Wie gefährlich sind E-Zigaretten und Co.?

Sind E-Zigaretten und Tabakerhitzer weniger gesundheitsschädlich als das Rauchen konventioneller Zigaretten? Damit jedenfalls werben Anbieter solcher Produkte. Ergebnisse Industrie-unabhängiger Studien stützen die Aussage jedenfalls nicht.

von Dr. Thomas Meißner
31.05.2023

E-Zigaretten und Tabakerhitzer sollen weniger Schadstoffe produzieren als herkömmliche Tabakzigaretten. Harmlos sind aber auch sie nicht.
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Sie sehen von weitem aus wie bunte Filzstifte für Kinder: Einweg-E-Zigaretten, auch E-Shishas oder Vapes genannt. Zehn Zentimeter lang, nur millimeterdick, fest verbauter Akku und Liquidtank, Liquids in vielen Geschmacksrichtungen mit und ohne Nikotinzusatz. Bis zu 600 Züge sind möglich. Die gibt es für rund 9,50 Euro an jeder Tankstelle. Nach dem Gebrauch bleibt davon nur Elektroschrott übrig. Großflächig geworben wird auch für Tabakerhitzer. Weil sie – das sagt schon der Name – den Tabak nicht verbrennen, würden 95 Prozent weniger Schadstoffe inhaliert, so der Anbieter.

Privatdozent Dr. Klaas Franzen aus Lübeck bezweifelt das: Sowohl in vitro, als auch in Tiermodellen seien Inflammation, Zelltod und DNA-Schäden zu beobachten. Der Gasaustausch in der Lunge werde behindert, die Ausprägung und Entstehung von Asthma und COPD gefördert, es träten vermehrt Atemwegsinfekte auf. Und es gebe Hinweise auf mortalitätssteigernde Wirkungen.

„Industrie-unabhängige Studien zeigen, dass Tabakerhitzer sich ähnlich schädlich auf die Lunge auswirken wie konventionelle Zigaretten“, fasste der Pulmologe vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in Düsseldorf die aktuelle Datenlage zusammen.

Diese ist allerdings, auch das gehört zur Wahrheit, noch lückenhaft. Unter anderem deshalb, weil es ein komplexes und methodisch schwieriges Unterfangen ist, die Versprechungen der E-Zigaretten- und Tabakerhitzer-Industrie wissenschaftlich zu widerlegen. Abgesehen davon, dass es die Produkte erst seit vergleichsweise wenigen Jahren gibt, haben sich diese in kurzer Zeit rasch verändert. Die Bandbreite verschiedener Produktgenerationen ist groß, es gibt unterschiedliche Spannungs- und Widerstandsparameter, die sich individuell anpassen lassen. Dadurch werden verschieden hohe Temperaturen erzeugt, die wiederum unterschiedliche Schadstoffkonzentrationen zur Folge haben.

Hinzu kommt die große Anzahl von Liquids und Aromen, die sich unmöglich alle separat untersuchen lassen. Zudem lassen sich Liquids individuell mischen. Wie intensiv an der E-Zigarette gezogen wird, ist ebenfalls bedeutsam, ganz abgesehen vom verbreiteten Dual-Use, also dem kombinierten Konsum konventioneller Zigaretten und E-Zigaretten, oder der Frage, ob die betreffende Lunge bereits vorgeschädigt ist oder nicht. Das alles in geeignete studienmethodische Formen zu gießen, ist anspruchsvoll.

E-Dampf löst Entzündungen aus

Aber es gibt sie, die Studien. Zunächst jene an Zellen. Klar ist bereits, dass der Dampf aus E-Zigaretten am bronchialen Epithel Entzündungsreaktionen triggert. Diese sind unabhängig davon, ob das Inhalat Nikotin enthält oder nicht. Bereits durch Verbrenner-Zigaretten vorgeschädigtes Epithel wird weiter geschädigt. Es sind Interleukine nachgewiesen worden, die zur Entwicklung einer COPD beitragen.

Diese In-vitro-Befunde ließen sich am Tiermodell bestätigen: In den Lungen dampfender Mäuse finden ebenso Inflammationsreaktionen statt wie bei rauchenden Mäusen. Die Zytokinkonzentration in der Lunge nimmt signifikant zu, neutrophile Granulozyten werden aktiviert. Stickstoffmonoxid im Exhalat (FeNO) als anerkanntes Entzündungsäquivalent wird vermehrt gemessen. Und es würden Proteinasen freigesetzt, die die Entwicklung hin zu einer COPD fördern können, sagte Franzen.

Franzen wies in Düsseldorf außerdem auf verschiedene Tierexperimente hin, aus denen hervorgeht, dass der Gebrauch von E-Zigaretten die Vulnerabilität nicht nur gegenüber bakteriellen, sondern auch gegenüber viralen Infektionen erhöht. In Bezug auf Influenza sei das Dampfen mit einer verschlechterten Prognose bei einer H1N1-Infektion und mit einer reduzierten Überlebenswahrscheinlichkeit nach einer H2N3-Infektion assoziiert.

Uneinheitliche zytotoxische Effekte

Wie sieht es mit der Kanzerogenese, Zytotoxizität und genetischen Effekten aus? Derzeit biete sich ein uneinheitliches Bild, erklärte Klaas Franzen. Einerseits sind in In-vitro-Studien vermehrt zytotoxische Effekte zu sehen, andererseits scheinen die Auswirkungen tatsächlich geringer zu sein als bei Inhalation des Rauchs von verbranntem Tabak. Außerdem haben auch die Trägerstoffe der Aromen zytotoxische Wirkungen. In vivo lassen sich Up- und Down-Regulationen von Genen feststellen, die für Entzündungsprozesse, für die Zilienfunktion sowie für DNA-Reparaturmechanismen verantwortlich sind. Die in Heizwendeln enthaltenen Schwermetalle Cadmium, Nickel und Blei werden in die Dämpfe abgegeben und können Oropharynxkarzinome und Lungenkarzinome induzieren.

Woran es noch mangelt, sind ausreichend aussagekräftige Studien mit Menschen. Aus Befragungen geht zumindest hervor, dass E-Zigaretten- und Tabakerhitzer-Gebrauch mit einer erhöhten Symptomlast assoziiert ist, vor allem Husten, Mundtrockenheit und Auswurf. Bei entsprechenden Beschwerden sollte daher nicht nur danach gefragt werden, ob geraucht wird – das wird unter Umständen verneint – zur Anamnese gehört heute ebenso die Frage nach E-Zigaretten und Tabakerhitzern. Besonders bei bereits vorgeschädigten Lungen finden sich Hinweise für eine verschlechterte Lungenfunktion und einen reduzierten Gasaustausch. Bei Gebrauch von E-Zigaretten sind vermehrt Asthma oder Asthma-Exazerbationen beobachtet worden, vor allem bei Adoleszenten.

Dünne Datenlage zu Tabakerhitzern

Zu den seit 2016 in Deutschland erhältlichen Tabakerhitzern (etwa IQOS) ist die Datenlage verständlicherweise noch nicht so umfassend wie zu E-Zigaretten. Im Mausmodell seien aber vergleichbare inflammatorische Reaktionen zu beobachten wie bei konventionellem Zigarettenrauch. Die chronische Exposition führe zu einem vergleichbaren Lungenemphysem, sagte Franzen. Die vierwöchige Exposition verursachte bei Ratten die Degeneration kleiner und großer Atemwege und erhöhte aufgrund genetischer Veränderungen das Krebsrisiko.

Das Fazit der Pneumologen beim Kongress in Düsseldorf war wenig überraschend: Es gebe keine Hinweise, dass E-Zigaretten und Tabakerhitzer unschädlich seien. Industrie-unabhängige Studien, die günstige Auswirkungen zeigten, existierten nicht, sagte Franzen. Der Stuttgarter Pneumologe Dr. Alexander Rupp argumentierte, man könne nicht Medikamente zur Raucherentwöhnung vom Markt nehmen und gleichzeitig E-Zigaretten zur Schadensminderung empfehlen. Gemeinsam mit weiteren Fachgesellschaften und Organisationen hat sich die DGP im vergangenen Jahr erneut eindeutig positioniert: E-Zigaretten sollten nicht zur Tabakentwöhnung empfohlen werden.

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