Was sind eigentlich Holiday-Heart-Syndrom und Happy-Heart-Syndrom?

Atemnot, Schwindel, Brustschmerzen – was einem Herzinfarkt ähnelt, kann auch ein „Holiday-Heart-“ oder „Happy-Heart-Syndrom“ sein. Die Ursachen dieser beiden Herzerkrankungen sind aber grundverschieden.

von Andrea Schudok
18.12.2023

Frau mit rosaroter Herz-Sonnebrille
© Foto: deagreez / stock.adobe (Symbolbild mit Fotomodel)
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Wer urlaubt, ist glücklich! Nach dieser Prämisse liegt es nahe, dass die Begriffe „Holiday-Heart-Syndrom“ und „Happy-Heart-Syndrom“ erstens synonym zu gebrauchen sind und zweitens ein wohliges Gefühl in der Brust beschreiben. Diese Annahmen sind jedoch beide falsch.

Statt Wonne in der Brust können Patientinnen und Patienten mit „Holiday-“ und „Happy-Heart“ tatsächlich die gleichen diffusen Symptome haben, wie Patienten mit einem Myokardinfarkt: zum Beispiel Atemnot, Schwindel, Brustschmerzen und Tachykardie. Die zwei Syndrome treten aber nicht als Folge stenosierter Gefäße auf: Beim „Holiday-Heart-Syndrom“ handelt es sich um eine Herzrhythmusstörung, meist Vorhofflimmern, und das „Happy-Heart-Syndrom“ wird der Gruppe der Kardiomyopathien zugeordnet. Grundverschieden sind auch die Ursachen der beiden Herzprobleme.

Holiday-Heart-Syndrom: wenn man im Urlaub einen hebt

Wodurch wird ein Holiday-Heart-Syndrom also ausgelöst? Durch das Gefühl von Sand unter den Füßen, Sonne auf der Haut und Bergwanderungen? Durch Weihnachtsplätzchen im Mund, Last Christmas im Radio und Ostereier im Garten? Selbstverständlich nicht! Grund für die spezielle Form der Herzrhythmusstörungen ist übermäßiger Alkoholkonsum – der nun einmal vermehrt an Wochenenden, Feiertagen und im Urlaub stattfindet. Meist treten die Beschwerden zwölf bis 36 Stunden nach exzessivem Alkoholkonsum auf, es gibt aber auch einzelne Berichte, bei denen es erst nach einer Woche zu den Rhythmusstörungen kam (Lynchburg Journal of Medical Science 2023; 5(1):94).

Erstmals wurde das Holiday-Heart-Syndrom im Jahr 1978 beschrieben (Am Heart J 1978; 95(5):555–62). Ein Team der New Jersey Medical School untersuchte 24 Patientinnen und Patienten, die nach übermäßigem Alkoholkonsum am Wochenende, im Urlaub oder an den Feiertagen mit Herzrhythmusstörungen hospitalisiert wurden. Die meisten von ihnen hatten Vorhofflimmern, einige auch Vorhofflattern oder supraventrikuläre und ventrikuläre Extrasystolen.

Vom „regelmäßigen Trinken“ und „gelegentlichen Saufen“

Wichtig für das Holiday-Heart-Syndrom ist: Bei den betroffenen Patientinnen und Patienten kann es sich auch um Personen handeln, die sonst (fast) abstinent leben und bei denen das „Binge-Drinking“ eine Ausnahme ist. Somit sind Personen mit „Holiday-Heart“ nicht mit jenen gleichzusetzen, die aufgrund regelmäßigen Alkoholkonsums ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern und andere Herzrhythmusstörungen haben. In einer großen koreanischen Metaanalyse mit Daten von knapp zehn Millionen Probanden kamen Forscherinnen und Forscher zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass „regelmäßiges Trinken“ gefährlicher sei als „gelegentliches Saufen“ (Europace 2020; 22(2):216–224).

Dass übermäßiger Alkoholkonsum generell dem Herzen schadet, ist natürlich längst bekannt. Um 1890 hat es bereits erste Analysen des Münchner Pathologen Otto von Bollinger gegeben, der den massiven Bierkonsum der Bierkutscher von mehreren Litern Bier pro Tag analysierte und den Betroffenen das sogenannte „Münchner Bierherz“ attestierte – eine toxisch-funktionelle Hypertrophie (DMW-Deutsche Medizinische Wochenschrift 1894; 20(09):203–204).

1978

in diesem Jahrwurde das Holiday-Heart-Syndrom erstmals beschrieben.

Herzrhythmusstörungen, die unmittelbar mit einem spezifischen „Binge-Drinking“-Ereignis assoziiert sind, enden häufig einige Stunden nach dem Einsetzen wieder spontan. In einer kleinen Studie wurde beobachtet, dass die Symptome bei rund 20 bis 30 Prozent der Personen mit „Holiday-Heart“ innerhalb von zwölf Monaten erneut auftreten, meist im Zusammenhang mit weiterem Alkoholmissbrauch (Am J Med 2009; 122(9):851–856.e3). Um zu verhindern, dass aus dem paroxysmalen Vorhofflimmern ein persistierendes Vorhofflimmern wird, appellieren Kolleginnen und Kollegen daher, Patienten klar zu vermitteln, dass es keine „sichere Dosis“ gibt, bei der die alkoholinduzierten Rhythmusstörungen auszuschließen sind (StatPearls Publishing 2023).

Happy-Heart-Syndrom: zu viele Glücksgefühle

Während das Holiday-Heart-Syndrom also durch zu viel Alkohol ausgelöst wird, liegt die Ursache des Happy-Heart-Syndroms bei zu viel „des Guten“ – zu viele Glücksgefühle, zu viel Freude. Es handelt sich bei dem Syndrom um eine Stress-Kardiomyopathie, die durch positive Lebensereignisse getriggert wird: Zum Beispiel dadurch, dass der Heimatverein endlich im Fußball gewonnen hat, das Enkelkind geboren wurde oder die eigene Hochzeit vor der Tür steht.

Damit stellt das „Happy-Heart-Syndrom“ die kleine Schwester vom „Broken-Heart-Syndrom“ dar: Deutlich häufiger werden Stress-Kardiomyopathien durch negative Emotionen ausgelöst, zum Beispiel durch die Trauer um einen Todesfall oder das gebrochene Herz nach einer Trennung. Nur in etwa vier Prozent der Fälle einer durch Emotionen ausgelösten Stress-Kardiomyopathie sind positive Gefühle für die Symptome verantwortlich (J Am Coll Cardiol HF 2022; 10 (7):459–466).

Unterschiede zum Broken-Heart-Syndrom

Auch die Gruppe der Betroffenen des Broken-Heart-Syndroms ist von jener des Happy-Heart-Syndroms verschieden: Ein „gebrochenes Herz“ haben vor allem Frauen nach der Menopause. Nur etwa fünf Prozent der Patienten sind männlich. Das (zu) glückliche Herz tritt immerhin in knapp 20 Prozent der Fälle bei Männern auf.

Darüber hinaus unterscheidet sich bei den beiden Syndromen auch das Kontraktionsmuster des Herzens. Das „Broken-Heart-Syndrom“ ist durch eine passagere Dilatation der apikalen Anteile des linken Ventrikels (engl. „apical ballooning“) gekennzeichnet, während es beim „Happy-Heart-Syndrom“ vermehrt zu atypischen nicht apikalen Dilatationen kommt. Das „apical ballooning“ ist übrigens der Grund dafür, warum die japanischen Ärzte, die die Stress-Kardiomyopathie 1991 das erste Mal beschrieben, sie „Takotsubo-Syndrom“ nannten (J Cardiol 1991; 21(2):203–214). „Takotsubo“ ist eine Tintenfischfalle, bestehend aus einem runden Krug mit kurzem Hals, an die die Form des apikal aufgedehnten Herzens erinnert.

Die Herzinfarkt-Patienten, die keine sind

Gleichgültig ob Stress-Kardiomyopathie, Takotsubo-Syndrom, Broken-Heart-Syndrom oder Happy-Heart-Syndrom – letztlich wird die Krankheit, wie zu Beginn erwähnt, häufig für einen Myokardinfarkt gehalten. Ähnliche klinische Symptome, Laborwerte und EKG-Muster begünstigen diese Verwechslung. „Heute gehen wir davon aus, dass drei bis fünf Prozent aller vermeintlichen Herzinfarkt-Patienten gar keinen Infarkt, sondern eine Stress-Kardiomyopathie erlitten haben“, meint PD Dr. Ingo Eitel, Uni Lübeck, im Jahr 2017 in einerMitteilung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zum Broken-Heart-Syndrom. Für die richtige Diagnose sind daher bildgebende Verfahren unerlässlich.

Wie auch beim „Holiday-Heart-Syndrom“ ist es beim „Happy-Heart-Syndrom“ so, dass sich die meisten Patienten nach der Akutphase wieder komplett erholen. Von zu viel Alkohol, Feierei und Ekstase sollten die Betroffenen womöglich trotzdem zunächst etwas mehr Abstand nehmen.

Quelle: Ärzte Zeitung

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