Vogelgezwitscher stärkt die mentale Gesundheit

Wer Vogelgezwitscher hört, sollte innehalten und lauschen. Denn der Gesang kann nachweislich Ängstlichkeit und irrationale Gedanken mildern, hat eine Studie mit Hörproben ergeben.

09.11.2022

Vogelstimmen werden unterschwellig mit einer natürlichen Umgebung ohne Stressoren in Verbindung gebracht.
© Foto: koldunova_anna / stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodell)
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Wie sich Verkehrslärm oder Vogelgesang auf Stimmung, Paranoia und kognitive Leistung auswirken, hat ein Team vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) untersucht.

In einem randomisierten Online-Experiment bekamen die 295 Teilnehmenden dazu sechs Minuten lang entweder typische Verkehrsgeräusche oder Vogelgesänge vorgespielt, berichtet das Institut in einer Mitteilung. Dabei variierte die Anzahl der verschiedenen Verkehrsgeräusche und Vogelstimmen.

Vor und nach den Hörproben füllten die Teilnehmenden Fragebögen zur Erfassung der mentalen Gesundheit aus und erhielten Kognitionsaufgaben (Scientific Reports. 2022: online 13. Oktober).

Ängstlichkeit und Paranoia wurden reduziert

„Jeder Mensch trägt bestimmte psychische Dispositionen in sich. Auch Gesunde können beispielsweise Angstgedanken oder zeitweise paranoide Wahrnehmungen haben. Die Fragebögen erlauben es üblicherweise bei den Teilnehmenden, Tendenzen zu Depressionen, Angststörungen und Paranoia zu erkennen und den Effekt von Vogelgesang oder Verkehrsgeräuschen auf diese Neigungen zu untersuchen“, berichtet Erstautor Emil Stobbe, Doktorand in der Lise-Meitner-Gruppe Umweltneurowissenschaften an dem Max-Planck-Institut, in der Mitteilung.

Insgesamt legt die vorliegende Studie nahe, dass das Hören von Vogelstimmen Ängstlichkeit und Paranoia bei gesunden Teilnehmenden verringert. Auf depressive Zustände scheinen sie in diesem Experiment keinen Einfluss zu haben. Verkehrslärm dagegen verschlimmerte generell depressive Zustände, besonders bei einer Tonspur mit vielen verschiedenen Verkehrsgeräuschen.

Gesang lenkt Aufmerksamkeit von Stressoren ab

Während der positive Einfluss von Vogelgeräuschen auf die Stimmung bereits bekannt ist, zeigt diese Studie nach Kenntnis des Forschungsteams erstmalig einen Effekt auf paranoide Zustände. Dabei war es nicht relevant, ob der Gesang von vielen verschiedenen Vogelarten oder nur von zwei Spezies kam. Keinen Einfluss von Vogelgesang wie auch Verkehrslärm konnten das Team auf die kognitive Leistung feststellen.

Als eine mögliche Erklärung sehen die Forscherinnen und Forscher, dass Vogelstimmen unterschwellig mit einer intakten natürlichen Umgebung in Verbindung gebracht werden, die die Aufmerksamkeit von Stressoren ablenken, und die ansonsten eine akute Bedrohung signalisieren könnten.

Insgesamt ergeben sich aus den Ergebnissen Ansätze für weitere Forschung und Anwendung, wie die aktive Manipulation von Geräuschkulissen in verschiedenen Situationen oder ihre Untersuchung der Wirkung auf Menschen mit diagnostizierten Angststörungen und Paranoia.

Niederschwellige Intervention mit Klang-CD

„Vogelgesang könnte also zur Prävention von psychischen Erkrankungen eingesetzt werden. Schon das Anhören einer Klang-CD wäre eine einfache, leicht zugängliche Intervention. Aber wenn wir schon in einem Online-Experiment, das die Teilnehmenden am Computer absolvierten, solche Effekte nachweisen können, ist davon auszugehen, dass diese in der freien Natur noch stärker sind“, betont Erstautor Stobbe.

„Erst jüngst konnten wir in einer Studie zeigen, dass bereits ein einstündiger Aufenthalt in der Natur die mit Stress verbundene Gehirntätigkeit reduziert“, ergänzt die Leiterin der Forschungsgruppe Professorin Simone Kühn (Molecular Psychiatry. 2022 online 5. September).

„Wir können aber nicht genau sagen, welche Merkmale der Natur – also Gerüche, Geräusche, Farben oder deren Kombination – für den Effekt verantwortlich sind. Die vorliegende Studie ist ein weiterer Baustein zur Klärung dieser Frage“, so Kühn weiter. Fest stehe, dass Natur die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden verbessere. Also: Ab nach draußen! (eb)

Quelle: Ärzte Zeitung

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