Warnung vor „Medication Overuse Headache“ nach COVID-19

Eine SARS-CoV-2-Infektion kann, ähnlich wie Herpes-Viren, täglich auftretende, anhaltende Kopfschmerzen („New Daily Persistent Headache“, NDPH) triggern. Belege dafür liefert eine aktuelle Literaturstudie aus Brasilien. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) warnt in diesem Zusammenhang vor einem zusätzlichen Risiko: dem „Medication Overuse Headache“.

von Dr. Elke Oberhofer
06.09.2022

Migräneattacke: Bundesweit sind laut Versichertendaten der TK sieben Prozent der Frauen betroffen, bei den Männern sind es nur 2,2 Prozent.
© Foto: highwaystarz / stock.adobe.com
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Fast jeder zweite COVID-19-Patient leidet in der akuten Erkrankungsphase an Kopfschmerzen. Betroffen sind vor allem jüngere Patientinnen und Patienten und solche, die zuvor schon Kopfschmerzen oder Migräne hatten.

Bei bis zu 45% halten die Schmerzen an

Was Kopfschmerzexperten weltweit jedoch auch beobachten: Häufig (je nach Studie zwischen 6% und 45%) persistieren die Kopfschmerzen über die symptomatische Phase der COVID-19-Erkrankung hinaus. Laut Pedro Augusto Sampaio Rocha-Filho von der Universidade Federal de Pernambuco im brasilianischen Recife waren 61% dieser anhaltenden Kopfschmerzen „täglich vorhanden und von konstanter Stärke“.

Es sei bekannt, dass virale Infektionen neu auftretende, anhaltende Kopfschmerzen, bekannt als „New Daily Persistent Headache“ (NDPH), triggern können, so der Neuropsychiater. Auch für den deutschen Kopfschmerzexperten und DGN-Pressesprecher Prof. Christoph Diener, Essen, liegt der Zusammenhang nahe: „Offensichtlich ist SARS-CoV-2 ein Trigger für sogenannte NDPH“. Das Phänomen kenne man bisher vor allem bei Viren der Herpes-Familie.

Wie genau es im Zuge der SARS-CoV-2-Infektion zu Kopfschmerzen kommt, ist noch nicht erforscht. In der Literatur werden folgende Mechanismen diskutiert:

  • eine direkte Schädigung durch das Virus selbst,
  • lokale Entzündungsreaktionen,
  • eine Unterversorgung mit Sauerstoff,
  • Koagulopathien oder
  • Schäden an Gefäßendothelien.

Langfristig oft Besserung

Nach Sampaio Rocha-Filho deutet die aktuelle Studienlage aber auch darauf hin, dass die persistierenden Kopfschmerzen in vielen Fällen langfristig nachlassen. In einer Literaturübersicht über 36 Studien waren die Schmerzen nach 60 Tagen bei 16,5% der Betroffenen noch vorhanden, bei nach 90 Tagen bei 10,6% und nach einem halben Jahr bei 8,4%. In sechs Studien aus Spanien mit insgesamt 905 erwachsenen COVID-19-Patienten lag die Prävalenz der Kopfschmerzen einen Monat nach Erkrankungsbeginn bei 31%, nach drei Monaten bei 19%, nach neun Monaten bei 16%.

Wichtig ist es dem Experten zufolge, den Schmerzcharakter zu eruieren und die Behandlung danach auszurichten. Bei den mit COVID-19-assoziierten Kopfschmerzen handle es sich häufig um Schmerzen vom Spannungstyp, aber auch der Migränetyp komme vor. Betroffene, die zuvor schon Kopfschmerzpatienten waren, hätten allerdings berichtet, dass die durch Corona ausgelösten Kopfschmerzen „anders“ waren. In vielen Fällen traten sie schleichend auf, waren bilateral lokalisiert und eher dumpf und drückend als stechend. Ähnlich wie Migräne gingen Corona-Kopfschmerzen oft auch mit Licht- und Lärmempfindlichkeit sowie Übelkeit und Erbrechen einher.

Kopfschmerzen durch zu viele Schmerztabletten?

Immerhin 80% der Betroffenen sprechen Sampaio Rocha-Filho zufolge auf gängige Schmerzmittel an. Bei der DGN sieht man aber gerade darin auch ein Risiko: Bei Patientinnen und Patienten mit täglichen Kopfschmerzen über einen langen Zeitraum könne die tägliche Einnahme von Schmerzmitteln wie NSAR (z. B. Ibuprofen) zur Normalität werden, heißt es in einer Pressemitteilung der DGN vom 26. Juli. Die Gefahr dabei, so Diener: „Kopfschmerztabletten können, wenn sie zu häufig eingenommen werden, Kopfschmerzen auslösen.“ Diesem Phänomen des „Medication Overuse Headache“ hat die DGN in Zusammenarbeit mit der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) eine S1-Leitlinie gewidmet. Demnach wird von einem MOH ausgegangen, „wenn an über 15 Tagen pro Monat Kopfschmerzen auftreten und diese über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten mit einem oder mehreren Schmerzmedikamenten behandelt werden“.

Um dem vorzubeugen, wird Betroffenen geraten, sparsam mit Kopfschmerztabletten umzugehen und auch nichtmedikamentöse Strategien auszuprobieren. Diese reichen von Bewegung an der frischen Luft bis hin zu Entspannungstechniken und Stressreduktion. Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob eine Prophylaxe mit Topiramat, Onabotulinumtoxin A oder monoklonalen Antikörpern gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor infrage kommt.

Quelle: SpringerMedizin.de

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