Was kann noch hinter Rückenschmerzen stecken?

Bei der Diagnostik von nicht-spezifischem Rückenschmerz leisten Ärzte oft Detektivarbeit. Ein Kollege gibt Tipps, wie er bei Patienten mit solchen Leiden vorgeht.

von Dr. Bianca Bach
19.08.2021

Ursache von Rückenschmerz kann auch ein Tumor sein.
© Foto: RFBS / stock.adobe.com
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74 bis 85 Prozent aller Menschen haben irgendwann einmal im Leben Rückenschmerzen. Vor Diagnose eines nicht-spezifischen Rückenschmerzes, dem meist Funktionsstörungen von Gelenken, Muskulatur oder Bindegewebe zugrunde liegen, sind spezifische Ursachen auszuschließen. Etwa ein Tumor oder Bandscheibenvorfall.

„Die Zeit, die initial in die Erhebung einer umfangreichen Anamnese und eines erweiterten körperlichen Befundes investiert wird, führt dazu, dass die richtigen diagnostischen Weichen gestellt werden“, so Dr. Dieter Burchert, niedergelassener Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin aus Mainz (Internist 2021; 62:24–33). Er rät, systematisch zu fragen, wie sich die Schmerzen entwickelt haben, ob es ein auslösendes Ereignis gab, wann sie auftreten, ob sie ausstrahlen, was sie lindert, verstärkt, und wie sie Schlaf und Arbeit beeinflussen.

Achtung Warnzeichen!

„Red flags“ können auf eine ernste Ursache hindeuten und erfordern mehr Diagnostik, etwa Labortests, Bildgebung, eine Facharzt-Überweisung oder eine Klinikeinweisung. Bedeutsam sind vor allem neurologische Ausfälle.

Eine typische Befundkonstellation aus der Erhebung der „red flags“, die zum Beispiel für eine Fraktur spricht, ist ein Trauma oder Bagatelltrauma unter Steroidtherapie mit lokalisiertem Klopfschmerz.

Die Zeit, dieinitialin die Erhebung einer umfangreichen Anamnese investiert wird, führt dazu, dass die richtigen diagnostischen Weichen gestellt werden.

Dr. Dieter Burchert, Mainz

B-Symptome mit Nachtschmerz lassen nach Infiltrationsbehandlung der Wirbelsäule, bei i.v.-Drogenabusus oder unter Immunsuppression dagegen an eine Infektion, bei Tumoranamnese und vermehrtem Schmerz in Rückenlage an ein Tumorrezidiv denken. Dermatombezogene Schmerzen, akuter Harnverhalt mit Überlaufblase und Sphinkterschwäche sowie Lähmungen sind Hinweise auf eine Radikulopathie.

Bei der Untersuchung werden Haltung und Bewegungsmuster beachtet. Funktionstests, etwa der Lasègue-Test, sowie die Prüfung von Sensibilität, Kraft und Reflexen dienen vor allem der segmentalen Zuordnung radikulärer Symptome. „98 Prozent der klinisch signifikanten Schädigungen der Bandscheiben treten im Bereich L4–L5 oder L5–S1 auf, das heißt, in den Wurzeln von L5 und S1“, berichtet Burchert.

Akutes Kaudasyndrom: Notfall

Bei L5-Beteiligung strahlen Schmerzen und Sensibilitätsstörungen von lateral am Bein über Fußrücken und medialen Fußrand bis in die Großzehe. Die Großzehenextension ist geschwächt. Beschwerden vom dorsalen Bein über den lateralen Fußrand bis in Ferse und Kleinzehe, mit Fußsenkerschwäche, erschwertem Zehengang, Eversions-, Zehenheberschwäche und schwachem oder fehlendem Achillessehnenreflex sprechen für eine S1-Beteiligung. Ein akutes Kaudasyndrom (S2–4) mit beidseitig ausstrahlenden Schmerzen und „Reithosenanästhesie“ mediodorsal am Oberschenkel und perineal, Blasen-, Mastdarmstörungen und Erektionsschwäche zählt als akuter Notfall.

Beispiele für nicht-spezifischen Rückenschmerz sind Blockierungen, Statikstörungen, Hypermobilität und Bindegewebsverquellungen. Sie sind oft nicht oder nur unzureichend mit bildgebenden Verfahren zu fassen. Daher wird davon bei nichtspezifischem Kreuzschmerz unter sechs Wochen Dauer abgeraten.

„Neuerdings werden myofasziale Schmerzsyndrome mit typischer Triggerpunktsymptomatik als spezifische Beschwerden eingeordnet“, so Burchert. Er erinnerte, dass auch Erkrankungen innerer Organe Schmerzen in bestimmten Hautarealen, den Head-Zonen, hervorrufen. Der Klassiker: Retrosternale Schmerzen bei Herzinfarkt.

Quelle: www.aerztezeitung.de

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