiko rasch zerstreuen.

Quelle: www.springermedizin.de

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