„Wir nehmen an, dass COVID-19 das Immunsystem nachhaltig verändert“

In einer Studie wollen MHH-Forscher mehr über die Spätfolgen von COVID-19 herausfinden – und unter diesen leiden nicht nur Patienten mit schwerem Verlauf. Welche Folgen sind das denn konkret?

09.09.2020

Lungenfunktionsmessung: Viele der Genesenen, die an COVID-19 erkrankt waren, klagen über Luftnot bei Belastung und ein Engegefühl in der Brust.
© Foto: © Mathias Ernert, Uniklinikum Heidelberg, (Symbolbild mit Fotomodellen)
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Genesen, aber nicht gesund: Einige Menschen, die an COVID-19 erkrankt waren, leiden noch Wochen und Monate nach der akuten Erkrankung an deren Folgen. Zu den Symptomen gehören Müdigkeit, verminderte körperliche Belastbarkeit, Konzentrationsschwäche, Atemprobleme und Geschmacks- oder Geruchsverlust, teilt die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) mit.

„Diese Spätfolgen zeigen sich nicht nur bei Patienten, die schwer betroffen waren und stationär behandelt wurden, sondern auch bei solchen mit mittlerem oder mildem Krankheitsverlauf“, wird Professor Marius Hoeper, kommissarischer Direktor der Klinik für Pneumologie der MHH, in der Mitteilung zitiert.

In seiner Klinik gibt es die COVID-Ambulanz für Genesene, in der Patienten nach ihrer Erkrankung begleitet werden. In der Studie „IRMI 19“ (ImmunpRofile iM Langzeitverlauf nach COVID-19) will Hoeper mit seinem Team nun mehr über die Spätfolgen der Erkrankung herauszufinden.

Genesene klagen über Luftnot und Engegefühl in der Brust

„Es gibt Betroffene, die sich drei oder vier Monate nach der Erkrankung immer noch nicht wieder gesund fühlen“, erklärt Dr. Isabell Pink, Leiterin der COVID-Ambulanz für Genesene. Für einige sei es aufgrund der Beschwerden schwierig, ihrem Beruf nachzugehen, selbst wenn es sich um einen Bürojob handelt. Viele klagten über Luftnot bei Belastung und ein Engegefühl in der Brust. Darunter seien auch Patienten zwischen 21 und 50 Jahren, die vor der Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 vollkommen gesund gewesen seien. „Ihre Situation verbessert sich nur sehr langsam“, sagt die Pneumologin. Medikamentös kann sie den Patienten nicht viel anbieten. „Wir können ihnen nur raten, auf ihren Körper zu hören, insgesamt einen Gang runterzuschalten und gegebenenfalls eine ambulante Reha zu beantragen.“

Dennoch schätzen die Betroffenen die Betreuung in der Ambulanz. Sie fühlen sich sicherer, wenn sie ärztlich begleitet und ihr Zustand über längere Zeit beobachtet wird, heißt es in der Mitteilung. In der Ambulanz verfolgen die Experten den Verlauf über mindestens ein halbes Jahr. Die Patienten werden dreimal untersucht: sechs bis acht Wochen, drei Monate und sechs Monate nach der akuten SARS-CoV-2-Infektion. Dazu gehören eine Lungenfunktionsmessung, die Analyse von Blut, Urin und Speichel, eine körperliche Untersuchung und ein Belastungstest sowie gegebenenfalls eine bildgebende Diagnostik. Es besteht ein enger Kontakt zu anderen Fachdisziplinen, die bei Bedarf mit hinzugezogen werden.

Nachhaltige Veränderungen des Immunsystems vermutet

Über die Langzeitfolgen einer Infektion mit dem Coronavirus ist insgesamt noch wenig bekannt. Bisherige Forschungen und klinische Beobachtungen haben jedoch gezeigt, dass SARS-CoV-2 praktisch jedes Organ befallen und dort Schäden verursachen kann. „Wir nehmen an, dass COVID-19 das Immunsystem nachhaltig verändert“, so Hoeper. Durch die Studie „IRMI 19“wollen er und sein Team neue Erkenntnisse über die Spätfolgen der Virusinfektion gewinnen. „Wir gehen davon aus, dass es zwischen den beobachteten Immunphänomenen und den anhaltenden Beschwerden Zusammenhänge gibt, die wir besser verstehen möchten, natürlich auch in der Hoffnung, diese in Zukunft behandeln zu können.“ Aufschlüsse darüber sollen Immunprofile im Langzeitverlauf bringen.

An der Studie sollen rund 100 Betroffene teilnehmen, die ursprünglich nur leicht an COVID-19 erkrankt waren und trotzdem an Spätfolgen leiden. In die Studie können auch Patienten eingeschlossen werden, die nicht in der MHH behandelt wurden. Sie können sich in der COVID-Ambulanz für Genesene melden. ( ikr)

Interessenten für die Studie erreichen die COVID-Ambulanz für Genesene unter Tel.: (0511) 532-5030, Fax: (0511) 532-18538 oder auch per E-Mail an: pneumologie.covid@mh-hannover.de

Quelle: www.aerztezeitung.de

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