Von Junkfood bis vegan – Wie gesund essen unsere Kinder und Jugendlichen?

Nie war die Auswahl an Lebensmitteln größer, waren die Ernährungstrends mannigfaltiger und die Empfehlungen für eine ausgewogene Ernährung gegenwärtiger. Da stellt sich die Frage, wie sich das auf die Ernährungsrealität von Kindern und Jugendlichen auswirkt.

von Dr. Dagmar Kraus
24.11.2021

News Fastfood macht Immunsystem aggressiver
© Foto: wildpixel / Getty Images / iStock
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„Kinder und Jugendliche essen zu wenig Obst und Gemüse und zu viel Süßwaren und Knabberartikel.“ So brachte Dr. Axel Enninger, Kindergastroenterologe am Klinikum Stuttgart, beim diesjährigen Kongress für Kinder- und Jugendmedizin die aktuelle Ernährungssituation auf den Punkt. Dabei stützte er sich auf die neuesten Daten der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) des Robert-Koch-Instituts. „Das Ergebnis überrascht wohl niemanden“, so sein Kommentar. 

„Wenig überrascht auch, dass Kinder und Jugendliche gerne Fastfood essen.“ Laut KiGGS-Studie nimmt immerhin mehr als jeder fünfte Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren mindestens 10% der Tageskalorien als Fastfood zu sich. Enninger hob dabei hervor, dass der Konsum mit dem sozioökonomischen Status und dem Medienkonsum korreliert. „Je niedriger der sozioökonomische Status und je länger die Medienzeit, desto höher der Fastfood-Konsum.“ Bei allen Interventionen müssen daher Bildung und soziale Herkunft in den Fokus, so seine Forderung.

Versorgung mit Mikro- und Makronährstoffen im Lot?

Eine Unterversorgung mit Mikronährstoffen sei laut KiGGS-Studie aber im Allgemeinen nicht zu befürchten. Bei Vitamin D, Jod und Folsäure lägen allerdings die täglich aufgenommenen Mengen etwas unter den empfohlenen Referenzwerten, so Enninger. Skeptisch steht der Gastroenterologe dem wachsenden Trend der Supplementierung gegenüber. Rund 6,5% der Mädchen und 4,6% der Jungen gaben an, täglich Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen; 5% bzw. 7% schluckten ein bis zweimal pro Woche entsprechende Präparate. Eine suboptimale Ernährung lasse sich nicht mit Nahrungsergänzungsmitteln aufbessern, es fehlen die wichtigen sekundären Pflanzeninhaltsstoffe.

Wie gesund ist vegan?

Mit der wachsenden Sensibilisierung für Nahrungsmittel, deren Herstellungsprozesse sowie die sozialen und ökologischen Auswirkungen wächst die Zahl der Jugendlichen, die auf Fleisch verzichten oder sich rein pflanzlich ernähren. Doch auch wenn Enninger hohe Sympathien für diesen Trend hat, gibt es Aspekte, die es speziell bei Heranwachsenden im Zusammenhang mit einer rein pflanzlichen Ernährung zu beachten gibt.

Die Wertigkeit der Proteine beispielsweise ist einer dieser Aspekte. Die Proteinmenge allein ist nicht ausschlaggebend, entscheidend ist vielmehr, wie viel Körpereiweiß durch 100 g Nahrungseiweiß aufgebaut werden kann. Essenzielle Aminosäuren sind dafür ein wichtiger Faktor, sind aber in Pflanzeneiweiß in geringeren Mengen enthalten als in tierischem Eiweiß. Besonders in den Wachstumsphasen wird die Deckung des Proteinbedarfs über eine rein pflanzliche Ernährung eine Herausforderung. „Es geht, aber nur mit großem Aufwand“, wie Enninger betonte. Eine komplette Absage erteilt Enninger hingegen der Ernährung gesunder Säuglinge mit Soja-Säuglingsnahrung. „Problematisch sind hier vor allem die hormonaktiven Substanzen.“ Außerdem sind Gedeihstörungen bei rein veganer Ernährung keine Seltenheit.

Abgesehen von den Proteinen sind es die Nahrungsbestandteile Eisen, Kalzium, Jod und Vitamin B12, die bei einer rein veganen Ernährung nicht in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt werden können. Besonders das Vitamin B12 müsse bei Veganern dauerhaft substituiert werden. „Ohne geht es nicht!“ Mit angereicherten Lebensmitteln allein lasse sich der Bedarf nicht decken. Als besondere Risikogruppe nannte Enninger gestillte Säuglinge veganer Mütter. Die Kalziumversorgung kann zum Problem werden, wenn komplett auf Milchprodukte verzichtet wird. Besonders stillende Mütter müssen diesbezüglich beraten werden. Meist genüge es jedoch, auf ein kalziumhaltiges Mineralwasser umzusteigen.

Die schlechtere Resorption des nichthämgebundenen pflanzlichen Eisens im Darm erschwert bei rein pflanzlicher Ernährung eine ausreichende Eisenversorgung. Vor allem Kinder im zweiten Lebenshalbjahr sowie weibliche Jugendliche sind gefährdet, einen Eisenmangel zu entwickeln.

Glutenfrei für alle – keine gute Idee

Kritisch beurteilt Enninger den Trend, sich glutenfrei bzw. -arm zu ernähren. Die meisten verzichten auf Gluten ohne medizinische Notwendigkeit, wie Enninger mit Verweis auf die Zöliakie- und Weizenallergieprävalenzen betonte. Gesunde Menschen haben nach Enningers Ausführungen aber keinerlei Nutzen von einer solchen Diät – im Gegenteil. Der Gastroenterologe verwies auf eine Auswertung der Nursesˈ Health Study aus dem Jahr 2017: Demnach gibt es keinen Zusammenhang zwischen Glutenkonsum und höherem kardiovaskulären Risiko. Mit dem Glutenverzicht sinke jedoch die täglich aufgenommene Ballaststoffmenge; ein geringerer Ballaststoffkonsum wiederum sei mit einem höheren kardiovaskulären Risiko assoziiert. Diese unnötige Einschränkung erschwere zudem das Essen als soziales Miteinander und fördere ein neurotisierendes Essverhalten.

Hochverarbeitete Lebensmittel – so oder so ein Problem

Doch egal welchem Ernährungsstil man nun anhängt, immer problematisch sind hochverarbeitete Lebensmittel, wie Enninger betonte; auch wenn „vegan“ oder „bio“ darauf steht. Hinlänglich bekannt ist, dass mit dem Konsum stark verarbeiteter Lebensmittel das Risiko für Adipositas steigt (Cell Metab 2019). Das Risiko, an Morbus Crohn zu erkranken, korreliere ebenfalls mit dem Verzehr dieser Lebensmittel (BMJ 2021). Gemäß einer aktuellen weltweiten Analyse mit über 110.000 Erwachsenen verfünffache sich das Erkrankungsrisiko bei fünf oder mehr Portionen pro Tag; fast dreimal so hoch ist es bei einer bis vier Portionen. Geringer fiel der Zusammenhang mit dem Coltis-ulcerosa-Risiko aus. 

Quelle: basierend auf: Enninger A. Vortrag beim Kongress für Kinder- und Jugendmedizin, 06.-09.10.2021, Berlin und virtuell

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