Thrombose droht ab vierstündigem Sitzen

(kib) Langes Sitzen auf Reisen birgt ein individuell unterschiedliches Risiko für Reisethromboembolien (RTE). Ein Gerinnungsmediziner gibt Tipps, bei wem welche Art der Vorbeugung sinnvoll ist.

25.04.2022

Frau sitzt im Flugzeug
© Foto: Udo Kroener / stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodell)
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Im nun dritten Pandemie-Jahr begeben sich die Menschen allmählich wieder auf Reisen, auch in die Ferne. Wer lange sitzt, riskiert aufgrund des verlangsamten Blutflusses in den Beinen mitunter eine tiefe Beinvenenthrombose oder gar eine nachfolgende Lungenembolie. Mitunter manifestiert sich das noch vier bis acht Wochen später. Die Prophylaxe richtet sich nach dem individuellen Risikoprofil.

Während der Zusammenhang zwischen langem Sitzen, etwa auf Langstreckenflügen, schon länger bekannt ist, wurde der Begriff der Reisethromboembolie erst Anfang des Jahrtausends definiert, erläuterte Professor Jürgen Ringwald, Ärztlicher Leiter der Institute für Transfusionsmedizin in Lütjensee und Schleswig, bei einer Vorab-Pressekonferenz des CRM Centrums für Reisemedizin anlässlich des 23. Forums Reisen und Gesundheit, welches Mitte März stattfand.

Trotz eines vorübergehenden „Hypes“ in den Medien, nachdem im Jahr 2000 eine junge Frau nach der Heimreise von Australien nach London an einer Lungenembolie gestorben war, meinte der Hämostaseologe: „Es ist kein Mythos, aber es ist auch kein hohes Risiko.“

Füße wippen, aufstehen, genug trinken

„Es gibt die Reisethrombose bei Weitem nicht nur im Flugzeug, sondern auch im Auto, im Bus (…), und ebenso bei anderen sitzenden Gelegenheiten“, betonte Ringwald. Er habe inzwischen 25 Patienten, die durch langes Sitzen in schlechten Positionen im Homeoffice eine Thrombose bekommen hätten.

Nicht jeder Flug ist kritisch. Bei Reisen etwa nach Gran Canaria oder Nordafrika sieht Ringwald kein Problem: „Bis vier Stunden gilt das nicht als Risiko.“ Wer länger unterwegs ist, tut gut daran, regelmäßige Bewegungspausen einzulegen, nach Möglichkeit aufzustehen oder zumindest mit den Füßen zu wippen, um die Wadenmuskelpumpe zu aktivieren. Ein Gangsitz kommt dem entgegen.

Wichtig ist auch, ausreichend zu trinken – nicht Alkohol, nicht Kaffee –, um eine Verdickung des Blutes zu vermeiden. Die Kleidung sollte nicht einengen. „Das ist für alle sinnvoll“, so Ringwald. Ob weitere Prophylaxemaßnahmen nötig sind, hängt von etwaigen Zusatzrisiken ab. Etwa ein Alter über 60 Jahre, Schwangerschaft, eine positive Familienanamnese oder angeborene Thrombophilien, wie die Faktor-V-Leiden-Mutation. Letztere betrifft fünf bis zehn Prozent der kaukasischen Bevölkerung.

Wichtiger in der Praxis sei, so der Hämostaseologe, tatsächlich das erworbene Risiko – durch Östrogene, durch starkes Übergewicht, durch Rauchen und andere chronische Erkrankungen.

Empfehlungen für Risikopatienten

Bei maximal zwei Risikofaktoren empfahl Ringwald, Kompressionsstrümpfe anzupassen, die mindestens bis zum Knie reichen. Hochrisikopatienten, etwa mit einer Krebserkrankung oder bereits durchgemachter Thrombose, benötigen mitunter zusätzlich eine Gerinnungshemmung, zum Beispiel niedermolekulares Heparin oder neue direkte Antikoagulanzien (DOAK). Wichtig sei, den Patienten klar zu vermitteln, dass Blutverdünner nichts nützen: „ASS bringt Ihnen da keinen ausreichenden Schutz.“

Ringwald warnte aber auch explizit vor einem unkritischen DOAK-Gebrauch durch Reisende ohne entsprechendes Risiko: „Das darf nicht der Grund sein, dass jetzt jeder, der eine Busreise macht oder in ein Flugzeug steigt und länger als vier bis sechs Stunden fliegt, sich einen Gerinnungshemmer einwirft.“

Denn abgesehen davon, dass sowohl Heparine als auch DOAK mangels spezifischer Zulassungsstudien für die Indikation RTE prinzipiell off-label sind – was man dem Patienten auch mitteilen sollte – besteht letztlich auch ein Nebenwirkungsrisiko, etwa dass man verstärkt bluten kann.

Umgekehrt kann das Blutungsrisiko unter Vitamin-K-Antagonisten wie Marcumar für Ringwald im Einzelfall ein Anlass sein, bei einer Reise die Behandlung auf DOAK umzustellen. Etwa, wenn der Patient sich noch nicht gut mit seiner Medikation auskennt oder bereits Zuhause Probleme mit der Einstellung hatte. Evidenzbasiert ist das noch nicht.

Quelle: Ärzte Zeitung

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