Zahnimplantate und Brücken

Zahnimplantate und Brücken mit Piezokeramiken überwachen: Forschende finden neue Anwendungen für bekannte Technologie

von Susann Thoma Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM
17.04.2021

Piezokeramiken könnten den Zustand von Brücken überwachen.
© Foto: Fraunhofer IZM
Anzeige

Ein Material wie kein anderes: Mit den besonderen Eigenschaften der Piezokeramiken könnten viele Innovationen entstehen. In dem kollaborativen Projekt »Smart Co-Creation« erarbeiten Forschende und mittelständische Unternehmen Ideen und Konzepte für konkrete Branchen, in denen das piezoelektrische Wundermaterial sinnvoll anwendbar ist.

Ob in Quarzuhren, als Einspritzsystem für Kraftfahrzeuge oder in Lautsprechern – Piezokeramiken sind seit Jahren Bestandteil moderner Technik. Und das zu Recht, schließlich hat das Material ganz außergewöhnliche Eigenschaften: Wird Druck auf die Piezokeramik ausgeübt, das Material also mechanisch belastet, entsteht eine Spannung. Und auch umgekehrt: Wenn eine Spannung angelegt wird, verändert sich die Form des Materials. Stromerzeugend und formwechselnd – ein Allrounder.

Forschende des Fraunhofer IKTS und des Fraunhofer IZM wollen gemeinsam mit dem Hasso-Plattner-Institut sowie der FU Berlin im Rahmen des Projekts »Smart Co-Creation« den Einsatz von Piezokeramiken vor allem für Entwicklungen in mittelständischen Unternehmen vorantreiben. Ganz im Sinne des Design Thinking fanden bereits zwei Reihen mit jeweils drei Workshops statt, im Rahmen derer Expert*innen und Anwender*innen die Anwendungspotenziale von Piezokeramiken für konkrete Branchen diskutierten.

Das erste gemeinsame Brainstorming legte den Fokus auf medizinische Anwendungen: Piezokeramiken in intelligente Zahnimplantate einzusetzen, kann zu einem optimalen Monitoring der Implantate beitragen. Technisch funktioniert das wie folgt: Durch das Kauen wird mechanischer Druck auf die Keramik ausgeübt, wodurch eine elektrische Spannung erzeugt wird, die ausgewertet werden kann. Gibt es Unregelmäßigkeiten oder Schäden in dem zahnmedizinischen Gebilde, verändert sich diese Spannung – sofort kann gehandelt werden, ohne dass größerer Aufwand entsteht.

In der zweiten Workshopreihe ging es um den Einsatz von Piezokeramiken zur Überwachung großer Infrastrukturen. Sie können beispielsweise die Vibrationen von Brücken aufnehmen. Veränderungen der Schwingungsmuster zeigen Schäden an. So wird der Brückenzustand überwacht und Reparaturen können noch vor dem Eintreten gravierender Schäden durchgeführt werden.

Einen Nachteil allerdings haben Piezokeramiken: Sie enthalten Blei, welches bei Gewinnung und Verhüttung, aber auch bei unsachgemäßem Recycling des Materials in Stäuben austreten und so zum Beispiel in den Wasserkreislauf gelangen kann. Die Folgen für Mensch und Umwelt sind drastisch, da dieses Schwermetall bereits bei geringen aufgenommenen Mengen Nervenschäden verursacht.

Um das zu verhindern, hat die Europäische Union Richtlinien aufgesetzt, die grundsätzlich die Nutzung des Bleis in elektrischen und elektronischen Geräten verbieten.
Doch es gibt Ausnahmen: Bedingt dadurch, dass beim derzeitigen Stand der Wissenschaft und Technik bisher kein bleifreies Keramikmaterial mit vergleichbarer Leistung entwickelt werden konnte, wurden für Piezokeramiken Ausnahmen von der Regel ausgesprochen. Diese werden alle vier bis sieben Jahre dem Stand der Wissenschaft und Technik angeglichen, d. h. es wird insbesondere geprüft, ob der wissenschaftliche und technische Fortschritt die Substitution des Bleis in den Piezokeramiken ermöglicht, was bisher nicht der Fall ist.

Quelle: IDW, Fraunhofer IZM

Kommentar schreiben

Die Meinung und Diskussion unserer Nutzer ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie im Sinne einer angenehmen Kommunikation auf unsere Netiquette. Vielen Dank!

Pflichtfeld *